BFH:
Restriktive Anforderungen für Sonderabschreibungen bei Mietwohnungsneubau
Der Mietwohnungsneubau wird aufgrund des erheblichen Bedarfs an modernen Wohnungen steuerlich gefördert – zurzeit insbesondere durch die Möglichkeit von Sonderabschreibungen. Die Fördervoraussetzungen sind für jedes Neubauprojekt individuell zu prüfen. Der BFH versagte aktuell die Sonderförderung für Mietwohnungsneubauten, wenn dem Neubau ein Abriss vorausgeht und eine Wohnung zwar „neu“ im sprachlichen Sinne ist, hierdurch aber der zuvor vorhandene Bestand an Wohnungen auf dem Grundstück nicht vermehrt wurde (BFH, Urteil vom 12.08.2025 – IX R 24/24).
Hintergrund
Für aktuelle Projekte im Mietwohnungsneubau kann für vier Jahre eine Sonderabschreibung von bis zu 5 % der Baukosten jährlich beansprucht werden (begrenzte Bemessungsgrundlage nach § 7b EStG) – zusätzlich zur regulären jährlichen Abschreibung von 3 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Diese Sonderabschreibung von insgesamt bis zu 20 % ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, unter anderem:
- Anschaffung oder Herstellung einer neuen Wohnung in einem EU-Staat
- Bauantrag bzw. Bauanzeige zwischen 01.01.2023 und 30.09.2029 oder zwischen 01.09.2018 und 31.12.2021 (keine Förderung für Bauantrag bzw. Bauanzeige in 2022)
- Vermietung zu Wohnzwecken in den ersten zehn Jahren
- Einhaltung von Baukostenobergrenzen und Subventionsobergrenzen
- Bei Bauantrag bzw. Bauanzeige ab 01.01.2023: Einstufung und Nachweis von Energieeffizienzkriterien („Effizienzhaus 40“)
Entscheidung
Der BFH versagte – wie bereits das FG Köln (siehe unseren Beitrag vom 10.03.2025) die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung nach § 7b EStG bei Abriss und anschließendem Neubau. Der Entscheidungsfall betraf ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück. Das (alte) Einfamilienhaus war 1962 errichtet worden und stand seither im Familieneigentum. Es wurde seit 1997 vermietet. Nach verschiedenen Sanierungsüberlegungen fiel Ende 2018 ein Entschluss zum Abriss und dem Neubau eines Einfamilienhauses, das wiederum vermietet wurde. Die gesetzliche Fördervoraussetzung der „Vermehrung des vorhandenen Wohnungsbestands“ ist nach der Auffassung des BFH nicht erfüllt, wenn ein Neubau, der lediglich an Stelle der abgerissenen Wohnung tritt und nur zu einer Verlegung von Wohnraum oder einer Erweiterung der Wohnfläche innerhalb eines Gebäudes führt. Auch die Verlängerung der Nutzungsdauer bestehenden Wohnraums durch Modernisierung oder Sanierung ist nicht nach § 7b EStG begünstigt. Die Frage, ob eine Sanierung wirtschaftlich sinnvoll oder möglich gewesen wäre, sei nach Auffassung des BFH irrelevant. Ein Neubau nach Abriss einer Wohnung sei nur dann ausnahmsweise begünstigungsfähig, wenn kein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang vorliegt. Bestehen hingegen bereits zum Zeitpunkt des Abrisses Neubauabsichten und fortgeschrittene Planungen, weist dies auf eine einheitliche Maßnahme und einen schädlichen „Gesamtplan“ des Steuerpflichtigen hin. Beginnen die Neubauplanungen und ‑arbeiten hingegen erst nach einem längerfristigen Abriss und Brachliegen des Grundstücks, können die Fördervoraussetzungen des § 7b EStG erfüllt sein.
Praxishinweis
Die Entscheidung sollte für alle laufenden Projekte und Finanzierungen beachtet werden. Sie betrifft zwar die Förderung für Bauanträge bzw. Bauanzeigen bis 31.12.2021 – die aktuelle Regelung enthält jedoch dieselbe Anforderung, so dass die Entscheidung auch für Vorhaben ab 01.01.2023 von Bedeutung sein wird. Förderungsschädlich sind Abriss und Neubau, die als einheitliche Maßnahmen auf Basis eines Gesamtplans wirken. Hierfür spricht insbesondere eine enge zeitliche und sachliche Verbindung zwischen Abriss und Neubau, wobei der BFH die Zeitspannen zwischen beiden Maßnahmen nicht konkretisiert. Der BFH lässt leider auch offen, ob bzw. in welchem Umfang eine Begünstigung nach § 7b EStG in Betracht kommt, wenn ein ersetzender Neubau den Wohnungsbestand vermehrt, wie zum Beispiel bei Ersetzung eines Ein- oder Zweifamilienhauses durch ein Mehrfamilienhaus. Ebenfalls unklar bleibt, ob auch beim Erwerber eines Grundstücks, auf dem zuvor ein Gebäude abgerissen wurde, schon ein enger zeitlicher Zusammenhang zum Abriss die Sonderabschreibung gefährdet.
Der BFH konterkariert mit dieser Rechtsprechung die Bemühungen der Bundesregierung, Wohnungsneubau zu fördern (vgl. den im Oktober 2025 von Bundestag und Bundesrat beschlossenen sog. Wohnungsbau-Turbo). Die sich durch dieses Urteil ergebenden neuen Fragen erzeugen eine erhebliche Planungsunsicherheit, die verlässlich nur im Wege einer verbindlichen Abstimmung mit der Finanzverwaltung geklärt werden können – freilich zu Lasten der Geschwindigkeit bei Neubauvorhaben. Unbeeinflusst von diesem Urteil bleiben Neubauten „auf der grünen Wiese“.