OLG Dres­den:
Zur Anfech­tungs­frist bei Gesell­schaf­ter­be­schlüs­sen in der GmbH

Ent­schei­dung

Zum Schutz des der GmbH-Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung fern­blei­ben­den Gesell­schaf­ters beginnt die Frist zur Anfech­tung von Gesell­schaf­ter­be­schlüs­sen erst mit Kennt­nis von sei­nem Inhalt zu lau­fen. Den Gesell­schaf­ter trifft aber eine Erkun­di­gungs­pflicht hin­sicht­lich der gefass­ten Beschlüs­se; nach Ablauf einer Erkun­di­gungs­frist beginnt die Anfech­tungs­frist daher auch dann zu lau­fen, wenn der Gesell­schaf­ter wei­ter­hin kei­ne Kennt­nis von den Beschlüs­sen hat (OLG Dres­den, Urteil vom 28.05.2020 – 8 U 2611/19).


Hin­ter­grund

Vor­lie­gend strit­ten eine GmbH und ihr Gesell­schaf­ter über die Wirk­sam­keit einer Beschluss­fas­sung bezüg­lich der Ein­zie­hung von Geschäfts­an­tei­len des Gesell­schaf­ters. An der beschluss­fas­sen­den Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung vom 13.12.2018 hat­te der betrof­fe­ne Gesell­schaf­ter nicht teil­ge­nom­men und am 10.01.2019 das Ver­samm­lungs­pro­to­koll erhal­ten. Am 11.02.2019 hat­te er Anfech­tungs­kla­ge erho­ben. Der Gesell­schafts­ver­trag der GmbH ent­hielt kei­ne Bestim­mung zu einer Anfech­tungs­frist gegen Beschlüs­se der Gesellschafterversammlung.

Feh­len der­ar­ti­ge Klau­seln, gilt ent­spre­chend dem Akti­en­recht (§ 246 Abs. 1 AktG) grund­sätz­lich eine Anfech­tungs­frist von einem Monat. Was den – höchst­rich­ter­lich noch unge­klär­ten – Beginn des Frist­laufs angeht, bestehen im Wesent­li­chen zwei Auffassungen:

Eine Ansicht stellt zwecks Rechts­klar­heit auf die Beschluss­fas­sung ab. Teils wird dabei die akti­en­recht­li­che Monats­frist nur als Ori­en­tie­rung gese­hen und mit ent­spre­chen­der Recht­fer­ti­gung des anfech­ten­den Gesell­schaf­ters eine län­ge­re Frist zugelassen.

Gemäß der wohl über­wie­gen­den Auf­fas­sung kommt es dage­gen dar­auf an, wann der anfech­ten­de Gesell­schaf­ter vom Inhalt des Beschlus­ses Kennt­nis erlangt. Zum Schutz eines der Ver­samm­lung fern­blei­ben­den Gesell­schaf­ters soll es daher regel­mä­ßig auf den Erhalt des Ver­samm­lungs­pro­to­kolls ankom­men. Die­se Auf­fas­sung ver­pflich­tet den Gesell­schaf­ter aller­dings dazu, sich über die gefass­ten Beschlüs­se zu erkun­di­gen. Tut er dies bin­nen bestimm­ter – im Ein­zel­nen unter­schied­lich beur­teil­ter – Frist nicht, kann die Anfech­tungs­frist auch ohne tat­säch­li­che Kennt­nis­er­lan­gung begin­nen und damit auch ablau­fen. Es kann dann sein, dass er die gefass­ten Beschlüs­se trotz ihrer Rechts­wid­rig­keit hin­neh­men muss. 

Im vor­lie­gen­den Fall hat­te das Land­ge­richt für den Frist­be­ginn schlicht auf den Pro­to­koll­zu­gang abge­stellt. Da der 10.01.2019 ein Sonn­tag war, beur­teil­te es die Kla­ge­er­he­bung am 11.02.2019 als fristgemäß.

Dage­gen sah das Ober­lan­des­ge­richt die Kla­ge als ver­fris­tet an. Weder bestün­den hier Grün­de für eine aus­nahms­wei­se Ver­län­ge­rung der Monats­frist ab Beschluss­fas­sung noch sei unbe­se­hen auf den Zugang des Pro­to­kolls abzu­stel­len. Zumin­dest drei Wochen nach der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung hät­te der betrof­fe­ne Gesell­schaf­ter durch sein Nach­fra­gen dar­über infor­miert sein müs­sen, was kon­kret beschlos­sen wor­den war – das Statt­fin­den der Ver­samm­lung war ihm durch die Ein­la­dung zur Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung bekannt.


Pra­xis­hin­weis

Ver­säum­te gesell­schafts­recht­li­che Anfech­tungs­fris­ten kön­nen zum Super-GAU wer­den, weil die Beschluss­fas­sung dann in aller Regel bin­dend ist. Zwei Din­ge sind daher unbe­dingt zu erledigen:

  • Einer­seits ist eine Klau­sel bezüg­lich Beginn und Dau­er der Anfech­tungs­frist von Gesell­schaf­ter­be­schlüs­sen in den Gesell­schafts­ver­trag aufzunehmen.
  • Ander­seits müs­sen sich bei Gesell­schaf­ter­ver­samm­lun­gen ver­hin­der­te Gesell­schaf­ter unver­züg­lich über die kon­kret getrof­fe­nen Beschlüs­se infor­mie­ren, erst recht, wenn eine gesell­schafts­ver­trag­li­che Fris­ten­klau­sel fehlt. Wegen der Dyna­mik der Mei­nungs­bil­dung in Ver­samm­lun­gen muss damit gerech­net wer­den, dass in der Ein­la­dung zur Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung (Tages­ord­nung) ange­kün­dig­te Beschluss­vor­schlä­ge abge­än­dert ange­nom­men oder abge­lehnt wer­den. Dies gilt umso mehr, wenn die Ein­la­dung – was zuläs­sig ist – über­haupt kei­ne kon­kre­ten Vor­schlä­ge enthält.

Aktu­ell ist der Bun­des­ge­richts­hof mit der Sache befasst. Wie auch immer das Gericht die Sache sehen mag, bis auf wei­te­res ist die beschrie­be­ne Vor­sor­ge in jedem Fall geboten.

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