BAG:
Neu­es zum Equal Pay – Paar­ver­gleich statt Medi­an oder: Ein ein­zel­ner Kol­le­ge kann genügen

Ent­schei­dung

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt („BAG“) hat­te in einem grund­le­gen­den Urteil über die Kla­ge einer Arbeit­neh­me­rin zu ent­schei­den, die Ansprü­che wegen unglei­cher Bezah­lung bzw. Ent­gelt­dis­kri­mi­nie­rung gel­tend macht (BAG, Urteil vom 28.10.2025 – 8 AZR 300/24). Das Gericht hat dabei die Anfor­de­run­gen an die Indi­zi­en, die für eine geschlechts­be­ding­te Benach­tei­li­gung spre­chen, im Ver­gleich zur Vor­in­stanz erheb­lich her­ab­ge­setzt. Es reicht hier­nach aus, wenn die Klä­ge­rin die Ent­gelt­dif­fe­renz durch Ver­gleich mit einem ein­zel­nen männ­li­chen Kol­le­gen dar­legt, mag die­ser auch beson­ders viel ver­die­nen (soge­nann­ter Paarvergleich).


Hin­ter­grund

Die Klä­ge­rin, die seit mehr als 15 Jah­ren als Abtei­lungs­lei­te­rin bei der Beklag­ten bzw. deren Rechts­vor­gän­ge­rin tätig ist, macht, gestützt auf Art. 157 des Ver­trags über die Arbeits­wei­se der Euro­päi­schen Uni­on (AEUV) und §§ 3, 7 Ent­gelt­trans­pa­renz­ge­setz (Entg­Tran­spG), Ansprü­che auf Gleich­be­hand­lung bei der Bezah­lung mit ihren männ­li­chen Kol­le­gen gel­tend. Zur Begrün­dung ihrer Ansprü­che stützt sie sich unter ande­rem auf Anga­ben in einem Dash­board, das im Intra­net der Ertei­lung von Aus­künf­ten im Sin­ne des Entg­Tran­spG dient. Von einem Kol­le­gen kann­te sie das kon­kre­te Gehalt.

Das LAG Baden-Würt­tem­berg (Urteil vom 1.10.2024 – 2 Sa 14/24) hat­te der Kla­ge nur teil­wei­se statt­ge­ge­ben. Es genü­ge nicht, wenn die Klä­ge­rin sich für die Ver­mu­tung einer Ent­gelt­be­n­ach­tei­li­gung nur auf eine ein­zi­ge Ver­gleichs­per­son des ande­ren Geschlechts stützt. Eine sol­che Ver­gleichs­grup­pe“ sei zu klein und daher bestehe, auch unter Berück­sich­ti­gung der Median­ent­gel­te bei­der ver­gleich­ba­rer Geschlech­ter­grup­pen, kei­ne über­wie­gen­de Wahr­schein­lich­keit für eine geschlechts­be­ding­te Benach­tei­li­gung und damit kein Indiz i.S.v. § 22 AGG. Immer­hin kön­ne die Klä­ge­rin aber die Dif­fe­renz zwi­schen dem Median­ent­gelt der weib­li­chen und dem der männ­li­chen Ver­gleichs­grup­pe beanspruchen. 

Dem ist das BAG nicht gefolgt. Nach sei­ner Auf­fas­sung bedür­fe es kei­ner über­wie­gen­den Wahr­schein­lich­keit für eine geschlechts­be­zo­ge­ne Benach­tei­li­gung. Dies wür­de den Vor­ga­ben des pri­mä­ren Uni­ons­rechts wider­spre­chen. Die Klä­ge­rin müs­se nur vor­tra­gen, dass einem Kol­le­gen, der glei­che oder gleich­wer­ti­ge Arbeit ver­rich­tet, ein höhe­res Gehalt gezahlt wird. Dem wird auch dann genügt, wenn nur eine ein­zel­ne Per­son zum Ver­gleich her­an­ge­zo­gen wird. Es sei dann Auf­ga­be des beklag­ten Unter­neh­mens, sach­li­che Grün­de für die Ungleich­be­hand­lung dar­zu­le­gen. Vom beklag­ten Unter­neh­men war inso­fern ein­ge­wandt wor­den, dass die zum Ver­gleich her­an­ge­zo­ge­nen Kol­le­gen nicht die glei­che oder gleich­wer­ti­ge Arbeit machen wür­den und die Schlech­ter­be­zah­lung im Übri­gen sach­lich gerecht­fer­tigt sei. Die unter­schied­li­che Ent­gelt­hö­he beru­he auf Leis­tungs­män­geln der Klä­ge­rin, die aus die­sem Grund auch weni­ger ver­die­ne als der Mit­tel­wert der weib­li­chen Abtei­lungs­lei­ter. Das BAG hat den Fall an das LAG zurück­ver­wie­sen, damit die Par­tei­en ergän­zend vor­tra­gen können.


Pra­xis­hin­weis

Die Ent­schei­dung ist von enor­mer Bedeu­tung für die Ver­gü­tungs­pra­xis von Unter­neh­men. Die Anfor­de­run­gen an die Indi­zi­en für eine geschlechts­be­ding­te Benach­tei­li­gung bei der Bezah­lung wur­den erheb­lich abge­senkt, was dazu führt, dass Equal-Pay-Kla­gen deut­lich erleich­tert wer­den. Unter­neh­men müs­sen sich in Zukunft ver­stärkt auf sol­che Kla­gen, ins­be­son­de­re von aus­ge­schie­de­nen Mit­ar­bei­ten­den, ein­stel­len. Hier­bei ist zu beden­ken, dass die Ansprü­che, wie im vor­lie­gen­den Fall, über meh­re­re Jah­re rück­wir­kend gel­tend gemacht wer­den kön­nen, was zu hohen Nach­for­de­run­gen füh­ren kann. 

In der Fol­ge soll­ten Unter­neh­men, sofern noch nicht gesche­hen, ihre Ver­gü­tungs­ent­schei­dun­gen noch sorg­fäl­ti­ger begrün­den und doku­men­tie­ren. Dies gilt umso mehr vor dem Hin­ter­grund der euro­päi­schen Ent­gelt­trans­pa­renz­richt­li­nie, die bis zum 7. Juni 2026 in deut­sches Recht umzu­set­zen ist. Hier­nach kom­men auf die Unter­neh­men im Ver­gleich zum gel­ten­den Entg­Tran­spG deut­lich erwei­ter­te Infor­ma­ti­ons- und Berichts­pflich­ten zu. Über­dies wird der Aus­kunfts­an­spruch der Mit­ar­bei­ten­den bezüg­lich der Ent­gelt­hö­he erwei­tert. Künf­tig haben Beschäf­tig­te in allen Unter­neh­men unab­hän­gig von der Mit­ar­bei­ter­zahl einen sol­chen Aus­kunfts­an­spruch und nicht, wie bis­lang, erst in Betrie­ben mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten.

Ansprechpartner


Stefan Thoß

Geschäftsführer
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Lukas Vogt

Rechtsanwalt

Telefon: +49 40 4223 6660-47

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