BGH:
Obacht beim Ste­hen­las­sen von For­de­run­gen aus Lie­fe­rung und Leis­tung in der Krise

27.09.2019

Ent­schei­dung

Wird die aus einem übli­chen Aus­tausch­ge­schäft (z. B. Kauf oder Dienst­leis­tung) her­rüh­ren­de For­de­rung eines Gesell­schaf­ters über einen Zeit­raum von mehr als drei Mona­ten rechts­ge­schäft­lich oder fak­tisch zu Guns­ten sei­ner Gesell­schaft gestun­det, han­delt es sich grund­sätz­lich um eine dar­le­hens­glei­che For­de­rung, dieder Insol­venz­an­fech­tung unter­liegt, wenn sie inner­halb eines Jah­res vor dem Antrag auf Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens zurück­ge­zahlt wird, so der BGH in einer kürz­lich ver­öf­fent­lich­ten Ent­schei­dung (BGH, Urteil vom 11.07.2019 – IX ZR 210/18).


Hin­ter­grund

Der Insol­venz­ver­wal­ter einer Gesell­schaft ist berech­tigt, For­de­run­gen auf Rück­ge­währ eines Gesell­schaf­ter­dar­le­hens an die Gesell­schaft oder For­de­run­gen aus Rechts­hand­lun­gen, die einem sol­chen Dar­le­hen wirt­schaft­lich ent­spre­chen, anzu­fech­ten, wenn sie inner­halb eines Jah­res vor Insol­venz­an­trag­stel­lung zurück­ge­zahlt wur­den (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Rechts­fol­ge der Anfech­tung ist die Ver­pflich­tung des Gesell­schaf­ters zur Rück­ge­währ des emp­fan­ge­nen Betrags an die Insolvenzmasse.

Der BGH hat nun ent­schie­den, dass auch For­de­run­gen aus Lie­fe­rung und Leis­tung hier­un­ter fal­len kön­nen, wenn sie der Gesell­schaft gestun­det wer­den. Dies sei zwar nicht bei jeder Stun­dung der Fall, wohl aber dann, wenn eine For­de­rung län­ger als drei Mona­te nicht begli­chen wird, da dann der zeit­li­che Bereich der im Geschäfts­le­ben gebräuch­li­chen Fäl­lig­keits- bzw. Stun­dungs­ver­ein­ba­run­gen ein­deu­tig über­schrit­ten sei.

Laut dem BGH ist jeden­falls eine ver­kehrs­üb­li­che Fäl­lig­keits­frist von 30 Tagen unschäd­lich. Auch eine Stun­dung von 60 Tagen (in ent­spre­chen­der Anwen­dung des § 271a Abs. 1 BGB) genü­ge für die Umqua­li­fi­zie­rung einer sons­ti­gen For­de­rung in eine Dar­le­hens­for­de­rung nicht, weil die­se erfor­de­re, dass der im Ver­kehr mit Drit­ten übli­che Zeit­raum einer Fäl­lig­keits­ver­ein­ba­rung oder Stun­dung zwei­fels­frei über­schrit­ten wird. Dies sei viel­mehr erst nach Ablauf von mehr als drei Mona­ten der Fall, wie sich auch aus der Rege­lung des § 488 Abs. 3 Satz 2 BGB erge­be. Hier­nach legt das Gesetz für unbe­fris­te­te Dar­le­hens­ver­trä­ge eine ordent­li­che Kün­di­gungs­frist von drei Mona­ten fest. Sei die­ser Zeit­raum ver­stri­chen, so der BGH, gewin­ne eine auf einem sons­ti­gen Rechts­grund beru­hen­de For­de­rung typi­scher­wei­se Dar­le­hens­cha­rak­ter, weil die Gesell­schaft bei wirt­schaft­li­cher Betrach­tung nicht anders ste­he, als wäre ihr ein inner­halb die­ser Frist ordent­lich künd­ba­res Dar­le­hen gewährt worden.


Pra­xis­hin­weis

Der Fall zeigt erneut, dass in der Kri­se Vor­sicht gebo­ten ist mit der Gewäh­rung von Gesell­schaf­ter­dar­le­hen, und eben schon mit schlich­ter Untä­tig­keit, näm­lich bei aus­blei­ben­der Ein­zie­hung von Außen­stän­den des Gesell­schaf­ters gegen­über der Gesell­schaft. Deu­tet sich die Kri­se an, soll­ten For­de­run­gen nach Mög­lich­keit unver­züg­lich aus­ge­gli­chen wer­den, sofern die Liqui­di­tät der Gesell­schaft dies noch hergibt.

Die Grund­sät­ze gel­ten im Übri­gen nicht nur bei Leis­tun­gen zwi­schen dem unmit­tel­bar betei­lig­ten Gesell­schaf­ter und der Gesell­schaft, son­dern eben­so bei Leis­tun­gen zwi­schen ver­bun­de­nen Unternehmen.

Ansprechpartner


Stefan Thoß

Geschäftsführer
Rechtsanwalt

Telefon: +49 40 4223 6660-40

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