OLG Mün­chen:
Eil­rechts­schutz für GmbH-Gesell­schaf­ter gegen Ein­zie­hung sei­nes Geschäftsanteils

Ent­schei­dung

Das Ober­lan­des­ge­richt Mün­chen (Beschluss vom 18.05.2021 – 7 W 718/21) hat als ers­tes Ober­ge­richt ent­schie­den, dass ein GmbH-Gesell­schaf­ter nicht nur durch Kla­ge, son­dern auch im Wege des Eil­rechts­schut­zes von der Gesell­schaft die Kor­rek­tur einer zwi­schen­zeit­lich – auf­grund rechts­wid­ri­gen Ein­zie­hungs­be­schlus­ses – geän­der­ten Gesell­schaft­er­lis­te ver­lan­gen kann. Die Rechts­wid­rig­keit der Ein­zie­hung muss hier­für ledig­lich über­wie­gend wahr­schein­lich sein.


Hin­ter­grund

Das OLG nimmt in sei­nem Beschluss Bezug auf ein Urteil des BGH (BGH, Urteil vom 02.07.2019 – II ZR 406/17; sie­he dazu unse­ren Bei­trag vom 22.08.2019): Danach muss wegen der Gesell­schaft­er­lis­te aus § 16 GmbHG dem von einer mög­li­cher­wei­se feh­ler­haf­ten Ein­zie­hung sei­nes Geschäfts­an­teils betrof­fe­nen Gesell­schaf­ter ein effek­ti­ves Mit­tel (des Eil­rechts­schut­zes) zur Ver­fü­gung ste­hen, um wäh­rend der Dau­er des Haupt­sa­che-Rechts­streits über die Ein­zie­hung sei­ne Gesell­schaf­ter­rech­te wahr­neh­men zu kön­nen. Grund­sätz­lich gilt näm­lich nur der­je­ni­ge als Gesell­schaf­ter, der in der Gesell­schaft­er­lis­te steht.

Die Antrag­stel­le­rin im Eil­rechts­schutz war Grün­dungs­ge­sell­schaf­te­rin der Antrags­geg­ne­rin (GmbH). Zudem war der Geschäfts­füh­rer der Antrag­stel­le­rin zunächst auch Geschäfts­füh­rer der Antrags­geg­ne­rin. Ende Juli 2020 lud der Geschäfts­füh­rer (nach eige­nem Bekun­den zur Vor­be­rei­tung der Rechts­ver­tei­di­gung, da er mit der Sper­rung sei­nes Zugangs rech­ne­te) eine gro­ße Anzahl hoch­sen­si­bler Fir­men­da­tei­en (dar­un­ter Geschäfts­ge­heim­nis­se) auf einen Lap­top der Antrags­geg­ne­rin und ein Spei­cher­me­di­um herunter.

Per Gesell­schaf­ter­be­schluss wur­den die Geschäfts­an­tei­le der Antrag­stel­le­rin im März 2021 wegen treu­wid­ri­gen Ver­hal­tens ihres Geschäfts­füh­rers (Down­load Fir­men­da­ten) ein­ge­zo­gen. In der Fol­ge reich­te die Gesell­schaft eine neue Gesell­schaft­er­lis­te (ohne die Antrag­stel­le­rin als Gesell­schaf­te­rin) beim Han­dels­re­gis­ter ein.

Das OLG hat die Antrags­geg­ne­rin ver­pflich­tet, die Antrag­stel­le­rin einst­wei­len als Gesell­schaf­te­rin zu behan­deln und eine ent­spre­chend kor­ri­gier­te Gesell­schaft­er­lis­te, also unter Nen­nung der Antrag­stel­le­rin, zur Auf­nah­me im Han­dels­re­gis­ter einzureichen.

