BGH:
Kein Abzug neu für alt“ bei Anspruch auf Nach­bes­se­rung und Scha­dens­er­satz einer man­gel­haf­ten Sache

Ent­schei­dung

Der BGH (Urteil vom 13.05.2022 – V ZR 231/20) hat sich zu der Fra­ge geäu­ßert, ob und in wel­chem Umfang eine Vor­teils­aus­glei­chung für Wert­zu­wäch­se bei einem kauf­recht­li­chen Scha­dens­er­satz wegen Nicht­er­fül­lung erfol­gen muss.


Hin­ter­grund

Die Klä­ger hat­ten im Herbst 2010 von den Beklag­ten ein Grund­stück gekauft, das mit einem im Jah­re 1979 errich­te­ten Rei­hen­haus bebaut war. Die Haf­tung für Sach­män­gel wur­de ver­trag­lich aus­ge­schlos­sen. Bereits im Jahr 2002 war im Kel­ler des Rei­hen­hau­ses Schwarz­schim­mel auf­ge­tre­ten. Ein Sach­ver­stän­di­ger erkann­te eine Feuch­tig­keit in den Kel­ler­wän­den, die vor­nehm­lich auf einer man­gel­haf­ten Abdich­tung der Wän­de beruh­te. Die Klä­ger stell­ten im Jahr 2013 eben­falls eine Durch­feuch­tung der Kel­ler­wän­de fest und waren der Auf­fas­sung, die Beklag­ten hät­ten den Feuch­tig­keits­scha­den bzw. die man­gel­haf­te Abdich­tung des Kel­lers arg­lis­tig ver­schwie­gen. Sie for­der­ten unter ande­rem Kos­ten­er­stat­tung für eine neue Kel­ler­ab­dich­tung. Arbei­ten zur Her­stel­lung einer neu­en man­gel­frei­en Kel­ler­ab­dich­tung wur­den bis­lang noch nicht durchgeführt.

Der BGH bestä­tigt zunächst die Auf­fas­sung des Beru­fungs­ge­richts, dass die Höhe des Scha­dens anhand der Kos­ten der Her­stel­lung einer man­gel­frei­en Kel­ler­wand­ab­dich­tung auch dann berech­net wer­den kann, wenn die hier­für erfor­der­li­chen Arbei­ten noch nicht aus­ge­führt wur­den. Denn der kauf­ver­trag­li­che Anspruch auf Scha­dens­er­satz statt der Leis­tung (klei­ner Scha­dens­er­satz) gem. § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1, 3, § 281 BGB kann anhand der vor­aus­sicht­lich erfor­der­li­chen, aber (noch) nicht auf­ge­wen­de­ten („fik­ti­ven“) Män­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten gel­tend gemacht werden.

Anders als das Beru­fungs­ge­richt ent­schied der Senat hin­sicht­lich der Fra­ge, ob die Klä­ger einen Abzug neu für alt“ bei der Berech­nung der Höhe des Scha­dens­er­sat­zes gegen sich gel­ten las­sen müssen:

