Neue Mit­tei­lungs­pflich­ten bei grenz­über­schrei­ten­den Steuergestaltungen

Hin­ter­grund

Bestimm­te grenz­über­schrei­ten­de Steu­er­ge­stal­tun­gen sind ab dem 01.07.2020 mit­tei­lungs­pflich­tig (§§ 138d-138k AO). Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Finan­zen (BMF) hat­te auf­grund der Kom­ple­xi­tät der gesetz­li­chen Rege­lung ein Anwen­dungs­schrei­ben ange­kün­digt, hier­zu aber bis­lang nur einen Ent­wurf vom 02.03.2020 vor­ge­legt. Auf­grund der COVID-19-Pan­de­mie war sei­tens der EU der Weg für eine Ver­län­ge­rung der Mit­tei­lungs­fris­ten um drei Mona­te bzw. sechs Mona­te frei­ge­macht wor­den. Den­noch teil­te über­ra­schen­der­wei­se eine Spre­che­rin des BMF im Rah­men einer Regie­rungs­pres­se­kon­fe­renz am 06.07.2020 mit, dass der Minis­ter die­se Mög­lich­keit nicht in Anspruch neh­men will, son­dern auf die Ein­hal­tung der gesetz­li­chen Fris­ten bestehe. Das in der Kon­fe­renz ange­kün­dig­te Anwen­dungs­schrei­ben steht jedoch nach wie vor aus. Unklar ist daher, ob die nach dem BMF-Ent­wurf (Tz. 267 f.) bestehen­de Nicht­be­an­stan­dungs­frist bis 30.09.2020 für ab 01.07.2020 mit­tei­lungs­pflich­ti­ge Vor­gän­ge Bestand haben wird. 

Was sind mit­tei­lungs­pflich­ti­ge grenz­über­schrei­ten­de Steuergestaltungen?

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Mitteilungspflichtig ist eine Steuergestaltung, wenn sie

  • eine oder mehrere der benannten Steuerarten (ESt, KSt, GewSt, ErbSt, GrESt) betrifft – ausgenommen sind unter anderem Umsatzsteuer und Zölle (§ 138d Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO),
  • mehr als einen EU-Mitgliedstaat oder einen Drittstaat betrifft (§ 138d Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO),
  • mindestens eins der gesetzlich benannten Kennzeichen (sog. hallmarks) erfüllt (§ 138d Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO).




Was sind die gesetz­li­chen Kenn­zei­chen einer Steuergestaltung?

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Folgende Kennzeichen führen stets zur Mitteilungspflicht (§ 138e Abs. 2 AO i.V.m. § 138d Abs, 2 Nr. 3b AO):

  • Zahlungen/Betriebsausgaben zwischen verbundenen Unternehmen, wenn der Empfänger in keinem Steuerhoheitsgebiet steuerlich ansässig ist oder dieses als „nicht-kooperierend“ eingestuft ist (Nr. 1a),
  • Gestaltungen für Mehrfachabschreibungen, doppelte Nicht-Erfassung, Ausnutzung erheblicher Bewertungsunterschiede oder zur Aushöhlung des Informationsaustausches (Nr. 1b, c, Nr. 2),
  • intransparente Ketten (Nr. 3),
  • Verrechnungspreisgestaltungen zur Nutzung bestimmter unilateraler Regeln, bestimmter immaterieller Vermögenswerte und bestimmter Funktionsverlagerungen.

Folgende Kennzeichen führen nur zur Mitteilungspflicht, wenn einer ihrer Hauptvorteile in der Erlangung eines steuerlichen Vorteils besteht (§ 138e Abs. 1 AO i.V.m. § 138d Abs. 2 Nr. 3a AO):

  • Vertraulichkeitsklausel für Nutzer und Beteiligte (Nr. 1a),
  • erfolgsabhängige Vergütung (Nr. 1b),
  • standardisierte Dokumentation oder Struktur der Gestaltung für mehrere Nutzer ohne individuelle Anpassungen (Nr. 2),
  • unangemessene Schritte zum Erwerb eines Verlust-Unternehmens (Nr. 3a),
    Umwandlung von Einkünften in Kapital, Schenkung oder nicht bzw. niedrig besteuerte Einkünfte (Nr. 3b),
  • zirkuläre Transaktionen bzw. Einbindung von Zwischengesellschaften (Nr. 3c),
  • Zahlungen/Betriebsausgaben zwischen verbundenen Unternehmen, wenn das Steuerhoheitsgebiet des Empfängers einen Körperschaftsteuersatz von (nahe) null hat oder die Zahlungen beim Empfänger vollständig steuerfrei oder präferentiell zu besteuern sind (Nr. 3 d, e).

