Übertragung von Geschäftsanteilen an Arbeitnehmer –
Folgen für die Lohnbesteuerung
In der Start-up-Szene sind Mitarbeiterbeteiligungsprogramme weit verbreitet. Dies kann neben (virtuellen) Anteilen auch (virtuelle) Aktienoptionen am Arbeitgeberunternehmen betreffen. Die Übertragung von diesen Optionen oder Geschäftsanteilen birgt in der Praxis einige Tücken.
Dem Grunde nach handelt es sich bei der verbilligten oder unentgeltlichen Ausgabe von Unternehmensanteilen an Mitarbeiter um steuerpflichtigen Arbeitslohn. Der im Grundsatz steuerpflichtige Lohn ist der Differenzwert zwischen dem (Markt-)wert der Geschäftsanteile und dem vom Mitarbeiter bezahlten „Kaufpreis“ im Zeitpunkt der Ausgabe (bei Aktienoptionen können die Reglungen abweichen). Da der Mehrwert für den Arbeitnehmer zumeist erst in einem zukünftigen Exit-Ereignis (zum Beispiel Verkauf der Unternehmensanteile) liegt, hat dies in der Vergangenheit im Zeitpunkt der Übertragung zu einer Lohnsteuerbelastung geführt, obwohl dem Arbeitnehmer (noch) kein Geld zufließt (sog. „dry income“).
Neben der neuen gesetzlichen Möglichkeit zur Lohnsteuerstundung werden in einigen Fällen Modelle erarbeitet, bei denen zwar echte Geschäftsanteile an Mitarbeiter übertragen werden sollen, die Mitarbeiter jedoch lediglich an künftigen Wertsteigerungen des Unternehmens teilhaben sollen (Anreize für weitere Mitarbeit).
Lohnsteuervermeidung durch sog. „negative Liquidationspräferenz“
Erreicht werden kann dies über sogenannte „negative Liquidationspräferenzen“. Dies bedeutet, dass im Fall von zukünftigen Gewinnausschüttungen, Exit-Erlösen, Liquidationsfällen oder sonstigen Vermögensübertragungen (Umwandlungen o.Ä.) die Altgesellschafter vorab den Anteil am Unternehmenswert erhalten, der im Zeitpunkt der Übertragung der Geschäftsanteile an die Mitarbeiter schon bestand. Die Mitarbeiter (Neugesellschafter) partizipieren nur an der Wertsteigerung ab Übernahme der Anteile.
Beispiel: Die Gesellschafter der Müller GmbH („Altgesellschafter“) möchten 10 % der Geschäftsanteile an einen führenden Mitarbeiter (Fremdgeschäftsführer Meier) unentgeltlich übertragen. Der Unternehmenswert im Zeitpunkt der Übertragung beträgt 1 Mio. Euro. Der auf die an Herrn Meier zu übertragenden Geschäftsanteile entfallende Unternehmenswert beträgt 100.000 Euro (10 % x 1 Mio. Euro).
Im Rahmen der Übertragung wird zugunsten der Altgesellschafter vereinbart, dass diese zunächst bei zukünftigen Ausschüttungen, Exit-Ereignissen oder sonstigen vergleichbaren Rechtshandlungen solange auch aus diesen 10%igen Anteilen (von Herrn Meier) Geld bekommen, bis 100.000 Euro erreicht sind. Sobald der Betrag amortisiert ist, werden Ausschüttung oder Exit-Erlös-Verteilungen entsprechend der Geschäftsanteile (90 % Altgesellschafter, 10 % Herr Meier) vorgenommen.
Für solche – aus steuerlicher Sicht – disquotalen Gewinnausschüttungen muss die GmbH-Satzung hinsichtlich einer vorhandenen Klausel überprüft bzw. ggf. angepasst werden.
Neben der Wertsicherung für die Altgesellschafter ist ein weiterer Vorteil von solchen negativen Liquidationspräferenzen, dass die im Zeitpunkt der Übertragung (Zeitpunktbetrachtung) an die Arbeitnehmer übertragenen Geschäftsanteile wirtschaftlich keinen Wert für den Arbeitnehmer haben, da dem Wert der Anteile eine gleich hohe Schuld (Auskehrung/Vorzug an die Altgesellschafter) gegenübersteht. Der relevante Wert ergibt sich erst mit der ab dann eintretenden Steigerung des Unternehmenswerts (durch weitere Mitarbeit des Arbeitnehmers).
Fraglich ist, ob dies auch die Lohnbesteuerung vermeiden kann. Dies ist aus unserer Sicht zu bejahen, da die Arbeitnehmer mit Erhalt der Anteile zwar einen „Zufluss“ haben, der Wert dieses Zuflusses aber mit Null anzusetzen ist. Diese Sichtweise wurde in Einzelfällen im Rahmen von Lohnsteueranrufungsauskünften bestätigt. Rechtsprechung oder Verwaltungsanweisung gibt es hierzu nicht.
Praxishinweis
Die bewusste Gestaltung einer negativen Liquidationspräferenz kann – neben der gesetzlichen Neuregelung des § 19a EStG – eine interessante Möglichkeit sein, Arbeitnehmern echte Gesellschaftsanteile zu übertragen, ohne dass schon bei der Übertragung Lohnsteuer anfällt. Da dieses Modell in der Praxis noch nicht ausgeprägt ist und es hierzu keine gefestigte Verwaltungsauffassung gibt, sollte dies immer mit einer verbindlichen Lohnsteueranrufungsauskunft abgesichert werden. Hierfür ist seitens der Finanzverwaltung entsprechende Bearbeitungszeit einzuplanen.