OLG Saarbrücken:
Vorschriften über grenzüberschreitende Verschmelzung auf grenzüberschreitenden Formwechsel einer Gesellschaft ergänzend anzuwenden
Entscheidung
Bis zur Umsetzung der EU-Richtlinie zum grenzüberschreitenden Formwechsel (Richtlinie (EU) 2019/2121 vom 27.11.2019) können bestehende deutsche Regelungen zur grenzüberschreitenden Verschmelzung auf einen Formwechsel einer deutschen Gesellschaft in eine EU-ausländische Rechtsform anwendbar und europarechtskonform auszulegen sein (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 07.01.2020 – 5 W 79/19).
Hintergrund
Eine GmbH beabsichtigte den Wechsel in die Rechtsform einer französischen Kapitalgesellschaft mit Sitz in Frankreich. Das für die Registereintragung zuständige deutsche Amtsgericht verweigerte allerdings die Eintragung, und zwar unter Verweis auf die unstreitig fehlende vorherige Bekanntmachung des Umwandlungsbeschlusses im Handelsregister.
Das OLG Saarbrücken teilte die Ansicht des Amtsgerichts. Dem Vollzug des Eintragungsantrags stehe entgegen, dass wesentliche, bei europarechtskonformer Auslegung anwendbare nationale Schutzvorschriften des deutschen Umwandlungsrechts nicht erfüllt seien. Anders als für die grenzüberschreitende Verschmelzung gebe es derzeit nämlich noch keine nationalen Regelungen für den grenzüberschreitenden Formwechsel. Der deutsche Gesetzgeber habe vielmehr noch bis Ende Januar 2023 Zeit, die Richtlinie (EU) 2019/2121 vom 27.11.2019 in nationales Recht umzusetzen. Die europäische Grundfreiheit der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 und 54 AEUV) gebiete aber, dass ein Formwechsel aus bzw. in das EU-Ausland bereits jetzt möglich sein muss.
Das OLG Saarbrücken stellte fest, dass bis zur Umsetzung der Richtlinie die Formwechselvorschriften der §§ 190 ff. UmwG anzuwenden und richtlinienkonform auszulegen sind. Darüber hinaus sollen die für grenzüberschreitende Verschmelzungen geltenden Vorschriften (§§ 122d, 122e UmwG) zur Bekanntmachung des Verschmelzungsplans und zur Erstellung eines Verschmelzungsberichts entsprechend greifen, sofern der Schutz Dritter dies erfordert.
Nach Ansicht des Gerichts war dieser Drittschutz und damit die Geltung der Verschmelzungsvorschriften hier geboten. Denn aufgrund des grenzüberschreitenden Bezugs und des damit verbundenen Wechsels der Rechtsordnung bestehe ein Informationsbedürfnis der betroffenen Gläubiger und Arbeitnehmer. Folglich stelle der Mangel einer vorherigen Bekanntmachung des Umwandlungsbeschlusses im Handelsregister ein Eintragungshindernis dar. Ob dies auch wie vom Registergericht angenommen für den Verzicht auf den Umwandlungsbericht gilt, ließ das OLG dagegen offen.
Praxishinweis
Bis auf weiteres ist in Fällen wie diesen eine vorherige Abstimmung mit dem Registergericht über das Eintragungsverfahren geboten. Mit einer Umsetzung der Richtlinie zum grenzüberschreitenden Formwechsel vor dem Jahr 2022 ist nicht zu rechnen. Vorsorglich sollten nicht nur die aktuell bestehenden nationalen Vorschriften zum Formwechsel und zur grenzüberschreitenden Verschmelzung, sondern auch die Regelungen der umzusetzenden EU-Richtlinie im Auge behalten werden.