BFH:
Keine gewerbesteuerliche Hinzurechnung von aktivierungspflichtigen Mietaufwendungen auch bei unterjährig verkauften Produkten
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof (III. Senat) hat entschieden (BFH, Urteil vom 30.07.2020 – III R 24/18), dass Miet- und Pachtzinsen für gemietete Wirtschaftsgüter für die Gewerbesteuer nicht dem Gewinn anteilig hinzuzurechnen sind, wenn sie in die Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens einzubeziehen sind. Insoweit reicht es aus, dass die Miet- und Pachtzinsen als Herstellungskosten aktiviert worden wären, wenn sich das Wirtschaftsgut am Bilanzstichtag noch im Betriebsvermögen befunden und deshalb hätte aktiviert werden müssen.
Daher ist auch für unterjährig schon verkaufte Produkte keine Hinzurechnung vorzunehmen – abweichend von der bisherigen Verwaltungsauffassung. Ein weiteres Revisionsverfahren ist noch beim IV. Senat (IV R 31/18) anhängig.
Hintergrund
Zur Berechnung der Gewerbesteuer sind Zins‑, Miet‑, Pacht- und Lizenzaufwendungen in unterschiedlicher Höhe dem Gewinn hinzurechnen. Dies führt dazu, dass die Gewerbesteuer an eine Bemessungsgrundlage anknüpft, die höher als der tatsächliche Gewinn ist, und auch Unternehmen Gewerbesteuer zahlen müssen, die Verluste erwirtschaften.
Hinzuzurechnen sind nach dem Gesetzeswortlaut jedoch nur diejenigen Aufwendungen, die bei der Ermittlung des Gewinns „abgesetzt“ worden sind. Dies ist dann nicht der Fall, wenn Beträge am Jahresende als Umlauf- oder Anlagevermögen aktiviert werden (z. B. als unfertige Bauleistungen, weil Kosten für ein gemietetes Baugerät auf eine am Jahresende noch nicht abgeschlossene Baustelle entfielen).
Strittig war, ob dies auch dann gilt, wenn derartige Kosten tatsächlich nicht zu aktivieren waren, weil die damit hergestellten Produkte zum Jahresende bereits verkauft und daher nicht mehr in der Bilanz auszuweisen waren. Die Finanzverwaltung hatte auch in diesen Fällen eine Hinzurechnung gefordert, wir hatten frühzeitig die gegenteilige Auffassung vertreten (Haupt, DStR 2008, 1814). Der BFH ist mit diesem Urteil zwar erst 12 Jahre später, dafür aber vollumfänglich unserer Rechtauffassung gefolgt.
Praxishinweis
Sofern der IV. Senat des BFH in dem noch anhängigen Verfahren IV R 31/18 nicht konträr zum III. Senat entscheiden wird, wären Miet‑, Finanzierungs- und Lizenzaufwendungen nicht mehr für gewerbesteuerliche Zwecke hinzuzurechnen, wenn diese Bestandteil der Herstellungskosten sind. Dies gilt gleichermaßen für Herstellungskosten von Anlage- und Umlaufvermögen und unabhängig davon, ob sich die betreffenden Wirtschaftsgüter am Bilanzstichtag noch im Betriebsvermögen befinden. Die unterjährige Umqualifizierung der Mietzinsen in Herstellungskosten schließt eine gewerbesteuerliche Einordnung als Miet- und Pachtzinsen dauerhaft aus. Herstellungskosten können auch bei Dienstleistungsbetrieben vorliegen, die Dienstleistungen „produzieren“ (Haupt, DStR 2019, 713 – z. B. für Beratungsleistungen, Vermittlungs- bzw. Kontaktleistung). Damit könnten sich insbesondere für Unternehmen mit gemieteten Produktionsgebäuden und Maschinen (auch Leasing oder Sale-and-lease-back) signifikante Reduzierungen bei der Gewerbesteuer ergeben. Da dies in allen noch verfahrensrechtlich offenen Fällen gilt, sollte in den noch änderbaren Jahren geprüft werden, ob Änderungsanträge zu den Steuerveranlagungen gestellt werden. Für künftige Jahre ist dies bei den Steuererklärungen zu beachten. Wir empfehlen, auch für die Buchhaltung zu prüfen, ob hinzurechnungspflichtige und ‑freie Kostenbestandteile neu zu strukturieren sind.