Bundestag beschließt ARUG II –
Neues Say on Pay erst ab 2021
Der Bundestag hat am 14.11.2019 das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) beschlossen. Gegenüber dem Regierungsentwurf (RegE) (siehe dazu unser Beitrag vom 14.08.2019) ergeben sich nur wenige Änderungen. Inhaltlich sind diese aber durchaus von Relevanz. Betroffen davon sind insbesondere das Say on Pay und das diesem zugrunde liegende Vergütungssystem für die Vorstandsvergütung sowie die Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats zu den related party transactions.
Wesentliche Änderungen
- Maximalvergütung für die Vorstandsmitglieder: Der Aufsichtsrat muss im Rahmen des Vergütungssystems für den Vorstand künftig eine Maximalvergütung für die Vorstandsmitglieder festlegen (§ 87a Abs. 1 Nr. 1 AktG neu). In der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung ist der Aufsichtsrat laut der Gesetzesbegründung frei. Die Formulierung „Maximalvergütung der Vorstandsmitglieder“ beinhaltet folglich kein Präjudiz in Richtung der Festsetzung einer gesonderten Maximalvergütung für jedes Vorstandsmitglied einzeln (so die Empfehlung des DCGK). Es obliegt der Entscheidung des Aufsichtsrats, ob z. B. eine Maximalvergütung für den Gesamtvorstand oder für jedes Vorstandsmitglied gesondert, für Vorstandsvorsitzenden und ordentliche Vorstandsmitglieder getrennt, für variable und fixe Vergütungsbestandteile einheitlich oder ob diese gesondert festgelegt werden soll. Die Festlegung hat konkrete Zahlen zu benennen, kann sich aber zu deren Berechnung z. B. an einem Vielfachen der durchschnittlichen Belegschaftsvergütung orientieren. Ob es sich hierbei um ein Gewährungs- oder Zuflusscap handelt, ist offen. Insgesamt sollte die Festlegung der Maximalvergütung den Aufsichtsrat aber vor keine größeren Probleme stellen, weil die meisten Vergütungssysteme, entsprechend der Empfehlung des DCGK, schon eine solche beinhalten.
- Herabsetzung der Maximalvergütung durch die Hauptversammlung: Änderungen haben sich auch beim Votum der Hauptversammlung ergeben. Es bleibt zwar dabei, dass der Beschluss der Hauptversammlung bzgl. der Billigung des vom Aufsichtsrat vorgelegten Vergütungsvotums unverbindlich ist. Die Hauptversammlung kann aber die festgelegte Maximalvergütung auf Antrag durch verbindlichen (und anfechtbaren) Beschluss herabsetzen (§§ 87 Abs. 4, 87a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG neu i.V.m. § 122 Abs. 2 S. 1 AktG). Aus dem Verweis auf § 122 Abs. 2 S. 1 AktG folgt, dass für einen solchen Antrag ein Quorum von 5 % des Grundkapitals oder dem anteiligen Betrag von 500.000 Euro erreicht werden muss. Gerade bei Gesellschaften mit einem hohen free float muss damit gerechnet werden, dass es verstärkt zu entsprechenden Anträgen kommen wird. Laut der Gesetzesbegründung sei es im Falle der Anfechtung eines Herabsetzungsbeschlusses Aufgabe des Aufsichtsrats, nach pflichtgemäßem Ermessen über die Anwendung oder Nichtanwendung der Maximalvergütungshöhe zu entscheiden. Der Gesetzgeber hält eine Anfechtung für unwahrscheinlich. Ob dieser Optimismus berechtigt ist, bleibt abzuwarten.
- Erstmalige Geltung des neuen Say on Pay: Die neuen Vorschriften zum Say on Pay gelten erstmals für alle Hauptversammlungen nach dem 31. Dezember 2020. Die Verschiebung ist zu begrüßen, weil nach den im RegE enthaltenen Übergangsvorschriften ansonsten ein Inkrafttreten mitten in der kommenden Hauptversammlungssaison gedroht hätte.
- Vergütungsbericht: Der neue Vergütungsbericht ist erstmals für das nach dem 31.12.2020 beginnende Geschäftsjahr zu erstellen. Dies ist konsequent, weil für dieses Geschäftsjahr auch erstmals die Neuregelungen zum Vergütungssystem und zum neuen Say on Pay greifen. In dem Bericht ist auch über die festgelegte Maximalvergütung der Vorstandsmitglieder zu berichten und zu erläutern, wie diese eingehalten wurde (§162 Abs. 1 Nr. 7 AktG neu). Auf die Einführung von Mustertabellen wurde in Anbetracht der von der EU-Kommission auf Basis von Art. 9b Abs. 6 ARRL zu erwartenden Tabellen verzichtet.
- Vergütungsstruktur: In § 87 Abs. 1 S. 2 AktG neu soll die Vergütungsstruktur börsennotierter Gesellschaften nunmehr auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft (bislang „nachhaltige Unternehmensentwicklung“, was aber als „langfristig“ verstanden wurde) ausgerichtet werden. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll der Aufsichtsrat bei der Wahl der Vergütungsanreize künftig auch soziale und ökologische Aspekte in den Blick nehmen. Unklar bleibt allerdings, ob diese nur geprüft oder bei der Vergütung zwingend berücksichtigt werden müssen.
- Related party transactions: Die Schwelle für Geschäfte zwischen der Gesellschaft und mit ihr nahestehenden Personen und Unternehmen wird auf 1,5 % der Summe aus dem Anlage- und Umlaufvermögen der Gesellschaft (RegE noch 2,5 %) herabgesetzt (§ 111b Abs. 1 AktG neu). Über die Grenzwerte hatte die Regierungskoalition intensiv verhandelt. Die jetzige – von den Koalitionspartnern als „sinnvoller Kompromiss“ gepriesene – Lösung bringt indes ein nicht unbeträchtliches mehr an Bürokratieaufwand für die Gesellschaften mit sich. Wichtig ist, dass für die Neuregelungen zu den related party transactions keine Übergangsfristen vorgesehen sind und diese somit unmittelbar nach dem Inkrafttreten des ARUG II, voraussichtlich ab dem 01.01.2020, gelten.
- DCGK 2019: Der von der Regierungskommission DCGK am 09.05.2019 beschlossene neue DCGK 2019 (siehe dazu unser Beitrag vom 14.08.2019) wird von der Regierungskommission erst nach Inkrafttreten des ARUG II beim BMJV zur Veröffentlichung eingereicht und erst dann mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft treten. Auf Basis des DCGK in der Fassung vom 07.02.2017 abgegebene Entsprechenserklärungen von Vorstand und Aufsichtsrat sind weiterhin aktuell und müssen im Hinblick auf den Kodex 2019 nicht angepasst werden. Der Kodex 2019 bildet erst für künftige Entsprechenserklärungen den Maßstab, wobei eine freiwillige Anwendung der neuen Normen selbstverständlich zulässig ist.
Fazit
Der zeitliche Rahmen für die erstmalige Anwendung der neuen Regelungen zum Vergütungssystem wurde entschärft, dies ist zu begrüßen. Die bereits jetzt von den Gesellschaften in der Annahme des Inkrafttretens der neuen Bestimmungen in der kommenden Hauptversammlungssaison getroffenen Vorbereitungen zeigen aber, dass noch zahlreiche Fragen offen sind, was die Umsetzung anbetrifft. Das ARUG II und damit korrespondierend der neue DCGK 2019 werden die Gesellschaften daher noch einige Zeit begleiten.