Laut Gericht besteht die über­wie­gen­de Wahr­schein­lich­keit, dass die Ein­zie­hung rechts­wid­rig war und damit im Haupt­sa­che­ver­fah­ren kei­nen Bestand haben wird. Wenn erheb­li­che Zeit zwi­schen Anlass und Gel­tend­ma­chung der Ein­zie­hung lie­ge (hier nahm das OLG aus­drück­lich Bezug auf eine zeit­ver­kür­zen­de Klau­sel in der Sat­zung der Gesell­schaft, die einen Zeit­raum von sechs Mona­ten vor­sah), ver­lie­re ein ange­führ­ter wich­ti­ger Grund an Gewicht und wie­ge nicht mehr so schwer, dass er eine Been­di­gung des Gesell­schaf­ter­ver­hält­nis­ses rechtfertige.

Rechts­wid­ri­ge Ein­zie­hung von GmbH-Gesell­schafts­an­tei­len kann durch Eil­rechts­schutz ver­hin­dert werden


Pra­xis­hin­weis

Der von einem rechts­wid­ri­gen Ein­zie­hungs­be­schluss betrof­fe­ne Gesell­schaf­ter soll­te schnell reagie­ren und ver­su­chen, bereits die Ände­rung der Gesell­schaft­er­lis­te im Wege des Eil­rechts­schut­zes durch Siche­rungs­ver­fü­gung zu ver­hin­dern. Bei Unklar­heit, ob eine geän­der­te Lis­te bereits ein­ge­reicht wur­de, kann der auf Unter­las­sung gerich­te­te Haupt­an­trag mit einem Hilfs­an­trag auf Lis­ten­kor­rek­tur ver­bun­den werden.

Der Beschluss des OLG stellt klar, dass ein die Ein­zie­hung recht­fer­ti­gen­der Grund in bestimm­ten Fäl­len (ins­be­son­de­re bei zeit­ver­kür­zen­den Rege­lun­gen in der Sat­zung) nur in einem zeit­lich begrenz­ten Zeit­raum zur Ver­fü­gung steht und die Wil­lens­bil­dung über den Ent­zug von Gesell­schafts­an­tei­len als­bald abge­schlos­sen sein muss.

Das OLG nahm in sei­ner Begrün­dung auch Bezug auf das Geschäfts­ge­heim­nis­ge­setz. Das Gericht ließ offen, ob es sich bei dem Down­load von hoch­sen­si­blen Geschäfts­ge­heim­nis­sen auch um eine straf­recht­lich rele­van­te Pflicht­ver­let­zung des Geschäfts­füh­rers han­del­te. Jeden­falls müs­se ein kon­kre­ter Daten­miss­brauch zum Scha­den der Gesell­schaft gel­tend gemacht wer­den, um eine Ein­zie­hung zu recht­fer­ti­gen. Die Anfor­de­run­gen an den kon­kre­ten Schutz von Geschäfts­ge­heim­nis­sen sind aller­dings im ers­ten Schritt durch ein umfas­sen­des Schutz­maß­nah­men­kon­zept (unter ande­rem auch Doku­men­ta­ti­on von Ver­stö­ßen) abzu­si­chern, um gege­be­nen­falls wei­te­re Maß­nah­men wie Scha­dens­er­satz­for­de­run­gen, aber unter Umstän­den auch die Ein­zie­hung von Gesell­schafts­an­tei­len rechts­si­cher gel­tend machen zu können.

Ansprechpartner


Wir verwenden die nachfolgend aufgeführten Cookies, um die Zugriffe auf unsere Website zu analysieren und um die Nutzerfreundlichkeit zu erhöhen. Dadurch erhobene Daten geben wir an unsere Partner für Analysen weiter. Unsere Partner führen diese Informationen möglicherweise mit weiteren Daten zusammen, die Sie ihnen bereitgestellt haben oder die sie im Rahmen Ihrer Nutzung der Dienste gesammelt haben. Die jeweilige Einwilligung für die Nutzung der Cookies ist freiwillig, für die Nutzung dieser Website nicht notwendig und kann jederzeit widerrufen werden. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen.