OLG Karls­ru­he:
Bege­hungs­ort ist nicht Schadensort

Län­ge­re Zeit gab es kei­ne aktu­el­len ober­ge­richt­li­chen Ent­schei­dun­gen zum Geschäfts­ge­heim­nis­ge­setz (GeschGehG; sie­he dazu auch unse­ren Bei­trag vom 19.05.2021). Nun hat das OLG Karls­ru­he in einem aktu­el­len Beschluss vom 31.03.2022 (6 W 15/22) aus­ge­führt, wor­auf es für die Bestim­mung eines zum Bege­hungs­ort zäh­len­den­den Erfolgs­or­tes nach § 15 Abs. 2 S. 2 GeschGehG ankommt. Uner­heb­lich sei, wo eine Beein­träch­ti­gung des Geschäfts­ge­heim­nis­ses für des­sen Inha­ber spür­bar gewor­den ist (Scha­dens­ort). Neben dem Hand­lungs­ort kön­ne zustän­dig­keits­be­grün­den­der Erfolgs­ort nur der Ort sein, in dem der Erfolg der ver­bo­te­nen Hand­lung ein­tritt; also die Erlan­gung, Nut­zung oder Offen­le­gung des Geschäfts­ge­heim­nis­ses. Im zu ent­schei­den­den Fall sei die­ser allen­falls dort anzu­neh­men, wo die Geschäfts­ge­heim­nis­se auf­ge­ru­fen und zur Kennt­nis genom­men wer­den. Kei­ne Rol­le spielt, wo der Sitz der Antrag­stel­le­rin ist, da die­ser kei­nen Gerichts­stand des Erfolgs­or­tes begrün­den könn­te. Auf einen Erfolg im Sinn eines Scha­dens­ein­tritts oder einer Rechts­guts­be­ein­träch­ti­gung stellt § 15 GeschGehG tat­be­stand­lich gar nicht ab.


Hin­ter­grund

Wäh­rend die Antrag­stel­le­rin eine Gesell­schaft mit Sitz in Deutsch­land war, wohn­te der Antrags­geg­ner zu 1 als Chief Exe­cu­ti­ve Offi­cer (CEO) der Antrags­geg­ne­rin zu 2 in den USA und auch die Antrags­geg­ne­rin zu 2 war in den USA ansässig. 

Im Rah­men eines Ermitt­lungs­ver­fah­rens stell­te sich her­aus, dass der vor­ma­li­ge Geschäfts­füh­rer der Antrag­stel­le­rin (Y) an den Antrags­geg­ner zu 1 (der vor sei­ner Tätig­keit in den USA Geschäfts­füh­rer der X‑GmbH mit Sitz in Deutsch­land war) Kun­den­da­ten und auch eine Kun­den­lis­te ver­sandt hat­te. Y war laut Anga­ben der Antrag­stel­le­rin zunächst heim­lich und spä­ter auch offi­zi­ell für die X‑GmbH tätig. Nach Ansicht der Antrag­stel­le­rin waren die Hand­lun­gen des Antrags­geg­ners zu 1 als CEO der Antrags­geg­ne­rin zu 2 die­ser eben­falls zurechenbar.

Die Antrag­stel­le­rin warf dem Antrags­geg­ner zu 1 eine Ver­let­zung von Geschäfts­ge­heim­nis­sen vor. Er habe die­se über Y erlangt, obwohl er wuss­te oder wis­sen muss­te, dass Y die­se rechts­wid­rig erlangt hat­te und sie ent­ge­gen § 4 Abs. 2 GeschGehG genutzt und offen­ge­legt habe. Es lie­ge auf der Hand, dass der Antrags­geg­ner zu 1 die Geschäfts­ge­heim­nis­se der Antrag­stel­le­rin mut­maß­lich benutzt“ und Drit­ten gegen­über offen­ge­legt habe.

Das OLG Karls­ru­he prüf­te zunächst, ob das Land­ge­richt sei­ne ört­li­che Zustän­dig­keit für das Haupt­sa­che­ver­fah­ren zutref­fend abge­lehnt hat­te und kam zu fol­gen­dem Ergebnis:

