BGH:
Kei­ne Legi­ti­ma­ti­ons­wir­kung von ent­ge­gen einer gericht­li­chen einst­wei­li­gen Ver­fü­gung ein­ge­reich­ten Gesell­schaft­er­lis­te infol­ge Ein­zie­hung von Geschäftsanteilen

22.08.2019


Ent­schei­dung

Der BGH hat ent­schie­den, dass sich die Gesell­schaft zur Klä­rung, ob jemand als Gesell­schaf­ter der Gesell­schaft gilt, nicht auf eine Gesell­schaft­er­lis­te beru­fen kann, die sie ent­ge­gen einer gericht­li­chen einst­wei­li­gen Ver­fü­gung beim Regis­ter­ge­richt ein­ge­reicht hat (BGH, Urteil vom 02.07.2019 – II ZR 406/17).


Hin­ter­grund

Grund­sätz­lich gilt im Ver­hält­nis zur GmbH der­je­ni­ge als Gesell­schaf­ter, der als sol­cher in der beim Han­dels­re­gis­ter ein­ge­reich­ten Gesell­schaft­er­lis­te steht (§ 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG). Dies gilt auch für den­je­ni­gen, der durch Beschluss über die Ein­zie­hung sei­ner Geschäfts­an­tei­le aus der Gesell­schaft aus­ge­schlos­sen wird, aber eben (noch) in der Lis­te ein­ge­tra­gen ist (BGH, Urteil vom 20.11.2018 – II ZR 12/17, sie­he dazu unser Bei­trag vom 19.02.2019).

Im vor­lie­gen­den Fall hat­te ein Gesell­schaf­ter gegen die Ein­zie­hung sei­ner Geschäfts­an­tei­le geklagt und fer­ner bei Gericht eine einst­wei­li­ge Ver­fü­gung erwirkt, wonach die Ein­zie­hung vor­läu­fig – also bis zum Abschluss des Kla­ge­ver­fah­rens – für unzu­läs­sig beur­teilt wur­de. Dem­entspre­chend hat­te das Gericht des Eil­rechts­schut­zes der GmbH unter­sagt, den Gesell­schaf­ter in der Gesell­schaft­er­lis­te zu löschen, so dass die­ser wei­ter­hin als Gesell­schaf­ter galt. Hier­über setz­te sich die Gesell­schaft offen­bar hin­weg und reich­te trotz der ergan­ge­nen einst­wei­li­gen Ver­fü­gung eine Gesell­schaft­er­lis­te ein, in der der aus­ge­schlos­se­ne Gesell­schaf­ter fehl­te. In der Fol­ge fass­ten die ver­blie­be­nen Gesell­schaf­ter ohne Betei­li­gung des aus­ge­schlos­se­nen Gesell­schaf­ters Beschlüsse.

Der BGH erklär­te die­se Beschlüs­se für nich­tig, weil der aus­ge­schlos­se­ne Gesell­schaf­ter – trotz der ergan­ge­nen einst­wei­li­gen Ver­fü­gung – an den Beschluss­fas­sun­gen bewusst nicht betei­ligt wor­den war. Die Gesell­schaft­er­lis­te half der Gesell­schaft hier nicht. Denn nach dem Grund­satz von Treu und Glau­ben (§ 242 BGB) kön­ne sich eine Gesell­schaft nicht auf die Legi­ti­ma­ti­ons­wir­kung der Gesell­schaft­er­lis­te beru­fen, die sie ent­ge­gen einer gericht­li­chen Ver­fü­gung und damit unred­lich beim Han­dels­re­gis­ter ein­ge­reicht habe. Andern­falls sei das in die­sem Fall ein­zi­ge Mit­tel effek­ti­ven Rechts­schut­zes eines mög­li­cher­wei­se zu Unrecht aus der Gesell­schaft aus­ge­schlos­se­nen Gesell­schaf­ters – die einst­wei­li­ge Ver­fü­gung – wirkungslos.


Pra­xis­hin­weis

Die Ent­schei­dung zeigt die weit­rei­chen­de Wir­kung der Gesell­schaft­er­lis­te. Nach ihr rich­tet sich, wer als Gesell­schaf­ter gilt und wer nicht. Ist der aus­ge­schlos­se­ne Gesell­schaf­ter aus der Lis­te aus­ge­tra­gen, kön­nen die ver­blei­ben­den Gesell­schaf­ter ohne sei­ne Betei­li­gung wirk­sam (sat­zungs­än­dern­de) Beschlüs­se fas­sen und weit­rei­chen­de Geschäfts­ent­schei­dun­gen tref­fen. Kla­ge­ver­fah­ren gegen die Aus­schlie­ßung sind oft kein pro­ba­tes Gegen­mit­tel. Sie dau­ern zu lan­ge und machen im Erfolgs­fal­le zwi­schen­zeit­lich ergan­ge­ne Beschlüs­se und Ent­schei­dun­gen ohne­hin nicht rück­wir­kend unwirk­sam, schon gar nicht voll­ende­te wirt­schaft­li­che Tat­sa­chen ungeschehen.

Wie der BGH in sei­ner Ent­schei­dung selbst anschau­lich auf­zeigt, kön­nen daher einst­wei­li­ge Ver­fü­gun­gen das Mit­tel der Wahl des aus­ge­schlos­se­nen Gesell­schaf­ters sein. Zwar ist ein Vor­ge­hen gegen den Ein­zie­hungs- bzw. Aus­schlie­ßungs­be­schluss selbst meist ver­geb­lich, weil die Gerich­te Ein­grif­fe in die Wil­lens­bil­dung und ‑betä­ti­gung der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung scheu­en. Doch muss dann ins­be­son­de­re die Gesell­schaft­er­lis­te in den Fokus rücken. Natur­ge­mäß ist hier schnel­les Han­deln und Dar­le­gungs- und Argu­men­ta­ti­ons­kunst gefragt, muss doch dem Gericht glaub­haft gemacht wer­den, dass die Aus­schlie­ßung rechts­wid­rig war. Hat der Gesell­schaf­ter Erfolg, über­win­det die einst­wei­li­ge Ver­fü­gung das Dog­ma der Gesellschafterliste.

Die Macht des Fak­ti­schen kann frei­lich auch die einst­wei­li­ge Ver­fü­gung nicht ver­hin­dern: Wird die­se durch die ver­blie­be­nen Gesell­schaf­ter miss­ach­tet und ent­ste­hen dem aus­ge­schlos­se­nen Gesell­schaf­ter dadurch Ver­mö­gens­schä­den, kom­men zumin­dest Scha­dens­er­satz­an­sprü­che in Betracht.

Ansprechpartner


Stefan Thoß

Geschäftsführer
Rechtsanwalt

Telefon: +49 40 4223 6660-40

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