OLG Hamm:
Wirk­sam­keit von Abfin­dungs­klau­seln bei Aus­schei­den aus gemein­nüt­zi­ger GmbH

Ent­schei­dung

Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 13.04.2022 – 8 U 112/21 wich­ti­ge Fest­stel­lun­gen zur Wirk­sam­keit beschrän­ken­der Abfin­dungs­klau­seln bei einer gemein­nüt­zi­gen GmbH getroffen. 


Hin­ter­grund

Der Klä­ger im ent­schie­de­nen Fall ist Insol­venz­ver­wal­ter über das Ver­mö­gen der gemein­nüt­zi­gen A‑gGmbH (Insol­venz­schuld­ne­rin), die einen ambu­lan­ten Pfle­ge­dienst betrieb. Die A‑gGmbH war eine von meh­re­ren Gesell­schaf­tern der Beklag­ten, der eben­falls gemein­nüt­zi­gen B‑gGmbH. Die Sat­zung der B‑gGmbH ent­sprach der Mus­ter­sat­zung der Abga­ben­ord­nung (§ 60 AO und Anla­ge 1). Nach der Sat­zung war die Ein­zie­hung von Geschäfts­an­tei­len unter ande­rem dann mög­lich, wenn über das Ver­mö­gen eines Gesell­schaf­ters ein Insol­venz­ver­fah­ren eröff­net wird (§ 34 Abs. 2 GmbHG). Der aus­schei­den­de Gesell­schaf­ter soll­te in die­sem Fall eine Abfin­dung in Höhe des Nenn­werts des Anteils erhalten.

Nach­dem das Insol­venz­ver­fah­ren über das Ver­mö­gen der A‑gGmbH eröff­net wur­de, schlos­sen die übri­gen Gesell­schaf­ter (der Beklag­ten) die­se aus der B‑gGmbH aus und bestimm­ten ihr Abfin­dungs­gut­ha­ben auf den Nenn­wert ihrer Stamm­ein­la­ge von 1.000 Euro. Der Klä­ger und Insol­venz­ver­wal­ter war jedoch der Auf­fas­sung, dass der A‑gGmbH ein Anspruch auf Zah­lung des vol­len wirt­schaft­li­chen Werts ihres Anteils an der B‑gGmbH zuste­he. Da der Geschäfts­an­teil an der B‑gGmbH der insol­ven­ten A‑gGmbH zur Insol­venz­mas­se gehör­te, konn­te der Insol­venz­ver­wal­ter selbst die Rech­te gel­tend machen, die der aus­ge­schie­de­nen A‑gGmbH als Insol­venz­schuld­ne­rin zuge­stan­den hätten.

Der Klä­ger hielt die Abfin­dungs­klau­sel aus fol­gen­den Grün­den für unwirksam: 

  • Die Abfin­dungs­re­ge­lun­gen im Gesell­schafts­ver­trag der Beklag­ten sei­en insol­venz­zweck­wid­rig gewe­sen, denn das Inter­es­se an einer gleich­mä­ßi­gen Gläu­bi­ger­be­frie­di­gung über­la­ge­re den Zweck der Beschrän­kung des Abfindungsanspruchs. 
  • Zwei­tens bedeu­te die hohe Dif­fe­renz zwi­schen Nenn­wert und Ver­kehrs­wert eine grob unbil­li­ge Benach­tei­li­gung der Insol­venz­schuld­ne­rin, so dass die Klau­sel unan­ge­mes­sen und sit­ten­wid­rig und gleich­zei­tig als unzu­läs­si­ge indi­rek­te Beschrän­kung des Kün­di­gungs­rechts zu qua­li­fi­zie­ren sei. 
  • Drit­tens sei es der Beklag­ten ver­wehrt, sich auf die Abfin­dungs­be­schrän­kung zu beru­fen, da der Nenn­wert auch gegen­über dem hier beacht­li­chen Sub­stanz­wert der Betei­li­gung in kei­ner Wei­se akzep­ta­bel sei.