  1. Ver­mö­gens­vor­tei­le, die erst durch die Ersatz­leis­tung des Schä­di­gers ent­ste­hen, kön­nen nach den all­ge­mei­nen Regeln über einen Abzug neu für alt“ aus­zu­glei­chen sein. Steht der zu Scha­dens­er­satz wegen Nicht­er­fül­lung berech­tig­te Gläu­bi­ger infol­ge der Ersatz­leis­tung bes­ser, als er bei ord­nungs­ge­mä­ßer Erfül­lung der nicht erbrach­ten Leis­tung stün­de, so ist die­se Dif­fe­renz grund­sätz­lich auszugleichen.
  2. Der Scha­dens­er­satz­an­spruch soll dem Geschä­dig­ten einer­seits vol­len Aus­gleich ver­schaf­fen, ihn ande­rer­seits aber nicht berei­chern. Die­ses zwei­te Ziel gebie­tet einen Abzug neu für alt“, wenn damit nicht in unzu­mut­ba­rer Wei­se in das ers­te Ziel des vol­len Aus­gleichs ein­ge­grif­fen wird.
  3. Aus­drück­lich stellt der BGH dar, dass die Grund­sät­ze des Abzugs neu für alt“ auf einen kauf­recht­li­chen Scha­dens­er­satz­an­spruch wegen Nicht­er­fül­lung nach dem seit dem 01.01.2002 gel­ten­den Recht nicht ohne wei­te­res über­tra­gen wer­den kön­nen. Denn anders als nach dem bis­he­ri­gen Recht gehört nun­mehr die Man­gel­frei­heit der Kauf­sa­che zur Leis­tungs­pflicht des Ver­käu­fers (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB).
  4. Gegen­stand des Nach­er­fül­lungs­an­spruchs ist nicht die erst­ma­li­ge Lie­fe­rung der man­gel­frei­en Sache, son­dern die Her­stel­lung ihrer Man­gel­frei­heit durch Nachbesserung/​Ersatz­lie­fe­rung. Unter Umstän­den muss der Ver­käu­fer dann eine Leis­tung erbrin­gen, die eine ande­re Qua­li­tät auf­weist als die­je­ni­ge, die er bei man­gel­frei­er Leis­tung erbracht hät­te. Der Käu­fer steht in die­sem Fall bes­ser als bei einer von Anfang an man­gel­frei­en Leis­tung. Muss sich der Käu­fer unter Berück­sich­ti­gung der Grund­zü­ge des Abzugs neu für alt“ bei der kauf­recht­li­chen Nach­er­fül­lung an den Kos­ten der Nach­er­fül­lung betei­li­gen, kann nach Ansicht des BGH für den Scha­dens­er­satz­an­spruch nach § 437 Nr. 3, §§ 280, 281 BGB nichts Ande­res gelten.
  5. Eine abschlie­ßen­de Ent­schei­dung zu der Fra­ge einer Kos­ten­be­tei­li­gung des Käu­fers trifft der BGH nicht. Eine Betei­li­gung an den Kos­ten der Nach­bes­se­rung einer (gebrauch­ten) man­gel­haf­ten Kauf­sa­che nach den Grund­sät­zen eines Abzugs neu für alt“ schei­det aber jeden­falls dann aus, wenn sich sein Vor­teil dar­in erschöpft, dass die Kauf­sa­che durch den zur Man­gel­be­sei­ti­gung erfor­der­li­chen Ersatz eines man­gel­haf­ten Teils durch ein neu­es Teil einen Wert­zu­wachs erfährt oder dass der Käu­fer durch die län­ge­re Lebens­dau­er des ersetz­ten Teils Auf­wen­dun­gen erspart.
  6. Nach Auf­fas­sung des BGH schei­det eine allein an der län­ge­ren Lebens­dau­er des erset­zen Teils anknüp­fen­de sche­ma­ti­sche Berück­sich­ti­gung eines Abzugs neu für alt“ (auch) bei dem Scha­dens­er­satz statt der Leis­tung nach § 437 Nr. 3, §§ 280, 281 BGB aus. Hier­durch wer­de zudem berück­sich­tigt, dass die Scha­dens­er­satz­leis­tung in vie­len Fäl­len der Vor­fi­nan­zie­rung der von dem Ver­käu­fer nicht vor­ge­nom­me­nen und nun durch­zu­füh­ren­den Man­gel­be­sei­ti­gung dient (so genann­te fik­ti­ve Mängelbeseitigungskosten“).
  7. Sowohl der Nach­er­fül­lungs­an­spruch als auch der auf den Ersatz der fik­ti­ven Män­gel­be­sei­ti­gung gerich­te­te Scha­dens­er­satz­an­spruch unter­lie­gen jedoch Gren­zen: Kann der Ver­käu­fer die Nach­er­fül­lung ver­wei­gern, weil sie mit unver­hält­nis­mä­ßi­gen Kos­ten ver­bun­den ist, beschränkt sich der Scha­dens­er­satz­an­spruch des Käu­fers auf den Ersatz des man­gel­be­ding­ten Minderwerts.


Pra­xis­hin­weis

Käu­fer kön­nen sich künf­tig bei Nach­bes­se­run­gen (gebrauch­ter Sachen) und auch im Fal­le der Gel­tend­ma­chung von fik­ti­ven Män­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten dar­auf beru­fen, dass sie sich bestimm­te Vor­tei­le nicht per se anrech­nen las­sen müs­sen. Kein Abzug neu für alt“ erfolgt jeden­falls in den Fäl­len, bei denen der Vor­teil des Käu­fers ledig­lich dar­in besteht, dass die Kauf­sa­che einen Wert­zu­wachs erfährt, weil ein man­gel­haf­tes Teil durch ein neu­es Teil ersetzt wird oder wenn der Käu­fer durch die län­ge­re Lebens­dau­er des ersetz­ten Teils Auf­wen­dun­gen erspart.

Die deut­li­che Ein­schrän­kung des Abzugs neu für alt“ könn­te über die kauf­recht­li­che Nach­bes­se­rung und man­gel­be­ding­te Scha­dens­be­sei­ti­gung hin­aus auch Aus­wir­kun­gen im Ver­si­che­rungs­ver­trags­recht haben. Es bleibt abzu­war­ten, wie die Recht­spre­chung sich hier­zu ent­wi­ckelt und ob künf­tig auch bei Streit­fra­gen zu Ver­trags­klau­seln und AGB im Ver­si­che­rungs­recht (zum Bei­spiel bei einer Kas­ko­ver­si­che­rung für ein KfZ) die Ein­schrän­kun­gen des BGH berück­sich­tigt werden.

KfZ-Haft­pflicht­ver­si­che­run­gen könn­ten das Risi­ko des Aus­falls der Vor­teils­aus­glei­chung bei Wert­zu­wäch­sen in die Ver­si­che­rungs­bei­trä­ge künf­tig mit ein­prei­sen. Gera­de bei Unfall­schä­den und fik­ti­ven Repa­ra­tur­kos­ten gebrauch­ter KfZ dürf­te das The­ma Abzug neu für alt“ also span­nend bleiben.

Die­ser Bei­trag wur­de in ähn­li­cher Form auch in der NZG 2022, 1268 veröffentlicht.

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