OLG Brandenburg:
Wirksamkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots für ehemaligen GmbH-Geschäftsführer
Entscheidung
Die Prüfung der Wirksamkeit von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten für GmbH-Geschäftsführer ist ein Dauerbrenner in der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Häufig scheitern Wettbewerbsverbote daran, dass keine angemessene zeitliche, räumliche und gegenständliche Begrenzung erfolgt. Das OLG Brandenburg (Urteil vom 15.12.2020 – 6 U 172/18) hatte aktuell darüber zu entscheiden, ob der früheren GmbH-Geschäftsführerin im Falle eines unwirksamen Wettbewerbsverbots auch die mitvereinbarte Karenzentschädigung zusteht oder ob sie entsprechende Schadensersatzansprüche geltend machen kann.
Hintergrund
Die Klägerin war Geschäftsführerin einer kommunalen Wohnungsbau-GmbH. In ihrem Dienstvertrag war ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für die Dauer von drei Jahren gegen Zahlung einer jährlichen Karenzentschädigung i. H. v. 50 % der letzten Bezüge vereinbart. Im Februar 2011 kündigte die GmbH der Geschäftsführerin fristlos. Im Juli 2011 erklärte die GmbH, sie werde auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots mit Wirkung ab Oktober 2011 verzichten. Ab August 2011 nahm die Klägerin eine Tätigkeit als Geschäftsleiterin einer GmbH im Bereich Facility Management auf. Die Klägerin verlangte von der GmbH die Zahlung einer Karenzentschädigung, deren Höhe und Dauer im Einzelnen zwischen den Parteien streitig waren. Das OLG Brandenburg hielt die Klage nur teilweise für begründet:
- Wettbewerbsverbot sittenwidrig: Das im Dienstvertrag vereinbarte Wettbewerbsverbot war nach Ansicht des OLG sittenwidrig, da es die Berufsfreiheit der Klägerin unzulässig einschränkte. Das Verbot sei in mehrfacher Hinsicht zu weitgehend und demnach nichtig.
- Anforderungen an ein wirksames Wettbewerbsverbot: Ein Wettbewerbsverbot sei nur dann wirksam, wenn es den berechtigten Interessen der GmbH dient (Stufe 1) und die wirtschaftliche Tätigkeit des Geschäftsführers nach Zeit, Ort und Gegenstand nicht unverhältnismäßig beschränkt (Stufe 2) (Verweis auf BGH vom 04.03.2002 – II ZR 77/00, GmbHR 2002, 431 = ZIP 2002, 709; BGH vom 14.07.1997 – II ZR 238/96, MDR 1997, 953). Für eine zeitliche Geltungsdauer von drei Jahren bestünden keine schutzwürdigen Interessen der GmbH; die Dauer dürfe im Allgemeinen höchstens zwei Jahre betragen. Es wurden auch keine sachlichen Gründe für eine im Einzelfall zulässige Verlängerung vorgetragen. Der räumliche Umfang des Wettbewerbsverbots sei in keiner Weise eingeschränkt und habe das berufliche Fortkommen der Geschäftsführerin damit faktisch ausgeschlossen. Das Verbot sei auch in gegenständlicher Hinsicht zu weitgehend, da es jede Wettbewerbstätigkeit generell untersagt habe, unabhängig von der konkreten Tätigkeit und Stellung. Die vereinbarte Karenzentschädigung sei keine ausreichende Kompensation und könne das unwirksame Wettbewerbsverbot nicht heilen. Zwar komme eine geltungserhaltende Reduktion für ein zeitliches und räumliches Übermaß durch das Gericht in Betracht, nicht aber für den gegenständlichen Anwendungsbereich, da ansonsten der den Gerichten eingeräumte Gestaltungsspielraum überschritten würde (vgl. OLG München, Hinweisbeschluss vom 02.08.2018 – 7 U 2107/18; BGH vom 14.07.1997 – II ZR 238/96). Das Gericht qualifizierte die gesamte vertragliche Vereinbarung insgesamt als nichtig. Es bestand damit auch kein vertraglicher Anspruch auf eine Karenzentschädigung.