Der steuerliche Vorteil soll vorliegen, wenn

  • durch die Steuergestaltung Steuern erstattet, Steuervergütungen gewährt oder erhöht oder Steueransprüche entfallen oder verringert,
  • die Entstehung von Steueransprüchen verhindert oder
  • die Entstehung von Steueransprüchen in andere Besteuerungszeiträume oder auf andere Besteuerungszeitpunkte verschoben werden (§ 138d Abs. 3 AO).




Wer ist mitteilungspflichtig?

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Mitteilungspflichten bestehen für Personen, die eine grenzüberschreitende Steuergestaltung vermarkten, für Dritte konzipieren, organisieren oder zur Nutzung bereitstellen oder verwalten (sog. „Intermediär“ – § 138d Abs. 1AO) bzw. für den Nutzer selbst, insbesondere dann, wenn der Intermediär gesetzlichen Verschwiegenheitsverpflichtungen unterliegt (§ 138f Abs. 6 AO) oder der Nutzer grenzüberschreitende Gestaltungen selbst konzipiert (§ 138d Abs. 6 AO).




Wel­che Mit­tei­lungs­fris­ten bestehen?

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  • Folgende Ereignisse lösen eine Mitteilungspflicht aus (138f Abs. 2 AO):
    • die grenzüberschreitende Steuergestaltung wird zur Umsetzung bereitgestellt,
    • der Nutzer der grenzüberschreitenden Steuergestaltung ist zu deren Umsetzung bereit oder
    • indestens ein Nutzer der grenzüberschreitenden Steuergestaltung hat den ersten Schritt der Umsetzung dieser Steuergestaltung gemacht.
  • Für aktuelle Ereignisse ab dem 01.07.2020 beträgt die Mitteilungsfrist 30 Tage nach Ablauf des Tages, an dem das erste aufgezählten Ereignisse eintritt (§ 138f Abs. 2 AO).
  • Historische Ereignisse aus dem Zeitraum 25.06.2018 bis 30.06.2020 müssen bis zum 31.08.2020 mitgeteilt werden (Art. 97 § 33 Abs. 2 EGAO).




Was ist wie mitteilungspflichtig?

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  • Anzeigepflichtige grenzüberschreitende Steuergestaltungen sind elektronisch nach amtlich vorgeschriebenen Datensatz über die amtlich bestimmte Schnittstelle dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) mitzuteilen (§ 138f AO, BMF vom 29.04.2020 – IV B 6 – S 1316/19/10024:012, IStR 2020, 480).
  • Die Mitteilungspflicht umfasst abstrakte gestaltungsbezogene Angaben zu der grenzüberschreitenden Steuergestaltung sowie personenbezogene Angaben zum Nutzer und den beteiligten Personen.




Wel­che Sank­tio­nen dro­hen bei Ver­let­zung der Mitteilungspflichten?

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Eine Verletzung der Mitteilungspflichten stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Sie kann mit einem Bußgeld von bis zu 25.000 Euro pro Verstoß geahndet werden (§ 379 Abs. 2 AO).




Pra­xis­hin­weis

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Mögliche mitteilungspflichtige Steuergestaltungen sollten zeitnah identifiziert und analysiert werden. Es ist ratsam, die detaillierte Prüfung zu dokumentieren – und zwar auch dann, wenn im Ergebnis kein mitteilungspflichtiger Sachverhalt festgestellt wird. Spätestens im Rahmen der Veranlagung wird sich auch die Finanzverwaltung mit der Thematik – zumindest bei ausgesteuerten Prüffällen – auseinandersetzen müssen (Implementierung durch den Gesetzgeber in § 138k AO).



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