Grunderwerbsteuer:
Verschärfung bei Share Deals
ab dem 1. Juli 2021
Gesetzgebungsverfahren
Am 07.05.2021 hat der Bundesrat das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes verabschiedet (BR Drs. 320/21). Damit wurde ein im Sommer 2019 begonnenes und wegen erheblicher Widerstände zwischenzeitlich gestopptes Gesetzgebungsverfahren in modifizierter Form beschlossen. Die Verschärfungen betreffen in Wesentlichen die Übertragung von Anteilen an Personen- und Kapitalgesellschaften mit Grundbesitz.
Nachfolgend sind drei wesentliche Änderungen kurz erläutert, die nicht nur für Umstrukturierungen im Konzern zu beachten sind, sondern auch für Share Deals zwischen fremden Parteien. In beiden Fällen werden grunderwerbsteuerneutrale Anteilsübertragungen ab dem 01.07.2021 deutlich erschwert.
Hintergrund
Die seit 1997 bestehende Regelung für Änderungen des Gesellschafterbestandes bei grundbesitzenden Personengesellschaften (§ 1 Abs. 2a GrESt) ist schon bisher komplex. Bislang entstand Grunderwerbsteuer bei mittelbaren oder unmittelbaren Übertragungen von Anteilen an Personengesellschaften von mindestens 95 % innerhalb von fünf Jahren auf neue Gesellschafter.
Künftig entsteht Grunderwerbsteuer bereits bei Übertragungen von mindestens 90 % innerhalb von zehn Jahren auf neue Gesellschafter. Die komplexen Übergangsregelungen (durch die Verlängerung des Beobachtungszeitraums von fünf auf zehn Jahre sowie der Absenkung der Neugesellschafterschwelle von 95 % auf 90 %) erhöhen den Beratungs- und Überwachungsbedarf nochmals erheblich, da jeder Einzelfall und dessen Historie zu prüfen ist. Entscheidend bleibt die bereits bestehende Abgrenzungsproblematik zwischen Alt- und Neugesellschaftern.
Diese (neue) Regelung für Personengesellschaften wird ab dem 01.07.2021 erstmals auf Kapitalgesellschaften (§ 1 Abs. 2b GrESt) angewandt. Demnach entsteht bei grundbesitzenden Kapitalgesellschaften Grunderwerbsteuer, wenn nach dem 01.07.2021 innerhalb von zehn Jahren mehr als 90 % der Anteile mittelbar oder unmittelbar auf neue Gesellschafter übertragen werden.
Positiv ist, dass die Übergangsregelungen bei den Kapitalgesellschaften – anders als bei den Personengesellschaften – eindeutig und praktikabel erscheinen. Übertragungen bis zum 30.06.2021 sind nicht als Zählwerbe zu berücksichtigen. Wer zum 30.06.2021 mittelbar oder unmittelbar Gesellschafter war, gilt nach derzeitigem Verständnis des Gesetzeswortlauts als Altgesellschafter. Übertragungen nach dem 01.07.2021 auf Altgesellschafter sind bei der 90 %-Grenze nicht zu berücksichtigen, so dass „nur“ Übertragungen ab dem 01.07.2021 auf Neugesellschafter zu zählen wären.
Bei der daneben seit 1940 bestehenden Regelung zur Anteilsvereinigung in einer Hand (§ 1 Abs. 3 GrESt), die schon jetzt sowohl bei Personen- als auch Kapitalgesellschaften zu beachten ist, sind die Anpassungen „überschaubar“. Hier wurde die Grenze ab dem 01.07.2021 von 95 % auf 90 % gesenkt. Gesellschafter, die zum 30.06.2021 94 % in ihrer Hand vereinigt haben, genießen Bestandsschutz. Für die nicht seltenen Konstellationen, in denen zum 30.06.2021 Gesellschaftsanteile von mehr als 90 %, aber weniger als 95 % in einer Hand vereinigt sind, sind Übergangsregelungen zu beachten.
Praxishinweis
Zwei Überlegungen sollten bei grundbesitzenden Kapitalgesellschaften sehr kurzfristig geprüft werden, da eine Umsetzung (Signing und Closing) bis zum 30.06.2021 im Einzelfall vorteilhaft sein könnte.
Zum einen ist bei bestehenden 94/6‑Strukturen zu prüfen, ob eine Anpassung vor dem 01.07.2021 auf 89/11 sinnvoll ist, wenn nach dem 01.07.2021 eine Übertragung von 89 % auf einen neuen Mehrheitsgesellschafter geplant ist. Vorteil einer kurzfristigen Strukturanpassung ist, dass Anteilsübertragungen bis zum 30.06.2020 nicht als Zählerwerbe im Sinne von § 1 Abs. 2b GrESt gelten und folglich nicht bei der ab dem 01.07.2021 geltenden 90 %-Grenze zu berücksichtigen sind. Zwar gibt es auch nach dem 01.07.2021 noch die Möglichkeit, bestehende 94/6‑Strukturen auf 89/11 anzupassen, allerdings nur bei Übertragungen von 5 % auf „alte“ Minderheitsgesellschafter (sog. RETT-Blocker). Entscheidend, aber derzeit nicht rechtssicher beantwortbar ist dabei die Frage des Altgesellschafterstatus. Eine Einbindung von bisher nicht beteiligten RETT-Blockern ist in diesen Konstellationen ab dem 01.07.2021 nicht mehr möglich.
Zum anderen sollten Share Deals, die derzeit in Planung sind, aber bis zum 30.06.2021 nicht vollständig (Signing und Closing) umgesetzt werden können, analysiert werden. Denkbar ist eine schrittweise – auch dingliche — Umsetzung vor dem 01.07.2021, indem beispielsweise 11 % der Anteile auf einen neuen RETT-Blocker übertragen werden. Dies hätte zum einen den Vorteil, dass die Übertragung der 11 % bis zum 30.06.2021 kein Zählerwerb im Sinne von § 1 Abs. 2b GrEStG wäre und zum anderen den Vorteil, dass der neue 11 % RETT-Blocker zum 30.06.2021 bereits beteiligt wäre und damit (nach herrschender Meinung) als Altgesellschafter gilt.
Schließlich werden bei allen künftigen Transaktionen nicht nur die unmittelbare Transaktion unter den neuen Rahmenbedingungen, sondern auch Folgewirkungen aus der Übergangsregelung zu bedenken sein.