BGH:
Haf­tung bei Ver­schmel­zung von GmbHs

22.01.2019


Ent­schei­dung

Der BGH hat ent­schie­den, dass bei der Ver­schmel­zung von GmbHs die Gesell­schaf­ter kei­ne Dif­fe­renz­haf­tung wegen der Über­be­wer­tung des Ver­mö­gens des über­tra­gen­den Rechts­trä­gers trifft. Es kommt aber eine Haf­tung wegen exis­tenz­ver­nich­ten­den Ein­griffs in Betracht, wenn die Ver­schmel­zung eines insol­venz­rei­fen über­tra­gen­den Rechts­trä­gers als Gestal­tungs­mit­tel für des­sen liqui­da­ti­ons­lo­se Abwick­lung ein­ge­setzt und hier­durch die Insol­venz des über­neh­men­den Rechts­trä­gers her­bei­führt oder ver­tieft wird (BGH, Urteil vom 06.11.2018 – II ZR 199/17).


Hin­ter­grund

Gemäß §§ 9 Abs. 1 Satz 1, 56 Abs. 2 GmbHG hat der Gesell­schaf­ter einer GmbH im Fal­le einer Sach­ka­pi­tal­erhö­hung dafür gera­de zu ste­hen, dass der Wert der Sach­ein­la­ge den Nenn­be­trag der dafür über­nom­me­nen Geschäfts­an­tei­le erreicht. Ist dies nicht der Fall, hat der Gesell­schaf­ter die Dif­fe­renz in bar aus­zu­glei­chen (sog. Differenzhaftung). 

Umstrit­ten ist, ob die Dif­fe­renz­haf­tung auch im Fall der Ver­schmel­zung zwei­er GmbHs greift, von denen eine (die über­tra­gen­de) insol­venz­reif war und es infol­ge der Ver­schmel­zung (so zumin­dest die Behaup­tung des Insol­venz­ver­wal­ters) zur Insol­venz der über­neh­men­den GmbH gekom­men ist. Der BGH hat die Fra­ge ver­neint. Tra­gen­des Argu­ment des BGH ist (wie zuvor auch schon bezüg­lich der Ver­schmel­zung von Akti­en­ge­sell­schaf­ten), dass die Gesell­schaf­ter bei der Ver­schmel­zung anders als beim ori­gi­nä­ren Erwerb der Geschäfts­an­tei­le kei­ne Kapi­tal­de­ckungs­zu­sa­ge über­nom­men hätten.

Nach der Recht­spre­chung des BGH kann aber ein zum Scha­dens­er­satz nach § 826 BGB ver­pflich­ten­der exis­tenz­ver­nich­ten­der Ein­griff vor­lie­gen. Führt die ver­schmel­zungs­be­ding­te Ver­ei­ni­gung der Ver­mö­gens­mas­sen prak­tisch unaus­weich­lich zur Insol­venz des über­neh­men­den Rechts­trä­gers, ist die Ver­schmel­zung nicht nur aus der Per­spek­ti­ve des über­tra­gen­den Rechts­trä­gers eine Umge­hung des vom Gesetz vor­ge­se­hen Liqui­da­ti­ons­ver­fah­rens. Zudem sei das Prin­zip der Ver­mö­gen­s­tren­nung beim über­neh­men­den Rechts­trä­ger verletzt.


Pra­xis­hin­weis

Dass der BGH für die Ver­schmel­zung kei­ne Dif­fe­renz­haf­tung aner­kennt, erleich­tert einer­seits Ver­schmel­zun­gen, ins­be­son­de­re auch Kon­zern­ver­schmel­zun­gen, bedeu­tet umge­kehrt aber im Ergeb­nis eine Schwä­chung des Gläu­bi­ger­schut­zes. Denn die Dif­fe­renz­haf­tung wür­de wesent­lich frü­her ein­grei­fen als die Haf­tung wegen Exis­tenz­ver­nich­tung. Ins­be­son­de­re ist nicht erfor­der­lich, dass die über­tra­gen­de Gesell­schaft insol­venz­reif ist, son­dern es wür­de für eine Haf­tung jedes Zurück­blei­ben des Werts des über­nom­me­nen Ver­mö­gens hin­ter dem Nenn­be­trag der gewähr­ten Geschäfts­an­tei­le genü­gen. Eine Haf­tung der Gesell­schaf­ter wegen Exis­tenz­ver­nich­tung greift dage­gen nur in kras­sen Aus­nah­me­fäl­len wie dem vor­lie­gen­den, wenn die über­tra­gen­de Gesell­schaft insol­venz­reif ist. 

Wich­tig, auch für ande­re Fäl­le als die Ver­schmel­zung, ist aber die Aus­sa­ge des BGH, dass die Exis­tenz­ver­nich­tungs­haf­tung nicht zwin­gend einen Abfluss von Ver­mö­gens­wer­ten erfor­dert; viel­mehr kön­ne auch die Ver­meh­rung von Schul­den einen sol­chen Ein­griff dar­stel­len. Nicht genü­gend sei aber die blo­ße Schä­di­gung des Gesell­schafts­ver­mö­gens. Hin­zu­kom­men müs­se stets ein ver­werf­li­ches, sit­ten­wid­ri­ges Ver­hal­ten. Dies las­se sich im Fal­le des Ver­mö­gens­ent­zugs nur aus sol­chen Umstän­den ablei­ten, die Aus­druck einer Miss­ach­tung des Prin­zips der Ver­mö­gen­s­tren­nung und der Kapi­tal­bin­dung sind.

Ansprechpartner


Stefan Thoß

Geschäftsführer
Rechtsanwalt

Telefon: +49 40 4223 6660-40

Wir verwenden die nachfolgend aufgeführten Cookies, um die Zugriffe auf unsere Website zu analysieren und um die Nutzerfreundlichkeit zu erhöhen. Dadurch erhobene Daten geben wir an unsere Partner für Analysen weiter. Unsere Partner führen diese Informationen möglicherweise mit weiteren Daten zusammen, die Sie ihnen bereitgestellt haben oder die sie im Rahmen Ihrer Nutzung der Dienste gesammelt haben. Die jeweilige Einwilligung für die Nutzung der Cookies ist freiwillig, für die Nutzung dieser Website nicht notwendig und kann jederzeit widerrufen werden. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen.