BAG:
Zur Unan­ge­mes­sen­heit von Ver­fall­klau­seln in (vir­tu­el­len) Aktienoptionsprogrammen

Ent­schei­dung

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt („BAG“) hat sei­ne arbeit­ge­ber­freund­li­che Recht­spre­chung zu Ver­fall­klau­seln von Opti­ons­rech­ten im Rah­men von Mit­ar­bei­ter­be­tei­li­gungs­pro­gram­men auf­ge­ge­ben und eine arbeit­neh­mer­freund­li­che­re Posi­ti­on bezo­gen (BAG, Urteil vom 19.03.2025 – 10 AZR 67/24). Ver­fall­klau­seln in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen („AGB“), die den Sofort­ver­fall von zuguns­ten des Arbeit­neh­mers geves­te­ten vir­tu­el­len Opti­ons­rech­ten bei Eigen­kün­di­gung des Arbeit­neh­mers vor­se­hen, hält das BAG für unwirk­sam. Das Glei­che gel­te auch für Klau­seln, nach denen die vir­tu­el­len Opti­ons­rech­te nach Been­di­gung des Arbeits­ver­hält­nis­ses dop­pelt so schnell ver­fal­len, wie sie inner­halb der Ves­t­ing-Peri­ode ent­stan­den sind.


Hin­ter­grund

Der Klä­ger war als Arbeit­neh­mer bei der Beklag­ten beschäf­tigt und nahm an einem vir­tu­el­len Mit­ar­bei­ter­ak­ti­en­op­ti­ons­pro­gramm (Employee Stock Opti­on Pro­vi­si­ons – ESOP“) teil. Das ESOP sah vor, dass die vir­tu­el­len Optio­nen inner­halb einer vier­jäh­ri­gen, gestaf­fel­ten Ves­t­ing-Peri­ode ratier­lich aus­üb­bar wur­den. Die Aus­übung der Optio­nen setz­te ein bestimm­tes Aus­übungs­er­eig­nis vor­aus (Share-Deal/As­set-Deal/I­PO). Zudem sah das ESOP den Sofort­ver­fall bereits geves­te­ter Optio­nen vor, wenn der Arbeit­neh­mer vor einem Aus­übungs­er­eig­nis das Anstel­lungs­ver­hält­nis selbst kün­digt (Ziff. 4.2 ESOP). In ande­ren Fäl­len der Been­di­gung des Arbeits­ver­hält­nis­ses soll­ten bereits geves­te­te Optio­nen suk­zes­si­ve inner­halb eines Zeit­raums von zwei Jah­ren ver­fal­len (Ziff. 4.5 ESOP). Als der Klä­ger das Arbeits­ver­hält­nis kün­dig­te, waren ca. 30 % sei­ner ihm zuge­teil­ten Opti­ons­rech­te gevestet.

Anders als die Vor­in­stan­zen gab das BAG dem kla­gen­den Arbeit­neh­mer Recht. Es ent­schied, dass die bei Been­di­gung des Arbeits­ver­hält­nis­ses geves­te­ten vir­tu­el­len Optio­nen weder durch die Eigen­kün­di­gung des Klä­gers sofort noch im Anschluss dar­an schritt­wei­se ver­fal­len sei­en. Die ESOP-Ver­fall­klau­seln hiel­ten als AGB zwar einer Transparenz‑, nicht jedoch einer Inhalts­kon­trol­le stand.

