BGH:
Zur Reich­wei­te von Verjährungsverzichtserklärungen

Ent­schei­dung

Ein vom Schuld­ner erklär­ter befris­te­ter Ver­jäh­rungs­ver­zicht hat regel­mä­ßig kei­ne Aus­wir­kung auf den Ablauf der Ver­jäh­rungs­frist. Der Schuld­ner ver­zich­tet ledig­lich dar­auf, bis zum Ablauf des Ver­jäh­rungs­ver­zichts die Ein­re­de der Ver­jäh­rung zu erheben. 

Soll dem Ver­jäh­rungs­ver­zicht wei­ter­ge­hen­de Wir­kung zukom­men, zum Bei­spiel der Ver­jäh­rungs­frist­lauf neu begin­nen, bedarf es beson­de­rer Anhalts­punk­te (BGH, Urteil vom 10.11.2020 – VI ZR 285/19).


Hin­ter­grund

Die Klä­ge­rin for­der­te von der Beklag­ten unter ande­rem Scha­dens­er­satz wegen behaup­te­ter ärzt­li­cher Behand­lungs­feh­ler. Zu einem Zeit­punkt, zu dem aus Sicht der Par­tei­en mög­li­cher­wei­se bereits Ver­jäh­rung ein­ge­tre­ten war, hat­te die Beklag­te gegen­über der Klä­ge­rin erklärt: 

In vor­be­zeich­ne­ter Ange­le­gen­heit ver­si­chern wir Ihnen, auch namens und in Voll­macht des hier ver­si­cher­ten Per­so­nen­krei­ses, uns wei­ter­hin bis ein­schließ­lich 31.12.2007 nicht auf die Ein­re­de der Ver­jäh­rung zu berufen.“

Das Beru­fungs­ge­richt hat­te der Kla­ge teil­wei­se statt­ge­ge­ben. Die Ansprü­che der Klä­ge­rin sei­en nicht ver­jährt. Aus Sicht der Par­tei­en sei bei Abga­be der Ver­zichts­er­klä­rung die Ver­jäh­rungs­frist bereits abge­lau­fe­nen gewe­sen. Daher mache die zitier­te Ver­zichts­er­klä­rung nur Sinn, wenn mit ihr auch ein zwi­schen­zeit­li­cher Neu­be­ginn der Ver­jäh­rungs­frist bezweckt gewe­sen sei.

Dage­gen sah der BGH kei­ne Anhalts­punk­te für einen bezweck­ten Neu­be­ginn der Ver­jäh­rungs­frist. Denn ein befris­te­ter Ver­jäh­rungs­ver­zicht beein­flus­se den Ablauf der Ver­jäh­rung grund­sätz­lich nicht und füh­re nicht dazu, dass der Ver­jäh­rungs­ein­tritt auf­ge­scho­ben wer­de. Mit einer sol­chen Ver­zichts­er­klä­rung wer­de regel­mä­ßig nur die Erhe­bung der Ver­jäh­rungs­ein­re­de bis zum in der Erklä­rung ange­ge­be­nen Zeit­punkt aus­ge­schlos­sen. Sol­le dem Ver­jäh­rungs­ver­zicht wei­ter­ge­hen­de Bedeu­tung zukom­men, zum Bei­spiel ein Neu­be­ginn der Ver­jäh­rung gewollt sein, müss­ten dafür beson­de­re Anhalts­punk­te bestehen, die im Streit­fall bis­her gera­de nicht fest­ge­stellt wor­den sei­en. Der vor­lie­gen­de Ver­jäh­rungs­ver­zicht mache ent­ge­gen dem Beru­fungs­ge­richt daher auch dann Sinn, wenn aus Sicht der Par­tei­en schon vor­her Ver­jäh­rung ein­ge­tre­ten sei. Denn der Ver­zicht hät­te es der Klä­ge­rin unge­ach­tet bereits ein­ge­tre­te­ner Ver­jäh­rung bis zum Ablauf des Ver­jäh­rungs­ver­zichts ermög­licht, Kla­ge zu erheben.


Fazit

Erhebt der Schuld­ner die Ein­re­de der Ver­jäh­rung, kann es für den Gläu­bi­ger unan­ge­nehm wer­den. Steht dem Gläu­bi­ger ein gut begrün­de­ter Anspruch zu, ist er ggf. allein wegen Zeit­ab­laufs zurück­zu­wei­sen. Neben der recht­zei­ti­gen – die Ver­jäh­rung hem­men­den – Gel­tend­ma­chung von Ansprü­chen ist daher auch die Abga­be sol­cher Erklä­run­gen im Blick zu behal­ten, mit denen – über einen gewis­sen Zeit­raum – auf die Ein­re­de der Ver­jäh­rung ver­zich­tet wird. Dies gilt vor allem bei einer Hän­ge­par­tie“, wenn Par­tei­en über län­ge­re Zeit­räu­me außer­ge­richt­lich über Ansprü­che strei­ten, eine ein­ver­nehm­li­che Lösung aber noch für mög­lich halten.

Dann ist Klar­heit bei der For­mu­lie­rung eines sog. Ver­jäh­rungs­ver­zichts“ gefragt. Zu regeln bzw. klar­zu­stel­len ist ins­be­son­de­re, über wel­chen Zeit­raum die Ver­jäh­rungs­ein­re­de aus­ge­schlos­sen sein soll und ob ledig­lich nicht ver­jähr­te oder auch mög­li­cher­wei­se bereits ver­jähr­te Ansprü­che umfasst sein sol­len. Ange­sichts des vor­lie­gen­den Streit­falls soll­te der Schuld­ner auch deut­lich machen, dass die Abga­be der Erklä­rung kei­nen Neu­be­ginn des Laufs der Ver­jäh­rungs­frist bewir­ken soll.

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