BGH:
Verpflichtung eines ehemaligen GmbH-Geschäftsführers zur Auskunftserteilung bei begründetem Verdacht einer Pflichtverletzung
Entscheidung
Der (ehemalige) Geschäftsführer einer GmbH ist auch nach seiner Abberufung und der Beendigung des Geschäftsführeranstellungsvertrags gegenüber der Gesellschaft zur Auskunftserteilung verpflichtet. Der Umfang der (nachvertraglichen) Auskunftspflicht des Geschäftsführers besteht jedoch nicht uneingeschränkt, sondern hängt vom konkreten Informationsbedürfnis der Gesellschaft ab (BGH, Beschluss vom 22.06.2021 – II ZR 140/20).
Hintergrund
Der Entscheidung lag ein Rechtsstreit um Schadensersatz- und Auskunftsansprüche einer GmbH (Klägerin) gegen ihren ehemaligen Gesellschafter-Geschäftsführer (Beklagter) zugrunde. Der Beklagte soll gemeinsam mit Dritten an einer Versammlung der Mitarbeiter der klagenden GmbH zumindest teilgenommen haben. Bei dieser Versammlung wurde den Mitarbeitern ein Konkurrenzunternehmen vorgestellt und in Einzelgesprächen jeweils nahegelegt, ihre Arbeitsverträge mit der Klägerin zu kündigen und identische Neuverträge bei Konkurrenzunternehmen zu gleichen Konditionen abzuschließen.
Die Klägerin verlangt zunächst Auskunft vom Beklagten über die Mitarbeiterversammlung. Sie wirft ihm vor, dass er die Versammlung und die darauffolgenden koordinierten Mitarbeiterkündigungen gesteuert oder zumindest geduldet habe. Zudem habe er am Übergang von Kunden auf die Wettbewerber mitgewirkt.
Während die Berufung vom OLG Frankfurt noch mit der Begründung zurückgewiesen wurde, die klagende GmbH habe nicht konkret dargelegt, ob und auf welche Weise der ehemalige Geschäftsführer an der Mitarbeiterversammlung beteiligt war und hiervon Kenntnis hatte, drang die Klägerin beim BGH durch. Der BGH verwies den Rechtsstreit an das OLG Frankfurt aus den folgenden Gründen zurück:
- Darlegungs- und Beweislast der GmbH: Die Gesellschaft trägt im Rechtsstreit um Schadensersatzansprüche gegen ihren Geschäftsführer gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG die Darlegungs- und Beweislast nur dafür, dass und inwieweit ihr durch ein Verhalten des Geschäftsführers in dessen Pflichtenkreis ein Schaden erwachsen ist. Die Gesellschaft kann ihre Behauptungen sogar auf lediglich vermutete Tatsachen stützen, wenn zumindest greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts vorliegen. Es war hier nach Ansicht des BGH (anders noch das OLG Frankfurt) nicht erforderlich, dass die GmbH hier konkret darlegte, ob und auf welche Weise der Beklagte an der Mitarbeiterversammlung beteiligt war. Als juristische Person, die von ihrem Geschäftsführer verwaltet wird und durch ihn handelt, habe sie gar keine eigene Handhabe hinsichtlich solcher Umstände, die im Einflussbereich ihres Geschäftsführers liegen.
- Darlegungs- und Beweislast des (ehemaligen) Geschäftsführers: Hingegen hat der Geschäftsführer darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass er seinen Sorgfaltspflichten gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG nachgekommen ist, ihn kein Verschulden trifft oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre.
- (Nachvertragliche) Auskunftspflicht des Geschäftsführers: Der Geschäftsführer einer GmbH ist gegenüber der Gesellschaft zur Auskunftserteilung verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch nach der Abberufung des Geschäftsführers und Beendigung des Geschäftsführeranstellungsvertrags fort.
- Voraussetzung und Umfang der Auskunftspflicht: Die Auskunfts- und Rechenschaftspflicht nach § 666 BGB setzt nicht voraus, dass die Gesellschaft die begehrte Information zur Vorbereitung von Schadensersatzansprüchen benötigt. Vielmehr genügt bereits ein allgemeines Interesse der Gesellschaft (oder ihrer Gesellschafter), die Tätigkeit des Geschäftsbesorgers zu kontrollieren. Inhalt und Grenzen der Auskunftspflicht müssen sich hierbei allerdings stets auf das konkrete Rechtsverhältnis beziehen und sich am Maßstab der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit orientieren. Danach besteht auch die (nachvertragliche) Auskunftspflicht des Geschäftsführers nicht uneingeschränkt, sondern hängt maßgeblich vom Informationsbedürfnis der Gesellschaft ab. Bei einer Auskunft, die ein Schadensersatzbegehren gegen den Geschäftsführer vorbereiten soll, ergibt sich das Interesse der GmbH aus einem begründeten Verdacht einer Pflichtverletzung und der Wahrscheinlichkeit eines daraus resultierenden Schadens. Die Auskunftspflicht des Geschäftsführers wird auch nicht dadurch eingeschränkt, dass der Geschäftsführer mit der verlangten Auskunft eine Pflichtverletzung offenbaren würde.
Praxistipp
Der Beschluss des BGH gibt wertvolle Hinweise bezüglich der prozessualen Anforderungen eines Gerichts an die Darlegungs- und Beweislast einer GmbH gegen ihren (ehemaligen) Geschäftsführer. So reicht der begründete Verdacht eines möglicherweise pflichtwidrigen Verhaltens des Geschäftsführers aus, wenn es dafür greifbare Anhaltspunkte (wie etwa hier die Teilnahme an einer Mitarbeiterversammlung) gibt. Es darf von der Gesellschaft insbesondere kein Vortrag zu Tatsachen verlangt werden, die außerhalb ihres tatsächlichen Einflussbereichs und damit im Einflussbereich ihres Geschäftsführers liegen.
Zudem ist mit dem Beschluss nun höchstrichterlich geklärt, dass der GmbH auch gegen ihren ausgeschiedenen Geschäftsführer Ansprüche auf Auskunft zustehen können.