BGH:
Zuläs­sig­keit von Scha­dens­pau­scha­lie­rungs­klau­seln im Kartellrecht

Ent­schei­dung

Mit sei­nem Urteil vom 10.02.2021 (KZR 63/18, NZBau 2021, 404 ff.) hat der BGH im Kar­tell­recht neue Maß­stä­be gesetzt: Scha­dens­pau­scha­lie­rungs­klau­seln für Kar­tell­rechts­ver­stö­ße sind zuläs­sig und kön­nen künf­tig in die Auf­trags­be­din­gun­gen mit auf­ge­nom­men wer­den. Der Senat gibt auch kon­kre­te Anwei­sun­gen, wie die Pau­scha­lie­rungs­klau­seln aus­ge­stal­tet sein müs­sen, um AGB-kon­form zu sein. Liegt die­se Über­ein­stim­mung mit AGB-Recht vor, wird die Dar­le­gungs- und Beweis­last für die Höhe des Scha­dens zuguns­ten des geschä­dig­ten Auf­trag­ge­bers umge­kehrt und dem Auf­trag­neh­mer (Kar­tell­rechts­tä­ter) auf­er­legt. Gelingt es die­sem nicht, einen nied­ri­ge­ren als den pau­scha­lier­ten Scha­den zu bewei­sen, muss er sich an dem pau­scha­lier­ten Betrag fest­hal­ten lassen.


Hin­ter­grund

Der Ent­schei­dung lag eine Kla­ge der Ber­li­ner Ver­kehrs­be­trie­be (BVG) auf kar­tell­be­ding­ten Scha­dens­er­satz zugrun­de, die sich auf eine in den Zusätz­li­chen Ver­trags­be­din­gun­gen“ ent­hal­te­ne Pau­scha­lie­rungs­klau­sel (5 % der Anspruchs­sum­me) stützte. 

Die BVG (Auf­trag­ge­be­rin) hat­te unter ande­rem im Wege der Aus­schrei­bung Schie­nen­ma­te­ri­al von einem Auf­trag­neh­mer erwor­ben, der nach den Fest­stel­lun­gen des Bun­des­kar­tell­amts (BKar­tA) Teil eines Schie­nen­kar­tells war. Auf­grund der Preis­ab­spra­chen in die­sem Kar­tell zahl­te die BVG über­höh­te Prei­se für die erhal­te­ne Ware.

Der Vor­teil von Scha­dens­pau­scha­lie­rungs­klau­seln liegt ins­be­son­de­re dar­in begrün­det, dass die Höhe des ent­stan­de­nen Scha­dens durch kar­tell­recht­li­che Prak­ti­ken im Ein­zel­fall schwie­rig zu bemes­sen und nach­zu­wei­sen ist.

  • Zuläs­sig­keit von Scha­dens­pau­scha­lie­rungs­klau­seln: Der BGH sah die Ver­wen­dung einer Klau­sel, die eine Scha­dens­pau­scha­le in Höhe von 5 % bis maxi­mal 15 % des ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Rech­nungs­werts“ fest­legt, im unter­neh­me­ri­schen Geschäfts­ver­kehr als zuläs­sig an. Dar­in sei ange­sichts der Beson­der­hei­ten des kar­tell­recht­li­chen Scha­dens­er­satz­an­spruchs kei­ne unan­ge­mes­se­ne Benach­tei­li­gung des an einem Kar­tell betei­lig­ten Auf­trag­neh­mers zu erken­nen. Sofern kei­ne bes­se­ren Erkennt­nis­se vor­lä­gen, genü­ge eine Bezug­nah­me auf öko­no­misch fun­dier­te all­ge­mei­ne Ana­ly­sen kar­tell­be­ding­ter Auf­schlä­ge. Dem Ver­trags­part­ner muss nach Ansicht des Senats in der Klau­sel aber der Nach­weis eines feh­len­den oder nied­ri­ge­ren Scha­dens (als der pau­scha­lier­te Scha­den) ein­ge­räumt sein.
  • Anwen­dungs­be­reich: Der Anwen­dungs­be­reich ist nicht auf Abre­den beschränkt, die sich unmit­tel­bar auf die kon­kre­te Auf­trags­ver­ga­be bezie­hen, son­dern umfasst auch gene­rel­le Abspra­chen zwi­schen Wett­be­wer­bern, die aus Anlass zukünf­ti­ger Auf­trags­ver­ga­ben getrof­fen wer­den und dar­auf gerich­tet sind, für die­se Auf­trags­ver­ga­ben den wett­be­werb­li­chen Preis­bil­dungs­me­cha­nis­mus ganz oder teil­wei­se außer Kraft zu setzen.
  • Höhe zwi­schen 5 bis 15 % zuläs­sig: Der Senat erkennt an, dass die Bezif­fe­rung eines Scha­dens, der aus einem Ver­stoß gegen das Ver­bot wett­be­werbs­be­schrän­ken­der Ver­ein­ba­run­gen resul­tiert, regel­mä­ßig mit erheb­li­chen tat­säch­li­chen Schwie­rig­kei­ten und zudem oft­mals mit gro­ßem sach­li­chen und finan­zi­el­len Auf­wand ver­bun­den ist. Daher geht der Senat davon aus, dass in Abwe­sen­heit von spe­zi­fi­schen Unter­su­chun­gen Pro­zent­sät­ze zwi­schen 5 % und 15 % der Abrech­nungs­sum­me zuläs­sig sind. Vor dem Hin­ter­grund der Schwie­rig­kei­ten der Scha­dens­be­rech­nung im Kar­tell­scha­dens­er­satz­recht fällt die Bemes­sung hier deut­lich höher aus als im Vertragsrecht.

Für den Fall, dass der Ver­trags­part­ner gegen das Kar­tell­recht ver­stößt, kön­nen Pau­scha­lie­rungs­klau­seln in den AGB eine Lösung sein


Pra­xis­tipp

Im Fal­le von Aus­schrei­bun­gen (für Waren, Dienst­leis­tun­gen oder Pro­duk­te) emp­fiehlt sich künf­tig also zu prü­fen, ob unter Beach­tung der Vor­ga­ben des BGH ent­spre­chen­de Scha­dens­pau­scha­lie­rungs­klau­seln for­mu­liert wer­den kön­nen. Der Rah­men für die Höhe der Scha­dens­be­zif­fe­rung von 5 % bis 15 % der Abrech­nungs­sum­me ist nun bereits vor­ge­ge­ben. Posi­tiv für den Ver­wen­der ist die Ver­la­ge­rung des Risi­kos für den Nach­weis der Scha­dens­hö­he auf den Kartellanten.

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