Neues Kaufrecht ab 1. Januar 2022:
Anpassungsbedarf in Kaufverträgen und AGB
Nach 20 Jahren ist die EU-Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie passé: Ab dem 01.01.2022 wird sie durch die europäische Warenkauf-Richtlinie (EU) 2019/771 ersetzt. Zeitgleich tritt das „Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags“ vom 25.06.2021 („DigKRG“) in Kraft. Damit wird das deutsche Kaufrecht ab Januar 2022 insbesondere beim Verbrauchsgüterkauf umfangreich reformiert und es wird künftig eine neue Kategorie der Verbraucherverträge über digitale Produkte geben.
Für wen sind die Änderungen relevant?
Die Warenkauf-Richtlinie ist in ihrem Anwendungsbereich ausdrücklich nur auf Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern beschränkt.
Allerdings kann auch im B2B-Bereich Anpassungsbedarf bestehen: Im Bereich der digitalen Produkte bzw. Waren mit digitalen Elementen gilt künftig ein erweiterter Sachmangelbegriff, das heißt, den Verkäufer trifft zusätzlich eine Aktualisierungspflicht. Diese Verpflichtung zur Bereitstellung funktionserhaltender Updates der digitalen Waren/Produkte soll nach dem Willen des Gesetzgebers in der Lieferkette weitergereicht werden. Die gesetzliche Aktualisierungspflicht wirkt zwar nicht gegenüber dem Lieferanten, ihn kann aber ein Regressanspruch des Verkäufers treffen. Verkäufer/Händler und Hersteller sollten daher konkrete Vereinbarungen zum Beispiel zur Weitergabe der vertraglichen Aktualisierungspflicht oder eine Einschränkung der Mängelhaftung (Umfang und Zeitraum der Updates) in AGB und allen künftigen Kaufverträgen vornehmen.
Wichtige Änderungen im neuen Kaufrecht im Überblick
1. Neuer Sachmangelbegriff
Während aktuell ein gestufter Sachmangelbegriff (§ 434 BGB) gilt, hat die Freiheit von Sachmängeln künftig drei Voraussetzungen, die alle drei gemeinsam erfüllt sein müssen:
- die Übereinstimmung mit den subjektiven Anforderungen (§ 434 Abs. 2),
- die Übereinstimmung mit den objektiven Anforderungen (§ 434 Abs. 3) sowie
- die Übereinstimmung mit etwaigen Montageanforderungen (§ 434 Abs. 4).
Zukünftig kommt den objektiven Anforderungen im Vergleich zur Beschaffenheitsvereinbarung ein größeres Gewicht zu: Eine Sache kann nach neuem Recht auch dann mangelhaft sein, wenn sie der vereinbarten Beschaffenheit (also den subjektiven Anforderungen) entspricht. Der Vorrang der Beschaffenheitsvereinbarung vor den objektiven Anforderungen greift damit nicht mehr. Negative Beschaffenheitsvereinbarungen bleiben aber möglich.
2. Digitale Produkte
Der Überbegriff „digitale Produkte“ ist nun im „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen“ (EU 2019/770, („dID-RL“) definiert und umfasst alle in digitaler Form erstellte und bereitgestellte Daten (sogenannte digitale Inhalte, zum Beispiel Fotos und Dokumente) und digitale Dienstleistungen. Dies kann unter anderem Verträge über die Fernnutzung von Software und Daten (Software-as‑a Service-Vertrag), die Nutzung von Video- und Audioinhalten und andere Formen des Datei-Hostings oder Cloud-Lösungen umfassen.
3. Abgrenzung Verbrauchsgüterkauf digitale Produkte und allgemeines Verbrauchsgüterkaufrecht
Der Verbrauchsgüterkauf digitaler Produkte wird künftig in den neuen §§ 327 ff. BGB (mit eigenem Gewährleistungsrecht) geregelt. In den Anwendungsbereich der §§ 327 ff. BGB fallen Verträge über die Bereitstellung digitaler Produkte unabhängig davon, wie das digitale Produkt übermittelt wird (online oder auf einem Datenträger).
Eine Abgrenzung zum allgemeinen Verbrauchsgüterkaufrecht (§ 475a BGB) ist erforderlich, da unterschiedliche Gewährleistungssysteme gelten können. Bei digitalen Produkten, die als Teil eines Paketvertrags gemeinsam mit anderen (analogen) Waren bereitgestellt werden, kommt es zum Beispiel darauf an, welcher Produktteil betroffen ist. So sind die §§ 327 ff. BGB nur auf diejenigen Bestandteile des Paketvertrags anzuwenden, welche die digitalen Produkte betreffen. Darüber hinaus können digitale Produkte auch in anderen Sachen enthalten oder mit ihnen verbunden sein.
Digitale Haushaltsgeräte, Smartphones und W‑LAN-Router sind beispielsweise als Waren mit digitalen Elementen (§ 475b BGB) zu qualifizieren; die §§ 327 ff. BGB kommen insoweit nicht zur Anwendung.
4. Verlängerung des Zeitraums der Beweislastumkehr beim Verbrauchsgüterkauf
Künftig wird beim Verbrauchsgüterkauf für zwölf Monate vermutet, dass ein Sachmangel bereits bei Gefahrenübergang vorhanden war – bislang waren es sechs Monate.
5. Verlängerung der Gewährleistungsfrist in einigen Fällen
Darüber hinaus wird eine Reihe von Fristen zugunsten der Verbraucher verlängert. So verjähren Gewährleistungsansprüche frühestens zwei Monate nach dem erstmaligen Auftreten des Mangels, sodass sich die Gewährleistungsfrist faktisch verlängern kann. Aus diesem Grund sollten Verkäufer mit einer faktischen Gewährleistungszeit von 26 Monaten rechnen und entsprechende Regelungen mit ihren Lieferanten vorsehen.
6. Änderungen bei der Nacherfüllung
Bei Verbrauchsgüterkäufen muss der Käufer künftig für Rücktritt und Geltendmachung von Schadensersatz keine ausdrückliche Frist zur Nacherfüllung mehr setzen. Bereits mit der Mitteilung des Mangels durch den Verbraucher an den Verkäufer beginnt eine (fiktive) angemessene Frist zu laufen.
7. Sonderregelungen für Garantien
Unternehmer sind künftig verpflichtet, dem Verbraucher eine Garantieerklärung spätestens bei der Lieferung der Ware auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung stellen. Die bisherige Regelung, dass der Unternehmer die Garantieerklärung nur auf ausdrückliches Verlangen des Verbrauchers in Textform mitzuteilen hat, entfällt somit. Es muss zudem deutlich werden, dass daneben bestehende gesetzliche Gewährleistungsrechte des Verbrauchers unberührt bleiben und deren Inanspruchnahme unentgeltlich ist.
Fazit und Handlungsempfehlung
Der Umfang der Informations- und Lieferpflichten und deren Aufteilung zwischen Händler und Hersteller sollten in künftigen Kaufverträgen und in den AGB angepasst werden. Zudem sind im Hinblick auf den erweiterten Sachmangelbegriff Beschaffenheitsvereinbarungen zu aktualisieren. Denn Verkäufer müssen ihre Produkte/Waren künftig laufend dahingehend überprüfen, ob diese (noch) der (branchen- und produkt-)üblichen Beschaffenheit und damit einem objektiven Produktstandard entsprechen. Verkäufer im B2B-Geschäft könnten sich künftig auch dadurch absichern, dass vorsorglich zahlreiche vorhandene und nicht vorhandene Produkteigenschaften im Sinne einer individuellen (negativen) Beschaffenheitsvereinbarung vertraglich festlegt werden.