OLG Köln:
Kein Auf­wen­dungs­er­satz bei Ver­bin­dung von gekauf­ten Roh­ren zu Rohrleitungssystem

Ent­schei­dung

Das OLG Köln (Urteil vom 07.04.2022 – 15 U 82/21) hat ein wich­ti­ges Urteil zum Auf­wen­dungs­er­satz­an­spruch des § 439 Abs. 3 BGB gefällt. Es behan­delt ins­be­son­de­re den Begriff des Ein­baus“ und des Anbrin­gens“ von Sachen. Das Gericht nimmt hier­bei zu der Fra­ge Stel­lung, ob der Anwen­dungs­be­reich der Vor­schrift auch Fäl­le erfasst, in denen Sachen so mit­ein­an­der ver­bun­den wur­den, dass sie – wie hier die Roh­re im Rohr­lei­tungs­sys­tem – nicht unselbst­stän­di­ger Bestand­teil einer neu­en Sache gewor­den sind.


Hin­ter­grund

In dem vom OLG Köln ent­schie­de­nen Fall bestell­te die Klä­ge­rin bei der Beklag­ten eine Viel­zahl von Roh­ren aus Edel­stahl. Die Roh­re soll­ten als Rohr­lei­tungs­sys­te­me auf zwei Kreuz­fahrt­schif­fen mon­tiert wer­den. Die Beklag­te hat­te die Roh­re ihrer­seits bei einem indi­schen Unter­neh­men bestellt. Nach der Lie­fe­rung der Roh­re zeig­te die Klä­ge­rin der Beklag­ten angeb­li­che Mate­ri­al­feh­ler an.

Die Klä­ge­rin hat behaup­tet, sie habe vor Ent­de­ckung der Mate­ri­al­feh­ler mit der Vor­fer­ti­gung der Rohr­lei­tungs­sys­te­me begon­nen. Die Vor­fer­ti­gung bestehe dar­in, die Roh­re zu soge­nann­ten Rohr­lei­tungs­s­pools zusam­men­zu­bau­en, bezie­hungs­wei­se an von ihr vor­be­rei­te­ten Näh­ten zusam­men­zu­schwei­ßen; anschlie­ßend müss­ten die Roh­re zu Rei­ni­gungs­zwe­cken gebeizt und ange­stri­chen wer­den. Auf­grund der Mate­ri­al­feh­ler habe sie die Vor­fer­ti­gung ein­ge­stellt. Sie habe sodann die bereits errich­te­ten Spools wie­der demon­tiert, um sie bei einer neu­en Vor­fer­ti­gung erneut ver­wen­den zu können.

Die Klä­ge­rin ver­langt von der Beklag­ten unter ande­rem Ersatz der­je­ni­gen Kos­ten, die ihr auf­grund der Demon­ta­ge der im Rah­men der Vor­fer­ti­gung mon­tier­ten Spools sowie der Auf­be­rei­tung der Fit­tin­ge und Mess­stut­zen ent­stan­den sind.

Das Gericht wies einen ver­schul­dens­un­ab­hän­gi­gen Auf­wen­dungs­er­satz­an­spruch der Klä­ge­rin aus fol­gen­den Grün­den ab:

