OLG Frank­furt am Main:
Unwirk­sam­keit einer Chan­ge of Con­trol-Klau­sel in Pachtvertrag-AGB

Ent­schei­dung

Das OLG Frank­furt a.M. (Urteil vom 21.02.2025 – 2 U 35/24) stuft eine in einem Pacht­ver­trag ver­wen­de­te Chan­ge-of-Con­trol-Klau­sel, die einen Gesell­schaf­ter­wech­sel der Über­las­sung an Drit­te gleich­stellt und von der Zustim­mung des Ver­päch­ters abhän­gig macht, als eine unwirk­sa­me All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gung ein, da sie den Päch­ter unan­ge­mes­sen benachteiligt.


Hin­ter­grund

Die Klä­ger ver­lan­gen die Räu­mung und Her­aus­ga­be von Hotel­räu­men, die sie der beklag­ten GmbH ver­trag­lich zur Ver­fü­gung gestellt hat­ten. Als Ver­trags­ur­kun­de nutz­ten die Par­tei­en einen For­mu­lar­vor­druck eines Haus- und Grund­stücks­ver­eins, der vor­sah, dass der Mie­ter“ ohne Ein­wil­li­gung des Ver­mie­ters“ nicht zur Unter­ver­mie­tung oder sons­ti­gen Gebrauchs­über­las­sung an Drit­te berech­tigt sei. Zudem beinhal­te­te der Ver­trag eine Klau­sel, wonach bei Fir­men ein Wech­sel des Inha­bers oder der Rechts­form eine zustim­mungs­be­dürf­ti­ge Gebrauchs­über­las­sung dar­stell­te (sog. Chan­ge-of-Con­trol-Klau­sel). Der frü­he­re Geschäfts­füh­rer und Allein­ge­sell­schaf­ter der Beklag­ten über­trug sei­ne Geschäfts­an­tei­le in der Fol­ge an den jet­zi­gen Geschäfts­füh­rer und Allein­ge­sell­schaf­ter, ohne dies den Klä­gern anzu­zei­gen. Die­se kün­dig­ten nach Kennt­nis­er­lan­gung das Ver­trags­ver­hält­nis unter Beru­fung auf den nicht zuge­stimm­ten Change-of-Control.

Das Land­ge­richt gab der Kla­ge statt. Ins­be­son­de­re sah es in der Chan­ge-of-Con­trol-Klau­sel eine übli­che Geschäfts­be­din­gung, die die Beklag­te nicht unan­ge­mes­sen benach­tei­li­ge. Die hier­ge­gen gerich­te­te Beru­fung der Beklag­ten zum OLG Frank­furt a.M. („OLG“) hat­te Erfolg und führ­te zur Abwei­sung der Klage.


Ent­schei­dungs­grün­de

Nach dem OLG han­delt es sich um einen Pacht­ver­trag, der man­gels Vor­lie­gens eines Kün­di­gungs­grun­des nicht been­det sei.

Die Chan­ge-of-Con­trol-Klau­sel, wonach der Wech­sel des Inha­bers einer Fir­ma“ der Gebrauchs­über­las­sung an Drit­te gleich­stellt ist, legt das OLG der­ge­stalt aus, dass mit dem Inha­ber­wech­sel“ der Aus­tausch des Ver­trags­part­ners gemeint sei. Weder der Aus­tausch des Geschäfts­füh­rers noch die Ände­rung der Gesell­schaf­ter begrün­den indes einen Wech­sel in der Per­son des Päch­ters. Folg­lich lie­ge kein Fall einer (unbe­fug­ten) Gebrauchs­über­las­sung an Drit­te vor, die die Klä­ger zur außer­or­dent­li­chen Kün­di­gung nach § 581 Abs. 2 i.V.m. §§ 540, 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB berech­tigt hätten.

Auch sei kein wich­ti­ger Kün­di­gungs­grund i.S.d. § 543 Abs. 1 BGB gege­ben. Die Chan­ce-of-Con­trol-Klau­sel“, die das OLG als All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gung i.S.d. §§ 305 ff. BGB („AGB“) ein­stuft, benach­tei­li­ge die Beklag­te unan­ge­mes­sen, da sie sich als eine über das gesetz­li­che Leit­bild des § 540 Abs. 1 BGB hin­aus­ge­hen­de unwirk­sa­me Pflich­te­n­er­wei­te­rung her­aus­stellt. Die Beklag­te bedurf­te folg­lich kei­ner Zustim­mung durch die Kläger.

