BFH:
Kein Arbeits­lohn durch Über­nah­me der Arbeit­neh­mer-Bei­trä­ge zur Sozi­al­ver­si­che­rung durch Arbeit­ge­ber bei Summenbeitragsbescheid

Ent­schei­dung zu Summenbescheiden

Mit Urteil vom 15.06.2023 (IV R 27/20) hat der BFH ent­schie­den, dass die Ent­rich­tung von Bei­trä­gen zur Gesamt­so­zi­al­ver­si­che­rung auf­grund eines Sum­men­be­schei­des nicht zu Arbeits­lohn führt. In dem ent­schie­de­nen Fall ging es um Sach­zu­wen­dun­gen an Arbeit­neh­mer, die die monat­li­che Frei­gren­ze von 44 Euro (seit 2022: 50 Euro) über­stie­gen. Der Arbeit­ge­ber hat­te ver­kannt, dass die Lohn­steu­er­pau­scha­lie­rung nach § 37b EStG nicht zur Sozi­al­ver­si­che­rungs­frei­heit führt. Die Deut­sche Ren­ten­ver­si­che­rung erhob im Prü­fungs­ver­fah­ren die feh­len­den Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge über pau­scha­lier­te Sum­men­be­schei­de gem. § 28f Abs. 2 SGB IV. Im Rah­men einer nach­fol­gen­den Lohn­steu­er-Außen­prü­fung erließ das Finanz­amt sodann einen Lohn­steu­er-Nach­for­de­rungs­be­scheid und unter­warf zunächst auch die aus den ent­spre­chen­den Sum­men­be­schei­den ermit­tel­ten Arbeit­neh­mer­an­tei­le zur Sozi­al­ver­si­che­rung gem. § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG der Nachversteuerung.

In sei­nem Urteil vom 15.06.2023 ent­schied der BFH nun, dass auf die vom Arbeit­ge­ber über­nom­me­nen Arbeit­neh­mer­an­tei­le kei­ne Lohn­steu­er­nach­for­de­rung zu erhe­ben war. Dies begrün­de­te der BFH im Wesent­li­chen damit, dass die ein­zel­nen Beträ­ge im Fall eines Sum­men­bei­trags­be­schei­des nicht mehr auf die ein­zel­nen Arbeit­neh­mer zuor­den­bar waren. Die Zah­lung des Arbeit­ge­bers an die Sozi­al­ver­si­che­rung stellt nur dann Arbeits­lohn dar, wenn dem Arbeit­neh­mer durch die Leis­tung ein unent­zieh­ba­rer Rechts­an­spruch gegen den Sozi­al­ver­si­che­rungs­trä­ger zusteht. Durch den pau­scha­lier­ten Sum­men­bei­trags­be­scheid konn­te die Deut­sche Ren­ten­ver­si­che­rung die Bei­trä­ge zur Kranken‑, Pflege‑, Ren­ten- und Arbeits­lo­sen­ver­si­che­rung jedoch nicht per­so­nen­be­zo­gen berech­nen, son­dern durf­te die Bei­trä­ge – ohne indi­vi­du­el­le Zuord­nung auf die ein­zel­nen Arbeit­neh­mer – in Sum­me fest­set­zen. Dadurch bewirk­te die Zah­lung des Arbeit­ge­bers weder einen indi­vi­du­el­len mit­glied­schafts- oder bei­trags­recht­li­chen Vor­teil der Arbeit­neh­mer noch einen leis­tungs­recht­li­chen oder sons­ti­gen Zuwachs ihres Vermögens. 

Das Urteil erscheint über­zeu­gend, da die betrof­fe­nen Arbeit­neh­mer bei einem Sum­men­be­scheid kei­ne Ren­ten­punk­te erwerben.


Was gilt bei Einzelbescheiden?

Die meis­ten Nach­zah­lun­gen zur Sozi­al­ver­si­che­rung basie­ren auf Ein­zel­be­schei­den, in denen die per­so­nen­be­zo­ge­ne Berech­nung für jeden ein­zel­nen Arbeit­neh­mer erfolgt. In die­sen Fäl­len erwirbt der ein­zel­ne Arbeit­neh­mer Ren­ten­punk­te. Bei Nach­zah­lun­gen auf­grund von Betriebs­prü­fun­gen ist der Arbeit­ge­ber auf­grund Zeit­ab­laufs (§ 28g SGB IV) nicht berech­tigt, den Arbeit­neh­mer­an­teil auf die­sen abzu­wäl­zen“. Daher über­rascht es, dass die­se zwin­gen­de Über­nah­me hin­sicht­lich etwa­iger Lohn­steu­er nicht abschlie­ßend geklärt ist. 

Trägt der Arbeit­ge­ber die Nach­zah­lung des Arbeit­neh­mer­an­teils zur Gesamt­so­zi­al­ver­si­che­rung auf Basis eines Ein­zel­be­schei­des, erwirbt der Arbeit­neh­mer Ren­ten­punk­te, ohne Auf­wen­dun­gen dafür getra­gen zu haben. Daher liegt es auf den ers­ten Blick nahe, dass die Über­nah­me durch den Arbeit­ge­ber einen geld­wer­ten Vor­teil dar­stellt, der wie­der­um Lohn­steu­er und Sozi­al­ver­si­che­rung aus­lö­sen könnte.