  • Auf­wen­dungs­er­satz erfasst nur Ein­bau in eine ande­re Sache und Anbrin­gen: Das Gericht führt zunächst aus, wel­che Fäl­le von § 439 Abs. 3 BGB erfasst sind. Beim Ein­bau wird die Kauf­sa­che mit einer ande­ren Sache in der Wei­se kör­per­lich ver­bun­den, dass sie unselb­stän­di­ger Bestand­teil die­ser ande­ren Sache wird. Unter Anbrin­gen ist eine Ver­bin­dung der man­gel­haf­ten Sache mit einer ande­ren Sache zu ver­ste­hen, die dem Ein­bau ver­gleich­bar ist; gemeint sind ins­be­son­de­re Fäl­le, in denen die man­gel­haf­te Sache nicht in den Cor­pus einer ande­ren Sache inte­griert, son­dern ledig­lich außen an ihr ange­bracht wird, wie etwa Dach­rin­nen, Far­ben, Leuch­ten und Lacke.
  • Roh­re kein unselbst­stän­di­ger Bestand­teil einer ande­ren Sache: Der Fall der Ver­bin­dung von Roh­ren zu Rohr­lei­tungs­sys­te­men wird nach Ansicht des OLG vom Wort­laut des Auf­wen­dungs­er­satz­an­spru­ches des § 439 Abs. 3 BGB nicht erfasst. Die Klä­ge­rin habe die Roh­re mit­ein­an­der ver­bun­den, indem sie sie zu Rohr­lei­tungs­s­pools zusam­men­ge­baut bezie­hungs­wei­se zusam­men­ge­schweißt hat. Dabei wur­den die von der Beklag­ten gekauf­ten Roh­re aber nicht in der Wei­se mit­ein­an­der ver­bun­den, dass die Roh­re unselbst­stän­di­ger Bestand­teil einer ande­ren Sache gewor­den sind. Da ein Ein­bau der Rohr­lei­tungs­s­pools in die Schif­fe unstrei­tig nicht erfolgt ist, kön­ne dahin­ste­hen, ob dabei ent­stan­de­ne Kos­ten ersatz­fä­hig wären.
  • Wil­le des Gesetz­ge­bers führt zu kei­nem ande­ren Ergeb­nis: Auch der Wil­le des Gesetz­ge­bers bei der Fas­sung des § 439 Abs. 3 S. 1 BGB wird vom Gericht berück­sich­tigt. Nicht erfasst wer­den danach Fäl­le, in denen die man­gel­haf­te Kauf­sa­che nicht nur unwe­sent­lich ver­än­dert, son­dern in denen eine neue – ande­re – Sache her­ge­stellt wird. Ein Auf­wen­dungs­er­satz­an­spruch für ande­re Ver­än­de­run­gen der Kauf­sa­che (als Ein­bau und Anbrin­gen) soll­te nicht geschaf­fen werden.
  • Gren­ze für Ein- und Aus­bau einer Kauf­sa­che in eine ande­re Sache: Das Gericht berück­sich­tigt den Hin­weis der Bun­des­re­gie­rung, dass § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB aus­le­gungs­fä­hig und aus­le­gungs­be­dürf­tig sei. Der Ein­bau einer Kauf­sa­che gemäß ihrer Art und ihrem Ver­wen­dungs­zweck in eine ande­re Sache und deren Aus­bau kön­ne in vie­ler­lei Vari­an­ten erfol­gen, zum Bei­spiel durch Ein- und Aus­schrau­ben, Nie­ten und Boh­ren, Schwei­ßen und Her­aus- oder Abtren­nen. Aller­dings dürf­te die Aus­le­gung von § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB dort eine Gren­ze fin­den, wo die Kauf­sa­che in ihrer ursprüng­li­chen Sach­ei­gen­schaft nicht mehr vor­han­den sei.
  • Rohr­lei­tungs­s­pools neu her­ge­stell­te Sachen: Die Klä­ge­rin hat nach Ansicht des OLG durch die Ver­ar­bei­tung und Ver­bin­dung der gelie­fer­ten Roh­re noch vor deren Ein­bau auf den Kreuz­fahrt­schif­fen neue Sachen – sog. Rohr­lei­tungs­s­pools – geschaf­fen. Der Vor­fer­ti­gungs­pro­zess kön­ne des­halb nicht als blo­ße Vor­be­rei­tung des Ein­baus der Roh­re in die Kreuz­fahrt­schif­fe ange­se­hen wer­den. Die Klä­ge­rin habe erheb­li­che Leis­tun­gen im Rah­men der Vor­fer­ti­gung erbracht; die Rohr­lei­tungs­s­pools waren offen­bar auf die kon­kre­ten Bedürf­nis­se der Kreuz­fahrt­schif­fe aus­ge­legt und somit wur­de ein neu­er Funk­ti­ons­zweck geschaf­fen. Jeden­falls sei­en die Mög­lich­kei­ten, die Roh­re zu ver­wen­den, durch die Vor­fer­ti­gung deut­lich ein­ge­schränkt wor­den. Eine Demon­ta­ge war zwar nicht unmög­lich, erfor­der­te aber wie­der­um einen erheb­li­chen Aufwand.


