BSG:
Sozialversicherungspflicht des Geschäftsführers im Konzern
Entscheidung
Die Sozialversicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführern ist immer wieder Thema in der Rechtsprechung. Eine aktuelle Entscheidung des BSG vom 23.02.2021 (B 12 R18/18 R, BeckRS 2021, 11802) befasst sich erneut mit der mittelbaren Rechtsmacht in Konzernstrukturen und der Frage, auf welcher Ebene im Konzern der Einfluss des Gesellschafter-Geschäftsführers vorliegen muss.
Hintergrund
G war am Stammkapital der M‑GmbH mit 10 % beteiligt, jedoch nicht als Geschäftsführer bestellt. Die M‑GmbH hielt 100 % an der T‑GmbH und hatte mit dieser einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag abgeschlossen. G war als Geschäftsführer der T‑GmbH bestellt und hatte mit dieser einen Anstellungsvertrag abgeschlossen. Am Stammkapital der T‑GmbH war G nicht beteiligt.
Die Gesellschafter der M‑GmbH fassten im Herbst 2014 einstimmig (auszugsweise) folgenden Beschluss: „Es besteht Einigkeit darüber, dass grundsätzlich alle Entscheidungen nur mit einer qualifizierten Mehrheit von 91 % gefasst werden können. Dies hat zur Folge, dass die Sperrminorität auch auf alle Entscheidungen der T‑GmbH Anwendung findet. (…).“ Darüber hinaus sollte G nicht durch einzelne Gesellschafter oder die Gesellschafterversammlung weisungsgebunden sein. Ihm wurde ferner gestattet, die T‑GmbH „in der Funktion eines Hauptgeschäftsführers“, insbesondere in näher bezeichneten Geschäftsfeldern, „alleinvertretungsberechtigt zu führen und nach außen zu vertreten“.
Das BSG kam in seiner Entscheidung hinsichtlich des sozialversicherungsrechtlichen Status des Geschäftsführers zu folgenden Ergebnissen:
- Status des GmbH-Geschäftsführers: Ob bei einem Geschäftsführer einer GmbH ein Beschäftigungsverhältnis gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV vorliegt, richtet sich danach, ob er nach der ihm zukommenden, sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmacht ihm nicht genehme Weisungen verhindern oder Beschlüsse beeinflussen kann, die sein Anstellungsverhältnis betreffen (Verweis auf BSG, Urteil vom 07.07.2020 – B 12 R 17/18 R, DStRE 2021, 699 sowie BSG, Urteil vom 08.07.2020 – B 12 R 26/18 R, NZS 2021, 520).
- Rechtsmacht oder Sperrminorität: Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mindestens 50 % der Anteile am Stammkapital hält oder bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag über eine umfassende („echte“ oder „qualifizierte“), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität verfügt (ständige Rechtsprechung; zum Beispiel BSG-Urteile vom 08.07.2020 – B 12 R 26/18 R – juris RdNr. 13; B 12 R 2/19 R und B 12 R 4/19 R, jeweils juris RdNr. 14). Diese Rechtsmacht kann auch daraus resultieren, dass der Geschäftsführer kraft seiner Stellung als Gesellschafter einer anderen Gesellschaft die ihrerseits im Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht hat, Einfluss auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen der von ihm geführten Gesellschaft zu nehmen.
- Sozialversicherungspflicht, da Weisungen unterworfen: Das BSG bestätigte die Versicherungspflicht des G in der gesetzlichen Rentenversicherung, denn G war weder an der T‑GmbH beteiligt, noch konnte er über seine Stimmanteile in der Muttergesellschaft deren Geschäftsführer aktiv zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten in der Gesellschafterversammlung der T‑GmbH bewegen. Die vereinbarte Sperrminorität in der M‑GmbH (Notwendigkeit der qualifizierten Mehrheit von 91 % der Stimmen) eröffnet gesellschaftsrechtlich nicht die Möglichkeit, ihm nicht genehme Weisungen der M‑GmbH als Gesellschafterin der T‑GmbH zu verhindern.
- Beurkundungspflicht bei Beschränkung der Weisungsbefugnisse: Das BSG stellte zudem fest, dass die Beschränkung der Weisungsbefugnis der Gesellschafterversammlung der Tochtergesellschaft gegenüber ihrem Geschäftsführer oder aber eine allgemeine Weisung der Gesellschafterversammlung der Muttergesellschaft gegenüber ihren Geschäftsführern, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen oder zu unterlassen, eine Übertragung der Organbefugnisse von der Geschäftsführung auf die Gesellschafterversammlung voraussetze. Diese Änderungen der Gesellschaftsverträge sind nach dem BSG notariell zu beurkunden und ins Handelsregister einzutragen.
- Beherrschungsvertrag: Auch der Beherrschungsvertrag zwischen der M‑GmbH und der T‑GmbH änderte nach dem Senat nichts an der Weisungsgebundenheit des G.
Praxishinweis
Das BSG bestätigt zunächst seine Rechtsprechung (vgl. BSG vom 08.07.2020 – B 12 R 4/19 R, Rn. 19), wonach die notwendige Rechtsmacht auch durch eine gesellschaftsrechtlich relevante Beteiligung in einer beherrschenden Konzerngesellschaft vermittelt werden kann. Auf das Vorhandensein eines Beherrschungsvertrages kommt es dabei nicht an.
Zugleich präzisiert das BSG seine Rechtsprechung hinsichtlich der Frage, ob ein Anteil von 50 % oder eine umfassende Sperrminorität in der beherrschenden Gesellschaft für eine solche Rechtsmacht ausreichen würde (vgl. Urteil vom 08.07.2020 – B 12 R 26/18 R). Maßnahmen der Verwaltung bestehender Beteiligungen an anderen Gesellschaften einschließlich der Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung einer Tochtergesellschaft stellen eine gewöhnliche Geschäftstätigkeit dar. Sofern die Gesellschafterversammlung die Wahrnehmung ihrer Gesellschafterrechte in Tochtergesellschaften in einer bestimmten Weise erreichen möchte, bedarf es daher eines die Geschäftsführung anweisenden Beschlusses (vgl. § 37 Abs. 1 GmbHG). Daraus folgt, dass ein entsprechender Weisungsbeschluss der Gesellschafterversammlung aber grundsätzlich mehr als 50 % der Stimmen bedarf, so dass weder genau 50 % Anteilsbesitz noch Sperrminoritäten ausreichen.
Für eine Sozialversicherungsfreiheit hätte das BSG daher wohl aber entschieden, wenn G neben seiner umfassenden Sperrminorität zeitgleich auch Geschäftsführer der M‑GmbH gewesen wäre.
Ansprechpartner
Alexander Hausner, LL. M.
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