BGH:
Scha­dens­er­satz des GmbH-Allein­ge­sell­schaf­ters bei Mietmangel

Nach dem KG Ber­lin (Urteil vom 11.01.2021 – U 32/19) hat sich nun der BGH (Urteil vom 29.06.2022 – XII ZR 6/21) mit der Zuord­nung von Scha­dens­er­satz­an­sprü­chen bei Zah­lungs­aus­fäl­len des Allein­ge­sell­schaf­ters einer GmbH beschäf­tigt. Anders als das KG ent­schied der BGH zuguns­ten des Alleingesellschafters.


Hin­ter­grund

Die Klä­ge­rin (GmbH; Mut­ter­ge­sell­schaft) ist Allein­ge­sell­schaf­te­rin einer gemein­nüt­zi­gen GmbH (Toch­ter­ge­sell­schaft) und Pro­jekt­ent­wick­le­rin für Bil­dungs­maß­nah­men. Sie mie­te­te Büro­räu­me von der Beklag­ten an, um dort Schu­lun­gen durch­zu­füh­ren zu las­sen. Die Toch­ter­ge­sell­schaft war von der öffent­li­chen Auf­trags­ver­wal­tung mit der Durch­füh­rung von Schu­lun­gen beauf­tragt wor­den. Sie wie­der­um gab die­sen Auf­trag an die Klä­ge­rin (ihre Mut­ter­ge­sell­schaft) im Rah­men einer Unter­be­auf­tra­gung wei­ter. Der zwi­schen der Toch­ter­ge­sell­schaft und der Klä­ge­rin geschlos­se­ne Schu­lungs­ver­trag sah vor, dass die Klä­ge­rin für die Durch­füh­rung der Schu­lun­gen eine fest­ge­leg­te Ver­gü­tung von der Toch­ter­ge­sell­schaft erhält. Dar­über hin­aus war auch ein außer­or­dent­li­ches Kün­di­gungs­recht der Toch­ter­ge­sell­schaft vor­ge­se­hen, wenn Schu­lungs­maß­nah­men in einem bestimm­ten Umfang über einen bestimm­ten Zeit­raum von der Klä­ge­rin nicht erbracht wer­den. In die­sen Fäl­len sah der Schu­lungs­ver­trag auch eine Ver­trags­stra­fen­klau­sel zu Las­ten der Klä­ge­rin vor.

Mit­te Okto­ber 2016 rüg­te die Toch­ter­ge­sell­schaft gegen­über der Klä­ge­rin den Aus­fall von Schu­lun­gen. Die Klä­ge­rin rekla­mier­te dar­auf­hin gegen­über der Haus­ver­wal­tung der Beklag­ten eine zu nied­ri­ge Raum­tem­pe­ra­tur in den Schu­lungs­räu­men und for­der­te die­se unter Frist­set­zung zur Män­gel­be­sei­ti­gung auf. In der Fol­ge kün­dig­te die Toch­ter­ge­sell­schaft der Klä­ge­rin den Schu­lungs­ver­trag außer­or­dent­lich mit der Begrün­dung des Aus­falls von Schu­lun­gen, weil die Räu­me nicht aus­rei­chend beheiz­bar waren.

Mit ihrer Kla­ge macht die Klä­ge­rin gegen­über der Beklag­ten Scha­dens­er­satz für die man­gel­be­dingt aus­ge­fal­le­nen Schu­lun­gen und in der Fol­ge unter­blie­be­ner Zah­lun­gen ihrer Toch­ter­ge­sell­schaft gel­tend. Dar­über hin­aus ver­lang­te sie Scha­dens­er­satz für die Frei­stel­lung von der Vertragsstrafe.

