BGH-Grund­satz­ur­teil:
GmbH-Gesell­schaf­ter­aus­schlie­ßung durch Kla­ge von Mit­ge­sell­schaf­ter jetzt mit rechts­kräf­ti­gem Urteil

Ent­schei­dung

Der BGH hat in einem Grund­satz­ur­teil zwei strei­ti­ge Fra­gen zur Aus­schlie­ßung von GmbH-Gesell­schaf­tern geklärt (BGH, Ver­säum­nis­ur­teil vom 11.07.2023 – II ZR 116/21):

  1. Künf­tig ist die Aus­schlie­ßung des Gesell­schaf­ters per Kla­ge mit Rechts­kraft des Urteils wirk­sam, nicht erst mit Zah­lung der Abfin­dung an den aus­zu­schlie­ßen­den Gesell­schaf­ter. Der BGH behan­delt die Aus­schlie­ßung per Kla­ge und jene per Gesell­schaf­ter­be­schluss inso­fern gleich. Bei der Aus­schlie­ßung durch Beschluss war die Abfin­dungs­zah­lung schon zuvor kei­ne Bedin­gung mehr (Auf­ga­be der soge­nann­ten Bedingungslösung).
  2. Ein Gesell­schaf­ter einer Zwei-Per­so­nen-GmbH kann selbst auf Aus­schlie­ßung gegen sei­nen Mit­ge­sell­schaf­ter kla­gen, muss also nicht mehr zuvor einen Gesell­schaf­ter­be­schluss fas­sen und die GmbH kla­gen lassen.


Hin­ter­grund

In einer Zwei-Per­so­nen-GmbH mit je zu 50 % betei­lig­ten Gesell­schaf­tern herrsch­te Streit und der eine Gesell­schaf­ter woll­te den ande­ren los­wer­den. Der Gesell­schafts­ver­trag ent­hielt kei­ne Rege­lun­gen zur Aus­schlie­ßung von Gesell­schaf­tern oder zur Ein­zie­hung von deren Anteilen.

Der Aus­schlie­ßungs­kla­ge des einen Gesell­schaf­ters gab der BGH (anders noch die Vor­in­stanz OLG Mün­chen, Urteil vom 16.06.2021 – 7 U 1407/19) Recht:

  • Kla­ge­recht des Gesell­schaf­ters: Nach der Recht­spre­chung des BGH ist die Aus­schlie­ßungs­kla­ge grund­sätz­lich von der GmbH zu erhe­ben. Bis­lang hat­te der Senat offen­ge­las­sen, ob in der Zwei-Per­so­nen-GmbH den Gesell­schaf­tern ein Kla­ge­recht zur Aus­schlie­ßung des jeweils ande­ren zusteht. Nun­mehr hat sich der BGH der über­wie­gen­den Mei­nung ange­schlos­sen, wonach der Gesell­schaf­ter einer Zwei-Per­so­nen-GmbH unter den Vor­aus­set­zun­gen der actio pro socio, das heißt im eige­nen Namen für die Gesell­schaft, die Aus­schlie­ßungs­kla­ge erhe­ben kann. Bei einer Kla­ge der GmbH bestehe ansons­ten die Gefahr, dass sich der Gesell­schaf­ter­streit auf die Geschäfts­füh­rung der Gesell­schaft und damit auch auf die Durch­set­zung einer gebo­te­nen Aus­schlie­ßung auswirke.
  • Aus­schlie­ßung mit rechts­kräf­ti­gem Urteil, nicht mit Abfin­dungs­zah­lung: Bis­lang hat­te der BGH die Aus­schlie­ßung eines Gesell­schaf­ters durch Gestal­tungs­ur­teil noch an die Bedin­gung geknüpft, dass der betrof­fe­ne Gesell­schaf­ter sei­ne Abfin­dung erhält (soge­nann­te Bedin­gungs­lö­sung). Die­se 70 Jah­re alte Recht­spre­chung gibt der BGH jetzt auf. Bei der Aus­schlie­ßung durch Gesell­schaf­ter­be­schluss galt die Bedin­gungs­lö­sung schon zuvor nicht mehr.