- Vertrauensschaden der Geschäftsführerin: Der Senat hat der Klägerin wegen der Nichtigkeit der vertraglich vereinbarten Karenzentschädigung aber einen Anspruch auf Schadensersatz wegen einer Pflichtverletzung der GmbH zugesprochen. Nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss habe sich die GmbH durch Formulierung eines nichtigen Wettbewerbsverbots schadensersatzpflichtig gemacht. Sie habe die Geschäftsführerin über die damit verbundenen Risiken nicht aufgeklärt. Damit habe die GmbH bei der Geschäftsführerin das Vertrauen hervorgerufen, dass ihr bei Unterlassen einer anderweitigen Tätigkeit eine Karenzentschädigung bezahlt wird. Der Geschäftsführerin stehe wegen dieser Pflichtverletzung der GmbH ein Schadensersatzanspruch zu.
- Schadenshöhe: Die Höhe bestimme sich nach der (vertraglich unwirksamen) Karenzentschädigung, hier grundsätzlich 50 % der Bezüge für die Zeit von Februar bis Oktober 2011.
- Kein Mitverschulden: Auch der Einwand der GmbH, die Klägerin habe angesichts der seit Jahren bekannten Rechtsprechung des BGH zu den Grenzen zulässiger nachvertraglicher Wettbewerbsklauseln auf die Wirksamkeit der zwischen den Parteien getroffenen Klausel nicht vertrauen dürfen, steht dem Anspruch nicht entgegen. Ein etwaiges Mitverschulden der Klägerin war mangels nachgewiesener juristischer Kenntnisse aus Sicht des Gerichts nicht begründbar.
Wettbewerbsverbote auf das Notwendige beschränken
Praxistipp
Im Zusammenhang mit nachvertraglichen Wettbewerbsverboten für einen GmbH-Geschäftsführer sind in Literatur und Rechtsprechung nach wie vor viele Themen umstritten. Das OLG Brandenburg folgt in seinem Urteil der ständigen Rechtsprechung des BGH zu den inhaltlichen Anforderungen an ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot. Fraglich ist aber, ob der BGH dem OLG bezüglich des Anspruches auf Ersatz des Vertrauensschadens folgen würde.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (auf die das OLG ausdrücklich Bezug nimmt) kann sich jedenfalls derjenige wegen Verschuldens bei Vertragsschluss haftbar machen, der einen von ihm verfassten und verwendeten, aber unwirksamen Vertrag mit seinem Partner schließt. Beruht die Nichtigkeit eines Vertrages auf einem Wirksamkeitshindernis, das der Sphäre einer der Vertragsparteien (hier der Gesellschaft) zuzurechnen ist, kann diese wegen mangelnder Aufklärung des Vertragspartners schadensersatzpflichtig sein (BGH, Urteil vom 14.04.2005 – IX ZR 109/04, NJW-RR 2005, 1290). In dem BGH-Fall hatte ein Kontierer bei Abschluss eines auf Steuerberatung gerichteten Vertrages nicht unmissverständlich darauf hingewiesen, dass er dazu nach dem StBerG nicht befugt ist. Hier haftete die StB-Gesellschaft wegen Verschuldens bei Vertragsschluss.
Wettbewerbsverbote sollten somit auf das unbedingt Notwendige beschränkt und klar und transparent ausgestaltet werden. Die Berufsausübungsfreit des ehemaligen GmbH-Geschäftsführers hat in der Regel Vorrang. Ein zu weitgehendes Wettbewerbsverbot ist insgesamt nichtig und für die GmbH besteht neben der Duldung des Wettbewerbs des früheren Geschäftsführers eben auch das Risiko, zu Schadensersatzzahlungen verpflichtet zu werden. Es sollte daher nur dann vereinbart werden, wenn die Gesellschaft auch ein echtes Interesse an dessen Einhaltung hat.
Ein schadensminierendes Mitverschulden des Geschäftsführers ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, jedoch muss von der Gesellschaft dargelegt werden, warum der Geschäftsführer die Wirksamkeit der Vereinbarungen hätte ausreichend beurteilen können. Möglich wäre (nach der Entscheidung des OLG) auch, dass nicht die Gesellschaft die Klausel vorgibt, sondern der Geschäftsführer Einfluss auf die Formulierung nehmen und so ggfs. ein Mitverschulden belegt werden kann.
Ansprechpartner
Alexander Hausner, LL. M.
Rechtsanwalt,
Fachanwalt für Arbeitsrecht,
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