Fazit

Das OLG Köln erteilt Bestre­bun­gen in der Lite­ra­tur, die den Anwen­dungs­be­reich über die aus­drück­lich gere­gel­ten Fäl­le des Ein­baus und des Anbrin­gens hin­aus auch bei ande­ren Ver­än­de­run­gen der Kauf­sa­che anzu­wen­den wol­len, eine deut­li­che Absage.

Kommt es zur Nach­er­fül­lung in Fol­ge man­gel­haf­ter Sachen und der For­de­rung nach Auf­wen­dungs­er­satz für die Ein- und Aus­bau­kos­ten, soll­ten Unter­neh­men zunächst sorg­fäl­tig prü­fen, ob durch die Ver­bin­dung der feh­ler­haf­ten Sache mit einer ande­ren Sache nicht mög­li­cher­wei­se eine neue Sache her­ge­stellt wur­de. Denn dann könn­te der Lie­fe­rant der man­gel­haf­ten Sache sich mit Ver­weis auf das OLG Köln einem Auf­wen­dungs­er­satz­an­spruch für Ein- und Aus­bau­kos­ten entziehen.

Steht dem Unter­neh­men die­se Mög­lich­keit nicht offen, weil es mög­li­cher­wei­se sel­ber vom Lie­fe­ran­ten gelie­fer­te Sachen zu einer neu­en Sache ver­bin­det oder ver­ar­bei­tet, die wie­der­um bei­spiels­wei­se in ein Kraft­fahr­zeug ein­ge­baut wird, kann in Indi­vi­du­al­ver­ein­ba­run­gen im B2B-Bereich der Auf­wen­dungs­er­satz­an­spruch gemäß § 439 Abs. 3 BGB modi­fi­ziert, ein­ge­schränkt oder aus­ge­schlos­sen wer­den. So könn­te der Bestel­ler mit sei­nem Lie­fe­ran­ten bei­spiels­wei­se aus­drück­lich ver­ein­ba­ren, dass die Über­nah­me der Ein- und Aus­bau­kos­ten vom Lie­fe­ran­ten auch dann über­nom­men wer­den müs­sen, wenn der Bestel­ler durch Ver­ar­bei­tung der gelie­fer­ten man­gel­haf­ten Tei­le eine neue Sache her­stellt. Mög­lich wäre auch eine Begren­zung der Kos­ten für den Ein- und Aus­bau durch eine Haf­tungs­be­gren­zung. Dies wür­de vor allem als Absi­che­rung in den Fäl­len die­nen, in denen sich ein Man­gel der Sache – wie im vom OLG Köln ent­schie­de­nen Fall – nach Ver­bin­dung oder Ver­ar­bei­tung zu einer neu­en Sache, aber noch vor dem Ein­bau in ein Kreuz­fahrt­schiff oder in einen PKW, zeigt.

Eine Ein­schrän­kung, Modi­fi­ka­ti­on oder ein Aus­schluss des Auf­wen­dungs­er­satz­an­spru­ches in AGB dürf­te dage­gen unzu­läs­sig sein, da gem. § 309 Nr. 8 b) cc) BGB eine Indi­z­wir­kung dafür besteht, dass die Ver­wen­dung einer ent­spre­chen­den Klau­sel auch im Fall der Ver­wen­dung gegen­über Unter­neh­men zu einer unan­ge­mes­se­nen Benach­tei­li­gung nach § 307 BGB führt und daher unwirk­sam ist. Wie sich die Recht­spre­chungs­pra­xis in die­sen Fäl­len ent­wi­ckelt, ist offen.

Die Revi­si­on ist zuge­las­sen (BGH VIII ZR 105/22 — ANH). Es bleibt also span­nend, ob sich auch der BGH der Auf­fas­sung des OLG Köln anschlie­ßen wird.

Wei­ter­füh­rend dazu Krüger/​Grolig, NZG 2022, 1022

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