Weit gefass­te Chan­ge-of-Con­trol-Klau­seln in Miet- oder Pacht­ver­trä­gen sei­en auf­grund unan­ge­mes­se­ner Benach­tei­li­gung des Ver­trags­part­ners grund­sätz­lich unwirk­sam. Dies tref­fe nach dem OLG auch auf die hie­si­ge Klau­sel zu. Für die grund­sätz­li­che AGB-Unwirk­sam­keit sol­cher Klau­seln spre­chen nach Ansicht des OLG fol­gen­de Aspekte:

  • Schutz­aspekt: Der Vermieter/​Verpächter ist bereits durch die Über­las­sung der Miet-/Pacht­sa­che zu einem bestimm­ten Zweck vor einer unab­ge­stimm­ten Ver­wen­dung durch den Mieter/​Pächter sowie durch das miet­recht­li­che Kün­di­gungs­re­gime hin­rei­chend geschützt.
  • For­ma­ler-juris­ti­scher Aspekt: Durch einen Kon­troll­wech­sel ändert sich der Ver­trags­part­ner nicht.
    Gesell­schafts­recht­li­cher Aspekt: Der AGB-Ver­wen­der hat i.d.R. kein beson­de­res Inter­es­se an bestimm­ten gesell­schafts­recht­li­chen Ver­hält­nis­sen inner­halb des Vertragspartners.
  • Vor­her­seh­bar­keit: Der Vermieter/​Verpächter muss bei einem Abschluss eines Miet- oder Pacht­ver­trags mit einer Kapi­tal­ge­sell­schaft mit einem Gesell­schaf­ter­wech­sel rech­nen. Ein sol­cher ist für ihn vorhersehbar.
  • Feh­len­des Kon­troll­in­ter­es­se: Die Annah­me eines Kon­troll­in­ter­es­ses des Vermieters/​Verpächters bei jeg­li­chem Wech­sel im Gesell­schaf­ter­be­stand oder der Geschäfts­füh­rung der Mieterin/​Pächterin geht zu weit.

Das OLG stellt zudem klar, dass eine Aus­nah­me vom Grund­satz der AGB-Unwirk­sam­keit nur in engen Gren­zen mög­lich sei, ins­be­son­de­re dann, wenn der Vermieter/​Verpächter an einer bestimm­ten Per­son des Mieters/​Pächters ein beson­de­res Inter­es­se hat. Ein sol­ches Inter­es­se käme bei juris­ti­schen Per­so­nen als Mieter/​Pächter jedoch kaum jemals in Betracht, so das OLG.

Die außer­or­dent­li­che Kün­di­gung ging somit ins Leere.


Pra­xis­hin­weis

Die AGB-Fes­tig­keit von Chan­ge-of-Con­trol-Klau­seln in Miet- und Pacht­ver­trä­gen ist bis­her nicht abschlie­ßend höchst­rich­ter­lich geklärt, wor­auf das OLG hin­weist. Inso­fern schließt es sich Lite­ra­tur­stim­men an, die weit gefass­te Chan­ge-of-Con­trol-Klau­seln in Miet- oder Pacht­ver­trä­gen als grund­sätz­lich unwirk­sam erach­ten. Für Vermieter/​Verpächter folgt hier­aus: Wol­len sie den Bestand von Ver­trags­ver­hält­nis­sen mit Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten als Mieter/​Pächter an bestimm­te natür­li­che Per­so­nen knüp­fen, soll­ten sie dies indi­vi­du­al­ver­trag­lich regeln. Das OLG stellt hier­für lehr­buch­ar­tig dar, wel­che Anfor­de­run­gen die Recht­spre­chung an das erfor­der­li­che Aus­han­deln“ der Indi­vi­du­al­be­stim­mung stellt.

Das Urteil macht dar­über hin­aus deut­lich, dass Ver­mie­ter bzw. Ver­päch­ter gehal­ten sind, bei der Ver­wen­dung von Ver­trags­mus­tern aus dem Inter­net beson­de­re Sorg­falt wal­ten zu las­sen. Selbst bei ein­ma­li­ger oder nicht regel­mä­ßi­ger Nut­zung besteht die Gefahr, dass sol­che For­mu­la­re der Inhalts­kon­trol­le gemäß § 307 BGB unter­lie­gen. Die Gene­ral­klau­sel fin­det auch im unter­neh­me­ri­schen Ver­kehr Anwen­dung. Es emp­fiehlt sich daher drin­gend, Stan­dard­ver­trä­ge im Vor­feld recht­lich über­prü­fen und gege­be­nen­falls anpas­sen zu las­sen.