    Zum Schutz des aus­ge­schlos­se­nen Gesell­schaf­ters vor einem Aus­fall der Abfin­dung hat­te der BGH schon im Jahr 2012 die soge­nann­te Haf­tungs­lö­sung ent­wi­ckelt. Danach haf­ten näm­lich die Gesell­schaf­ter dem aus­ge­schie­de­nen Gesell­schaf­ter antei­lig auf Zah­lung der Abfin­dung, wenn die Fort­set­zung der Gesell­schaft unter Ver­zicht auf Maß­nah­men zur Befrie­di­gung des Abfin­dungs­an­spru­ches als treu­wid­rig anzu­se­hen ist.

    Fer­ner gilt zu Guns­ten des aus­ge­schie­de­nen Gesell­schaf­ters nach wie vor das Gebot der Kapi­tal­erhal­tung. Gerich­te fäl­len näm­lich kein Aus­schlie­ßungs­ur­teil, wenn zum Zeit­punkt der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung fest­steht, dass die Abfin­dung nicht ohne Ver­let­zung von § 30 Abs. 1 GmbHG, also nur durch Ein­ge­hung oder Ver­tie­fung einer Unter­bi­lanz gezahlt wer­den kann (so schon die Vor­in­stanz OLG Mün­chen, a.a.O.).

    Dage­gen wol­len die Mit­ge­sell­schaf­ter kei­ne Schwe­be­la­ge bis zur Aus­zah­lung der Abfin­dung. Der durch Urteil aus­ge­schlos­se­ne Gesell­schaf­ter soll die Gesell­schaft mög­lichst schnell ver­las­sen. Denn es bestehe nach Ansicht des BGH die erhöh­te Gefahr, dass der Gesell­schaf­ter sei­ne ver­blie­be­nen Gesell­schaf­ter­rech­te dazu nutzt, um die gestal­ten­de Wir­kung des Urteils, sprich: sei­nen Raus­wurf, zu ver­zö­gern oder zu vereiteln.


Pra­xis­hin­weis

Das Kla­ge­recht des Gesell­schaf­ters einer Zwei-Per­so­nen-GmbH ist zu begrü­ßen, weil er nicht erst umständ­lich und vor­aus­sicht­lich gegen Wider­stän­de des miss­lie­bi­gen Mit­ge­sell­schaf­ters dafür sor­gen muss, dass die GmbH Kla­ge ein­reicht. Dies gilt erst recht, wenn der miss­lie­bi­ge Gesell­schaf­ter Geschäfts­füh­rer ist, also eigent­lich der Ver­ant­wort­li­che für die (gegen sich selbst zu erhe­ben­de) Kla­ge wäre. Miss­brauchs­ri­si­ken durch vor­schnel­le und unbe­rech­tig­te Aus­schlie­ßungs­kla­gen von Gesell­schaf­tern dürf­ten nicht bestehen, denn in die­sen Fäl­len erfolgt eine Prü­fung durch das Gericht.

Für die Gesell­schaft bür­ger­li­chen Rechts (GbR) sind die vor­lie­gen­den Grund­sät­ze ab dem 01.01.2024 mit Inkraft­tre­ten des MoPeG in § 715b Abs. 1 BGB bereits gesetz­lich vor­ge­se­hen. Danach kann jeder GbR-Gesell­schaf­ter Aus­schlie­ßungs­kla­ge gegen einen ande­ren Gesell­schaf­ter erheben.

Auch die Aus­schlie­ßung mit Urteil und nicht erst mit Abfin­dungs­zah­lung (Haf­tungs­lö­sung) ist zu begrü­ßen. Wenn es zwi­schen den Gesell­schaf­tern knallt“, soll­te es – gera­de in der Zwei-Per­so­nen-GmbH – eine mög­lichst schnel­le Tren­nung geben. Im Fal­le der Aus­schlie­ßungs­kla­ge wird die Zeit der Unge­wiss­heit pro­zess­be­dingt ohne­hin schon lang sein. Gleich­zei­tig führt der Ver­weis des aus­ge­schlos­se­nen Gesell­schaf­ters auf die per­sön­li­che Haf­tung der Mit­ge­sell­schaf­ter zu Beden­ken. Ggf. ist bei den Mit­ge­sell­schaf­tern näm­lich nichts zu holen“.

Mehr denn je sind gesell­schafts­ver­trag­li­che Rege­lun­gen für die Ein­zie­hung gegen den Wil­len eines Gesell­schaf­ters per Beschluss der übri­gen Gesell­schaf­ter also gebo­ten. Durch gute Vor­sor­ge dürf­te ein Streit der Gesell­schaf­ter zumin­dest ent­schärft wer­den können.

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