BFH:
Gesetzliche Aussetzungszinsen vor dem Bundesverfassungsgericht
Der Bundesfinanzhof beurteilte den gesetzlichen Zinssatz von jährlich 6 % für sogenannte Aussetzungszinsen als verfassungswidrig und rief dazu das Bundesverfassungsgericht an. Steuerpflichtige, die im Rahmen von Rechtsbehelfsverfahren einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt haben oder erwägen, sollten diese Entscheidung beachten (BFH vom 08.05.2024 – VIII R 9/23).
Hintergrund
Wird gegen einen Bescheid Einspruch oder Klage eingelegt, besteht eine mögliche Zahlungspflicht weiter. Die Finanzverwaltung kann jedoch die Aussetzung der Vollziehung gewähren, so dass vorerst keine Zahlungen zu leisten sind. Bleibt der Einspruch erfolglos, ist der geschuldete und ausgesetzte Betrag zu verzinsen. Der Zinssatz für solche Aussetzungszinsen beträgt aktuell 0,5 % im Monat, das sind 6 % pro Jahr. Der gegenwärtige Zinssatz für Steuernachzahlungen und Steuererstattungen beträgt hingegen ab dem 01.01.2019 nur 0,15 % im Monat, also 1,8 % pro Jahr. Den Zinssatz für Steuernachzahlungen und Steuererstattungen von vormals ebenfalls 0,5 % im Monat hatte das Bundesverfassungsgericht ab dem Jahr 2014 als verfassungswidrig erkannt. Für Verzinsungszeiträume ab 01.01.2019 hatte der Gesetzgeber diesen Zinssatz rückwirkend anzupassen. Im nun entschiedenen Fall fordert der Kläger auch für Aussetzungszinsen ab dem 01.01.2019 eine entsprechende Begrenzung des Zinssatzes.
Entscheidung des BFH
Nach der aktuellen Entscheidung des BFH sind Aussetzungszinsen in Höhe von 6 % für Zeiträume ab dem 01.01.2019 nicht mehr mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar. Während einer anhaltenden strukturellen Niedrigzinsphase ist ein Zinssatz in Höhe von 6 % nicht (mehr) erforderlich, um einen Liquiditätsvorteil durch spätere Zahlung abzuschöpfen. Die gegenwärtige Zinshöhe von 6 % beschränkt vielmehr den verfassungsrechtlich geschützten Zugang zu effektivem Rechtsschutz, wenn Steuerpflichtige aus wirtschaftlichen Erwägungen zur Zinshöhe auf die Inanspruchnahme des vorläufigen Rechtsschutzes verzichten. Auch für die gegenwärtige Zinssatzspreizung für Aussetzungszinsen einerseits (6 %) und Erstattungszinsen andererseits (1,8 %) gibt es keine rechtfertigenden Gründe.
Praxishinweis
Die endgültige Entscheidung obliegt nun dem Bundesverfassungsgericht. Die Festsetzung von Aussetzungszinsen in Höhe von 6 % pro Jahr ab dem 01.01.2019 sollte angefochten und offen gehalten werden.
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