Nach der Recht­spre­chung des BFH (VI R 4/87) liegt kei­ne Gewäh­rung zusätz­li­chen Arbeits­lohns durch die Über­nah­me des Arbeit­neh­mer­an­teils vom Arbeit­ge­ber vor, wenn der Arbeit­ge­ber es irr­tüm­lich unter­lässt, den Lohn um den gesetz­li­chen Arbeit­neh­mer­an­teil zu kür­zen und sein Rück­griff beim Arbeit­neh­mer nach den drei nächs­ten Lohn- und Gehalts­zah­lun­gen gem. § 28g Satz 3 SGB IV unmög­lich gewor­den ist. Nach Ein­tritt die­ser soge­nann­ten gesetz­li­chen Las­ten­ver­schie­bung wird dem­nach kei­ne Steu­er- und Bei­trags­pflicht aus­ge­löst. Dies wird mit dem Vor­rang der Schutz­funk­ti­on der gesetz­li­chen Las­ten­ver­schie­bung für den Arbeit­neh­mer begründet.

Dem­ge­gen­über ist im Fall von Schwarz­ar­beit bei der Über­nah­me des Arbeit­neh­mer­an­teils durch den Arbeit­ge­ber im Rah­men einer Nach­zah­lung nach der Recht­spre­chung des BFH (VI R 54/03) Arbeits­lohn anzu­neh­men. Ver­ein­ba­ren die Par­tei­en Schwarz­lohn­zah­lun­gen, kann der Schutz­funk­ti­on der gesetz­li­chen Las­ten­ver­schie­bung gem. § 28g SGB IV nach dem BFH kein Vor­rang ein­ge­räumt wer­den und die Nach­zah­lung führt zum Zufluss eines geld­wer­ten Vor­teils beim Arbeitnehmer.

Danach ist bei Ein­zel­be­schei­den die Über­nah­me des Arbeit­neh­mer­an­teils zur Sozi­al­ver­si­che­rung durch den Arbeit­ge­ber nach Ein­tritt der gesetz­li­chen Las­ten­ver­schie­bung in der Regel nicht lohn­steu­er­pflich­tig, es sei denn, die Nach­zah­lung ist – wie ins­be­son­de­re im Fall einer Schwarz­lohn­ver­ein­ba­rung – auf ein vor­sätz­li­ches Ver­hal­ten von Arbeit­ge­ber und Arbeit­neh­mer zurückzuführen. 

Frag­lich ist, ob ein geld­wer­ter Vor­teil durch Über­nah­me des Arbeit­neh­mer­an­teils über­haupt rele­van­te Ein­kom­men­steu­er aus­lö­sen kann, da der Arbeit­neh­mer­an­teil regel­mä­ßig als Son­der­aus­ga­ben abzugs­fä­hig ist. Der BFH hat zur Grup­pen­un­fall­ver­si­che­rung (VI R 9/05) bestä­tigt, dass eine Sal­die­rung fik­ti­ver Wer­bungs­kos­ten des Arbeit­neh­mers mit dem geld­wer­ten Vor­teil zuläs­sig ist, so dass nur inso­weit Arbeits­lohn vor­liegt, als kei­ne fik­ti­ven Wer­bungs­kos­ten gegen­ge­rech­net wer­den kön­nen. Das­sel­be soll­te unse­res Erach­tens auch für Son­der­aus­ga­ben gelten.


Pra­xis­hin­weis

Sofern es Prü­fungs­fest­stel­lun­gen zur Sozi­al­ver­si­che­rung gibt, gilt es die Fol­ge­wir­kung bei der Lohn­steu­er zu beach­ten. Dies gilt auch umge­kehrt, indem die Aus­wir­kun­gen von Lohn­steu­er­nach­zah­lun­gen auf die Sozi­al­ver­si­che­rung geprüft wer­den muss.

Wich­tig zu wis­sen ist, dass es kei­nen Infor­ma­ti­ons­aus­tausch zwi­schen Sozi­al­ver­si­che­rung und Lohn­steu­er-Außen­prü­fung gibt und der Steu­er­pflich­ti­ge ver­ant­wort­lich ist, die ent­spre­chen­den Kon­se­quen­zen selb­stän­dig anzu­zei­gen bzw. anzu­mel­den. Das­sel­be gilt auch bei KUG-Nach­zah­lun­gen, die regel­mä­ßig durch den Arbeit­ge­ber beim Finanz­amt anzu­zei­gen sind.

Ansprechpartner


Thomas Violet

Steuerberater
Fachberater für Internationales Steuerrecht

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Alexander Hausner, LL. M.

Rechtsanwalt,
Fachanwalt für Arbeitsrecht,
zert. Datenschutzbeauftragter

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Marie Peters

Rechtsanwältin

Telefon: +49 40 4223 6660-50

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