Das OLG Hamm hielt die Sat­zungs­re­ge­lung dage­gen für wirk­sam und wies die Kla­ge in vol­lem Umfang ab:

  • Wirk­sa­me Beschrän­kung, kei­ne Sit­ten­wid­rig­keit: Der Abfin­dungs­an­spruch (§ 738 Abs. 1 Satz 2 BGB ana­log) sei wirk­sam auf den Nenn­be­trag des Geschäfts­an­teils beschränkt wor­den, so dass auch dem Insol­venz­ver­wal­ter kein höhe­rer Abfin­dungs­an­spruch zuste­he. Der Insol­venz­ver­wal­ter sei an die ver­trag­li­chen Grund­la­gen der insol­ven­ten Gesell­schaft gebun­den“. Die Beschrän­kung der Abfin­dung in der Sat­zung sei hier wirk­sam erfolgt und ins­be­son­de­re nicht wegen unbil­li­ger Benach­tei­li­gung der Insol­venz­schuld­ne­rin bzw. ihrer Gläu­bi­ger sit­ten­wid­rig“ (§ 138 Abs. 1 BGB).
  • Ver­mö­gens­bin­dung nach Abga­ben­ord­nung zwin­gend: Die Beschrän­kung der Abfin­dung auf den Nenn­wert sei bei einer gemein­nüt­zi­gen GmbH nicht nur aus­nahms­wei­se zuläs­sig“, son­dern sogar recht­lich gebo­ten“. Die Abga­ben­ord­nung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 AO) sehe die­se Ver­mö­gens­bin­dung zwin­gend vor, um zu ver­hin­dern, dass das steu­er­be­güns­tigt gebil­de­te Ver­mö­gen die steu­er­be­güns­tig­te Sphä­re wie­der ver­lässt. Eine Sat­zungs­re­ge­lung, die zur Errei­chung des gemein­nüt­zi­gen Gesell­schafts­zwecks erfor­der­lich ist, kön­ne nach dem Grund­satz der Ein­heit und Wider­spruchs­frei­heit der Rechts­ord­nung“ nicht unwirk­sam sein.
  • Kei­ne unzu­läs­si­ge Gläu­bi­ger­be­nach­tei­li­gung: Daher zie­le die Abfin­dungs­be­schrän­kung auch nicht auf eine Benach­tei­li­gung der Gläu­bi­ger, son­dern auf die Ver­mö­gens­bin­dung für den gemein­nüt­zi­gen Gesell­schafts­zweck ab. Die Abfin­dungs­be­schrän­kung gel­te zudem nicht nur für (Insolvenz-)Gläubiger, son­dern für alle Fäl­le des Aus­schei­dens eines Gesellschafters.


Pra­xis­tipp

Die Ent­schei­dung des OLG Hamm führt zu Rechts­si­cher­heit bezüg­lich all­ge­mein übli­cher Sat­zungs­ge­stal­tun­gen bei gemein­nüt­zi­gen GmbHs auf Grund­la­ge der Mus­ter­sat­zung der Abga­ben­ord­nung. Der gemein­nüt­zi­ge Zweck kann die Beschrän­kung der Abfin­dungs­klau­sel recht­fer­ti­gen. Eine Sit­ten­wid­rig­keit der Abfin­dungs­klau­sel gem. § 138 Abs. 1 BGB schei­det dann aus. Auf die Höhe der Dif­fe­renz zwi­schen Abfin­dungs­an­spruch und Ver­kehrs­wert des ein­ge­zo­ge­nen Geschäfts­an­teils kommt es dann nicht an.

Zudem stellt das Gericht klar, dass die Sat­zungs­re­ge­lung mit der Beschrän­kung der Abfin­dungs­zah­lung bei gemein­nüt­zi­gen GmbHs unein­ge­schränkt auch gegen­über dem Insol­venz­ver­wal­ter gilt. Auch ande­re anfech­tungs­be­rech­tig­te Gläu­bi­ger und Pflicht­teils­be­rech­tig­te müs­sen die beschränk­te Abfin­dungs­klau­sel gegen sich gel­ten lassen.

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