  • Bege­hungs­ort: Hat der Beklag­te – wie hier die Antrags­geg­ner – im Inland kei­nen all­ge­mei­nen Gerichts­stand, ist nach § 15 Abs. 2 Satz 2 GeschGehG nur das Gericht zustän­dig, in des­sen Bezirk die Hand­lung began­gen wor­den ist. Damit sind sowohl der Hand­lungs- als auch der Erfolgs­ort bezeichnet. 
  • Hand­lungs­ver­bo­te im GeschGehG: Der Gesetz­ge­ber habe nach Ansicht des OLG Karls­ru­he mit § 4 GeschGehG einen abge­schlos­se­nen Kata­log von Hand­lungs­ver­bo­ten“ schaf­fen wol­len. Die Fest­le­gung eines Kata­logs sol­le ver­deut­li­chen, dass Geschäfts­ge­heim­nis­se nicht gegen jede Benut­zung durch Drit­te ohne Zustim­mung des Inha­bers des Geschäfts­ge­heim­nis­ses geschützt wer­den, son­dern nur gegen bestimm­te unlau­te­re Ver­hal­tens­wei­sen. Dies soll dem Umstand Rech­nung tra­gen, dass es sich bei Geschäfts­ge­heim­nis­sen zwar in gewis­ser Wei­se um Imma­te­ri­al­gü­ter­rech­te han­delt, aber anders als bei Paten­ten, Mar­ken und Urhe­ber­rech­ten kei­ne sub­jek­ti­ven Aus­schließ­lich­keits- und Aus­schlie­ßungs­rech­te vor­lie­gen können. 
  • Nur Schutz vor uner­laub­ter Erlan­gung, Nut­zung und Offen­le­gung: Ent­ge­gen der Ansicht der Antrag­stel­le­rin bezwe­cke das GeschGehG kei­nen Schutz gegen die pri­mä­re Ver­let­zung“ von Geschäfts­ge­heim­nis­sen als geschütz­ten bzw. ver­mö­gens­wer­ten“ Rechts­gü­tern, son­dern die­ne kon­kret dem Schutz von Geschäfts­ge­heim­nis­sen vor uner­laub­ter Erlan­gung, Nut­zung und Offen­le­gung (§ 1 Abs. 1 GeschGehG). Dass den so geschütz­ten Geheim­nis­sen Ver­mö­gens­wert zukommt, ände­re nichts dar­an, dass es für das Vor­lie­gen einer Zuwi­der­hand­lung nach § 4 GeschGehG nicht auf einen Erfolg der Beein­träch­ti­gung die­ses Rechts­guts“ ankommt, son­dern allein auf die dort genann­ten Handlungserfolge.
  • Kei­ne Zustän­dig­keit aus Lau­ter­keits­recht: Ein Erfolgs­ort am Sitz des Inha­bers des Geschäfts­ge­heim­nis­ses las­se sich auch nicht aus Über­le­gun­gen zum Zustän­dig­keits­re­gime im Lau­ter­keits­recht ablei­ten. So bestehen nach den Vor­stel­lun­gen des Gesetz­ge­bers zwar Gemein­sam­kei­ten des Schut­zes von Geschäfts­ge­heim­nis­sen mit dem Recht gegen den unlau­te­ren Wett­be­werb. Das OLG Karls­ru­he ver­weist aber dar­auf, dass auch im Lau­ter­keits­recht selbst bei indi­vi­du­ell einen Wett­be­wer­ber berüh­ren­den Zuwi­der­hand­lun­gen nicht ohne Wei­te­res ein Erfolgs­ort an des­sen Sitz gege­ben sei.
  • Kei­ne Durch­set­zung von Rech­ten am Sitz der Gesell­schaft: Wie die Rege­lung in § 15 Abs. 1 Satz 1 GeschGehG zei­ge, ging es dem Gesetz­ge­ber nach Ansicht des OLG ins­be­son­de­re nicht dar­um, dem Inha­ber des Geschäfts­ge­heim­nis­ses eine Durch­set­zung sei­ner Rech­te an sei­nem Sitz zu ermög­li­chen. Die Rege­lung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 GeschGehG habe schon des­halb einen sinn­vol­len Anwen­dungs­be­reich, weil sie durch aus­län­di­sche Per­so­nen im Inland began­ge­ne Hand­lun­gen erfasst. Umge­kehrt sei auch nicht zu erken­nen, dass es bei im Aus­land began­ge­nen Hand­lun­gen an einem Zugang zu den Gerich­ten fehlt.


Fazit

Wenn eine Gesell­schaft oder eine natür­li­che Per­son in einem Dritt­staat (weder Deutsch­land noch EU-Staat) Geschäfts­ge­heim­nis­se unbe­fugt erlangt, nutzt oder offen­legt und sich kein Hand­lungs­ort in Deutsch­land fest­stel­len lässt, ist eine Zustän­dig­keit deut­scher Gerich­te ausgeschlossen. 

Das Geschäfts­ge­heim­nis­ge­setz stellt für die Fra­ge der (ört­li­chen) Zustän­dig­keit nicht dar­auf ab, ob bei dem Inha­ber des Geschäfts­ge­heim­nis­ses in Deutsch­land ein Scha­den ent­stan­den oder eine Rechts­guts­be­ein­träch­ti­gung ein­ge­tre­ten ist. Es kommt – unab­hän­gig von der Wir­kung auf den Inha­ber – allein auf den tat­be­stand­li­chen Erfolg an, der bereits in der Erlan­gung, Nut­zung oder Offen­le­gung des Geschäfts­ge­heim­nis­ses liegt. Dies war im zu ent­schei­den­den Fall nicht in Deutsch­land, son­dern in den USA. Denn die Antrags­geg­ner haben die Kun­den­da­ten und die Kun­den­lis­te in den USA abge­ru­fen und zur Kennt­nis genom­men. Unab­hän­gig davon stellt sich auch die Fra­ge, ob die Geschäfts­ge­heim­nis­se nicht auch in Deutsch­land (von der X‑GmbH) uner­laubt genutzt und offen­ge­legt wur­den, dar­über hat­te das OLG aber nicht zu entscheiden.

Anders wäre der Beschluss des OLG wohl dann aus­ge­fal­len, wenn die Antrags­geg­ne­rin ihren Sitz in der EU gehabt hät­te. Denn dann wären deut­sche Gerich­te über euro­päi­sche pro­zes­sua­le Zustän­dig­keits­re­ge­lun­gen für die Ver­stö­ße gegen das Geschäfts­ge­heim­nis­ge­setz ört­lich zustän­dig gewesen. 

Wird also eine Unter­las­sung der Nut­zung von Geschäfts­ge­heim­nis­sen begehrt, muss als Anknüp­fungs­punkt der Hand­lungs- oder Erfolgs­ort in Deutsch­land oder in einem ande­ren EU-Staat liegen.


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