Die Ver­fall­klau­seln in Ziff. 4.2 und 4.5 ESOP sei­en nach § 307 Abs. 2 Nr.1 BGB unwirk­sam, da sie mit wesent­li­chen gesetz­li­chen Grund­ge­dan­ken unver­ein­bar sei­en. Die sofor­ti­ge Ver­fall­klau­sel der Ziff. 4.2 ESOP unter­schei­de nicht nach dem Grund der Eigen­kün­di­gung. Folg­lich könn­ten geves­te­te Optio­nen auch in Kon­stel­la­tio­nen ver­fal­len, in denen die Eigen­kün­di­gung eine Reak­ti­on auf arbeit­ge­ber­sei­ti­ges ver­trags­wid­ri­ges Ver­hal­ten dar­stel­le. Zudem ste­he die Klau­sel im Wider­spruch zum Grund­ge­dan­ken des § 611a Abs. 2 BGB. Die bereits geves­te­ten vir­tu­el­len Optio­nen ord­net das BAG als Gegen­leis­tung für die wäh­rend der Ves­t­ing-Peri­ode erbrach­te Arbeits­leis­tung des Arbeit­neh­mers ein, da das Erdie­nen“ der vir­tu­el­len Optio­nen nach der Sys­te­ma­tik des ESOP an das Bestehen eines Ent­gelt­an­spruchs des Arbeit­neh­mers gekop­pelt war. Der Gegen­leis­tungs­cha­rak­ter ent­fie­le auch nicht auf­grund der Unge­wiss­heit hin­sicht­lich einer spä­te­ren gewinn­brin­gen­den Aus­übung der geves­te­ten vir­tu­el­len Optionsrechte. 

Auch die Ver­fall­klau­sel der Ziff. 4.5 ESOP, wonach in ande­ren Fäl­len der Been­di­gung des Arbeits­ver­hält­nis­ses vor Ein­tritt eines Aus­übungs­er­eig­nis­ses bereits geves­te­te Optio­nen suk­zes­si­ve ver­fal­len, benach­tei­li­ge den Arbeit­neh­mer unan­ge­mes­sen. Der Ver­fall­zeit­raum (suk­zes­si­ve inner­halb von zwei Jah­ren) stün­de in kei­nem ange­mes­se­nen Ver­hält­nis zur Dau­er der Ves­t­ing-Peri­ode (vier Jah­re). Die Ver­dienst­chan­ce des kün­di­gen­den Arbeit­neh­mers, der wäh­rend der Ves­t­ing-Peri­ode sei­ne Arbeits­leis­tung erbracht hat, wer­de dem­nach dop­pelt so schnell ent­wer­tet, wie sie erwor­ben wurde. 


Pra­xis­hin­weis

Wich­tig zu beto­nen ist, dass das BAG mit der Ent­schei­dung Ves­t­ing-Klau­seln nicht gene­rell den Boden ent­zo­gen hat, son­dern expli­zit aus­führt, dass geves­te­te Optio­nen nach Been­di­gung des Arbeits­ver­hält­nis­ses einem Ver­fall unter­lie­gen dür­fen. Es kommt daher noch mehr als in der Ver­gan­gen­heit auf die kon­kre­te Aus­ge­stal­tung des Mit­ar­bei­ter­be­tei­li­gungs­pro­gramms und ins­be­son­de­re die Zeit­span­ne an, die zwi­schen Been­di­gung des Arbeits­ver­hält­nis­ses und dem Aus­übungs­er­eig­nis liegt. Eine zeit­li­che Ein­gren­zung die­ser Zeit­span­ne nimmt das BAG lei­der nicht vor.

Für Unter­neh­men folgt aus der Ent­schei­dung kon­kre­ter Hand­lungs­be­darf. Ver­fall­klau­seln bestehen­der Mit­ar­bei­ter­be­tei­li­gungs­pro­gram­me soll­ten sorg­fäl­tig anhand der Aus­füh­run­gen des BAG über­prüft und ggf. an die Recht­spre­chung ange­passt wer­den. Fin­den sich Klau­seln, die an die Eigen­kün­di­gung der Mit­ar­bei­ter anknüp­fen, so ist auf eine aus­dif­fe­ren­zier­te Rege­lung zu ach­ten, die auch vor­an­ge­gan­ge­nes arbeit­ge­ber­sei­ti­ges Ver­hal­ten berück­sich­tigt – die unter­schieds­lo­se Sank­ti­on“ des Sofort­ver­falls bei Eigen­kün­di­gung dürf­te jeden­falls aus­ge­dient haben. Soweit ein suk­zes­si­ver Ver­fall vor­ge­se­hen ist, soll­te ein Gleich­lauf zwi­schen Ves­t­ing-Peri­ode und Ver­fall-Zeit­raum vor­ge­se­hen sein.

Ansprechpartner


Stefan Thoß

Geschäftsführer
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Lukas Vogt

Rechtsanwalt

Telefon: +49 40 4223 6660-47

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