  1. Der BGH stellt zunächst klar, dass es bei der Durch­füh­rung eines Gesamt­ver­mö­gens­ver­gleichs für die Berech­nung des Scha­dens­er­sat­zes grund­sätz­lich auf das Ver­mö­gen des Geschä­dig­ten, nicht aber das­je­ni­ge Drit­ter ankommt. Gesell­schaft und Gesell­schaf­ter sind hier­bei regel­mä­ßig als im Rah­men der scha­dens­recht­li­chen Beur­tei­lung selb­stän­di­ge Zuord­nungs­sub­jek­te zu behan­deln. Daher wäre im vor­lie­gen­den Fall nur die Ver­mö­gens­la­ge der Klä­ge­rin maßgeblich.
  2. Aus­drück­lich ver­weist der Senat auf das so genann­te Tren­nungs­prin­zip gem. § 13 Abs. 1 und 2 GmbHG. Danach sind die Ver­mö­gens­mas­sen der Toch­ter­ge­sell­schaft und der Klä­ge­rin (als deren Allein­ge­sell­schaf­te­rin) streng zu unter­schei­den. Es sei damit für die Fra­ge des Vor­lie­gens eines Scha­dens der Klä­ge­rin uner­heb­lich, ob der Toch­ter­ge­sell­schaft eben­falls ein Scha­den ent­stan­den ist.
  3. Unter bestimm­ten Umstän­den lässt der BGH eine Durch­bre­chung des Tren­nungs­prin­zips zu: Näm­lich dann, wenn ein Allein­ge­sell­schaf­ter von einem Drit­ten schuld­haft geschä­digt wird und der Scha­den an sei­nem Son­der­ver­mö­gen“ – dem sei­ner Gesell­schaft – ein­tritt. Hier kann bei der Bemes­sung des Scha­dens des Allein­ge­sell­schaf­ters der bei der Gesell­schaft ent­stan­de­ne Scha­den als Pas­siv­pos­ten des Gesell­schafts­ver­mö­gens in die Scha­dens­be­rech­nung über das Ver­mö­gen des Allein­ge­sell­schaf­ters ein­be­zo­gen werden.
  4. Aus die­ser Recht­spre­chung kann aber nach Ansicht des Senats – und damit anders als das KG Ber­lin ange­nom­men hat­te – nicht der Umkehr­schluss gezo­gen wer­den, dass ein Scha­den des Allein­ge­sell­schaf­ters einer GmbH aus­schei­de, wenn kein ent­spre­chen­der Scha­den im Gesell­schafts­ver­mö­gen der (Tochter-)GmbH ein­ge­tre­ten sei.
  5. Bei einem Scha­dens­er­satz­an­spruch des Mie­ters, der Allein­ge­sell­schaf­ter einer GmbH ist und der auf einen Miet­man­gel gestützt wird, kommt es also auch dann nur auf sei­ne Ver­mö­gens­la­ge und nicht auf die sei­ner“ GmbH an, wenn der Scha­den aus einem Auf­trags­ver­hält­nis resul­tiert, bei dem die (Tochter-)GmbH Auf­trag­ge­be­rin und der Allein­ge­sell­schaf­ter Auf­trag­neh­mer ist. Die­se Grund­sät­ze gel­ten auch dann, wenn es sich bei der Toch­ter­ge­sell­schaft um eine gemein­nüt­zi­ge GmbH handelt.


Pra­xis­hin­weis

Der BGH erteilt den Schluss­fol­ge­run­gen des KG eine deut­li­che Absa­ge. Ein­mal mehr macht der Senat deut­lich, dass die Unab­hän­gig­keit der Rechts­trä­ger und die ver­schie­de­nen Ver­mö­gens­mas­sen von GmbH und ihrem Gesell­schaf­ter – sei es auch nur eine Allein­ge­sell­schaf­te­rin – bei einer Prü­fung von Scha­dens­er­satz­an­sprü­chen beach­tet wer­den müssen. 

Bei der Ver­trags­stra­fe hät­te die Beklag­te auch ein­wen­den kön­nen, dass die an die Toch­ter­ge­sell­schaft gege­be­nen­falls zu leis­ten­de Ver­trags­stra­fe das Ver­mö­gen der Klä­ge­rin im Ergeb­nis nicht belas­tet. Für die Pra­xis wären Aus­füh­run­gen zu der Fra­ge der Vor­teils­aus­glei­chung in die­ser Kon­stel­la­ti­on inter­es­sant gewe­sen. Die­se Fra­ge brauch­te der BGH aller­dings nicht zu ent­schei­den, da von der Beklag­ten hier­zu nichts vor­ge­tra­gen wurde.

Die Grund­sät­ze zur Scha­dens­be­rech­nung dürf­ten auch in ande­ren Kon­stel­la­tio­nen, in denen kein Auf­trags­ver­hält­nis und Miet­ver­hält­nis zwi­schen Gesell­schaf­ter und Gesell­schaft vor­liegt, Gel­tung bean­spru­chen. Bei einer Allein­ge­sell­schaf­te­rin (eben­falls eine juris­ti­sche Per­son) und Mut­ter­ge­sell­schaft muss nicht zwangs­läu­fig auch ein Scha­den bei der Toch­ter­ge­sell­schaft vor­lie­gen, damit die­se Scha­dens­er­satz­an­sprü­che gel­tend machen kann. Die­se Klar­stel­lung ist eine Wei­ter­ent­wick­lung der Recht­spre­chung zum Scha­dens­er­satz­recht in gesell­schafts­recht­li­chen Kon­stel­la­tio­nen, in denen eine Toch­ter­ge­sell­schaft ledig­lich eine Mut­ter­ge­sell­schaft und Allein­ge­sell­schaf­te­rin hat.

Bei der Gel­tend­ma­chung der Ver­trags­stra­fe dürf­te auch der Hin­weis des Senats zu beach­ten sein, dass im Rah­men eines Gesamt­ver­mö­gens­ver­gleichs unter Umstän­den eine Anrech­nung im Wege des Vor­teils­aus­gleichs und damit eine Scha­dens­min­de­rungs­pflicht vor­lie­gen kann.

Die­ser Bei­trag wur­de in ähn­li­cher Form auch in der NZG 2022, 1552 veröffentlicht.

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