BGH:
Keine Pflicht zur Bekanntmachung des Vorstandsberichts zum Bezugsrechtsausschluss in der Einberufung
Entscheidung
Nach dem Urteil des II. Zivilsenats des BGH vom 19.07.2022 – II ZR 103/20 muss der Bericht des Vorstands über die beabsichtigte Ermächtigung zum Ausschluss des Bezugsrechts gemäß § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG nicht entsprechend § 124 Abs. 2 Satz 3 Fall 2 AktG a.F. mit seinem wesentlichen Inhalt bekanntgemacht werden.
Hintergrund
Hintergrund der Entscheidung ist eine Klage von Aktionären einer (nicht börsennotierten) Aktiengesellschaft gegen einen Hauptversammlungsbeschluss der beklagten AG. Diese hatte im Jahr 2016 eine Hauptversammlung einberufen, die als Tagesordnungspunkt unter anderem einen Beschluss zur Ermächtigung des Vorstands zur Ausgabe von Options- und/oder Wandelanleihen, Genussrechten oder Gewinnschuldverschreibungen als Gegenstand vorsah. Das Bezugsrecht der Aktionäre sollte der Vorstand unter bestimmten Bedingungen mit Zustimmung des Aufsichtsrats ausschließen können. Im Vorwege der Hauptversammlung wurde der Vorstandsbericht zum Ausschluss des Bezugsrechts weder vollständig noch mit seinem wesentlichen Inhalt bekanntgegeben. Zwar wurde bei der Einberufung der Hauptversammlung darauf hingewiesen, dass bestimmte Dokumente zur Einsicht in den Geschäftsräumen der Beklagten auslägen und jeder Aktionär eine Abschrift dieser Unterlagen erhalten könne, der Vorstandsbericht fand hierbei jedoch keine ausdrückliche Erwähnung.
Mit ihrer Klage wollten die Kläger den daraufhin gefassten Beschluss der Hauptversammlung für nichtig erklären lassen, da der Vorstandsbericht nach ihrer Auffassung vor der Hauptversammlung hätte bekanntgemacht werden müssen.
Der BGH hat die Klage, ebenso wie die Vorinstanzen, abgewiesen und das Vorgehen der Beklagten somit für rechtmäßig erklärt. Eine Pflicht zur Bekanntmachung des Vorstandsberichts über die Ermächtigung zum Ausschluss der Bezugsrechte bestehe nicht.
Keine Bekanntmachungspflicht entsprechend § 124 Abs. 2 Satz 3 Fall 2 AktG a.F.
Bislang wurde vielfach die Meinung vertreten, dass entsprechend § 124 Abs. 2 Satz 3 Fall 2 AktG a.F. (jetzt: § 124 Abs. 2 Satz 3 Fall 5 AktG) mit der Einberufung der Hauptversammlung, in der über den Ausschluss von Bezugsrechten Beschluss gefasst werden soll, auch der wesentliche Inhalt des Vorstandsberichts bekanntzumachen sei. Die Vorschrift hatte folgenden Wortlaut: „Soll die Hauptversammlung über […] einen Vertrag beschließen, der nur mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam wird, so ist auch […] der wesentliche Inhalt des Vertrags bekanntzumachen.“ Diese für Verträge geltende Bekanntmachungspflicht kann nach dem aktuellen Urteil des BGH aus folgenden Gründen jedoch nicht auf den Vorstandsbericht übertragen werden:
- Der Gesetzgeber habe in den Gesetzen zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG sowie ARUG II) und der damit verbundenen Änderung des Aktiengesetzes keine eigene Regelung betreffend die Pflicht zur Bekanntgabe des Vorstandsberichts in der Einberufung getroffen, obwohl das Bestehen einer solchen seit langer Zeit umstritten ist. Man könne daher nicht von einer planwidrigen Regelungslücke ausgehen.
- Unterschiede zwischen Vertrag und Vorstandsbericht: Zudem widerspreche die Erstreckung der Pflicht auf den Vorstandsbericht dem Sinn und Zweck dieser Norm. Nur im Falle von Verträgen sei eine umfassende Unterrichtung der Aktionäre über deren Inhalt bereits vor der Hauptversammlung erforderlich, da dies zu deren Urteilsbildung nötig sei und ihnen die Möglichkeit eingeräumt werden solle, zu entscheiden, ob ein persönliches Erscheinen zur Hauptversammlung oder die Erteilung von Weisungen gegenüber Vertretern notwendig sind. Dabei komme es auf den Inhalt des Vertrags an, da dieser selbst Gegenstand der Beschlussfassung sei. Der Vorstandsbericht sei hingegen nicht Teil dieser Entscheidung. Er versorge die Aktionäre mit den für die Stimmrechtsausübung notwendigen Informationen, informiere jedoch nicht über den Gegenstand der Beschlussfassung an sich. Das Informationsinteresse der Aktionäre werde bereits durch die ausdrückliche und ordnungsgemäße Bekanntgabe des zu beschließenden Bezugsrechtsausschlusses nach § 186 Abs. 4 Satz 1 AktG gewahrt.
Keine sonstigen Rechtsverstöße
- Eine Bekanntmachungspflicht ergebe sich laut des BGH-Urteils auch nicht aus sonstigen Vorschriften. Insbesondere schreibe § 186 Abs. 4 S. 2 AktG lediglich ein „Zugänglichmachen“ des Berichts vor. Hierzu reicht es aus, wenn den Aktionären während der Hauptversammlung eine Möglichkeit zur Einsicht in den Bericht gegeben wird, etwa durch das Aufstellen von Monitoren oder das Vervielfältigung des Berichtes in Papierform.
- Ein Rechtsverstoß der Beklagten lag darüber hinaus nach Ansicht des BGH auch nicht darin, dass der Vorstandsbericht in der Einberufung zur Hauptversammlung nicht in der Liste der zur Einsicht ausliegenden Dokumente aufgeführt wurde, da die Beklagte auch diesbezüglich keine Pflicht treffe.
Fazit
Der BGH hat mit der Entscheidung eine für die Praxis der Hauptversammlung äußerst relevante Frage geklärt. Der Vorstandsbericht muss hiernach künftig (auch aus Gründen der Vorsicht) nicht mehr in die Einberufung aufgenommen werden. Die Einladung wird dadurch deutlich schlanker.
Unberührt bleibt für die börsennotierte AG allerdings die Pflicht, den Vorstandsbericht vor der Hauptversammlung auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen (§ 124a S. 1 Nr. 3 AktG). Die Internetseite muss in der Einberufung angegeben werden (§ 121 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 AktG). Wie der BGH jedoch ebenfalls klargestellt hat, muss der Vorstandsbericht in der Einberufung nicht explizit als „zugänglich zu machende Unterlagen“ genannt werden.
Offen gelassen hat der BGH, ob der Bericht im Vorfeld der Hauptversammlung in den Geschäftsräumen zur Einsicht der Aktionäre ausgelegt und diesen auf Verlangen abschriftlich zugesandt werden muss (vgl. § 175 Abs. 2 AktG). Die sonstigen Ausführungen lassen eher darauf schließen, dass der BGH dem ablehnend gegenüberstehen dürfte. Die Praxis wird aber weiterhin gut daran tun, den Bericht auszulegen.