Für Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten in der Rol­le als Mie­ter oder Päch­ter bedeu­tet die Ent­schei­dung eine Stär­kung der Rechts­si­cher­heit und der gesell­schafts­recht­li­chen bzw. unter­neh­me­ri­schen Hand­lungs­frei­heit – ins­be­son­de­re bei inter­nen Umstruk­tu­rie­run­gen. Etwa­ige Unsi­cher­hei­ten hin­sicht­lich mög­li­cher Rechts­fol­gen eines Gesell­schaf­ter­wech­sels oder einer Ände­rung in der Geschäfts­füh­rung auf bestehen­de, für den Geschäfts­be­trieb essen­zi­el­le Miet- oder Pacht­ver­hält­nis­se wer­den dadurch redu­ziert. Dies gilt vor allem bei bereits ange­spann­ten Ver­trags­ver­hält­nis­sen mit Ver­mie­tern oder Ver­päch­tern.

Chan­ge-of-Con­trol-Klau­seln fin­den sich in diver­sen unter­neh­me­ri­schen Ver­trags­be­zie­hun­gen, so etwa in Finanzierungs‑, Ver­triebs- und Lizenz­ver­trä­gen. Ob sich die Aus­füh­run­gen des OLG zur man­geln­den AGB-Fes­tig­keit von Chan­ge-of-Con­trol-Klau­seln auch auf sol­che Ver­trags­kon­stel­la­tio­nen über­tra­gen las­sen, lässt sich nicht abschlie­ßend sagen. Soweit das OLG argu­men­tiert, das bei Ver­trags­ver­hält­nis­sen mit Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten grund­sätz­lich von der Mög­lich­keit eines Gesell­schaf­ter­wech­sels aus­zu­ge­hen sei, folgt dies unmit­tel­bar aus der gesell­schafts­recht­li­chen Grund­struk­tur der GmbH, nament­lich der frei­en Über­trag­bar­keit von Geschäfts­an­tei­len nach § 15 Abs. 1 GmbHG. Inso­fern han­delt es sich um ein Argu­ment, das an einem struk­tu­rel­len Merk­mal der GmbH anknüpft, so dass es grund­sätz­lich auf ande­re Kon­stel­la­tio­nen über­trag­bar erscheint. Im Gegen­satz dazu beruht das zwei­te Kern­ar­gu­ment – die Annah­me eines bereits aus­rei­chen­den gesetz­li­chen Schut­zes des Ver­mie­ters – auf den spe­zi­el­len Schutz­me­cha­nis­men des Miet­rechts, was gegen eine unein­ge­schränk­te Ver­all­ge­mei­ne­rung spricht.

Das OLG nimmt auch Bezug auf ein Urteil eines ande­ren Senats des­sel­ben Gerichts zur Kon­zes­si­ons­ver­ga­be im Bereich der Ener­gie­ver­sor­gung (vgl. OLG Frank­furt a.M., Urteil vom 03.11.2017 – 11 U 51/17). Dort wur­de eine Chan­ge-of-Con­trol-Klau­sel für zuläs­sig erach­tet, da in Sach­ver­hal­ten mit sys­tem­re­le­van­tem Cha­rak­ter und mit typi­scher­wei­se lan­gen Ver­trags­lauf­zei­ten ein berech­tig­tes Inter­es­se der poli­tisch Ver­ant­wort­li­chen bestehe, bei Ände­rung der wirt­schaft­li­chen Iden­ti­tät des Ver­trags­part­ners schnell reagie­ren zu kön­nen. In der hie­si­gen Ent­schei­dung sieht das OLG jedoch kei­ne Abwei­chung von der zitier­ten Recht­spre­chung. Viel­mehr weist das OLG aus­drück­lich dar­auf hin, dass es sich bei der dor­ti­gen Ent­schei­dung um einen Son­der­fall“ han­del­te, der zudem nicht mit dem vor­aus­zu­se­hen­den Gesell­schaf­ter- oder Geschäfts­füh­rer­wech­sel in einem gewöhn­li­chen Pacht­ver­hält­nis ver­gleich­bar sei. Der aus­drück­li­che Hin­weis auf den Son­der­fall“ legt nahe, dass das OLG die AGB-recht­li­chen Erwä­gun­gen der hie­si­gen Ent­schei­dung in der Ten­denz als auf ande­re Fäl­le über­trag­bar ein­stuft.

Die Ent­schei­dung ver­deut­licht, dass Chan­ge-of-Con­trol-Klau­seln in AGB – unge­ach­tet ihrer gän­gi­gen Ver­wen­dung – wei­ter­hin ein erheb­li­ches Risi­ko­po­ten­zi­al bergen.

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