FüPoG II
Die Frau­en­quo­te für Vor­stän­de kommt (zumin­dest für 70 Unternehmen)

Die Frau­en­quo­te für Vor­stän­de kommt“ – so oder ähn­lich titel­ten die Medi­en in den ver­gan­ge­nen Tagen, nach­dem das Bun­des­ka­bi­nett am 06.01.2021 den Gesetz­ent­wurf zur Ergän­zung und Ände­rung der Rege­lun­gen für die gleich­be­rech­tig­te Teil­ha­be von Frau­en an Füh­rungs­po­si­tio­nen in der Pri­vat­wirt­schaft und im öffent­li­chen Dienst („FüPoG II“) beschlos­sen hat.

In die­ser Pau­scha­li­tät ist die Aus­sa­ge aller­dings nicht ganz kor­rekt. Betrof­fen von der Frau­en­quo­te sind, wenn man ein­mal die Unter­neh­men mit Mehr­heits­be­tei­li­gung des Bun­des außer Acht lässt, nach Anga­ben der feder­füh­ren­den Minis­te­ri­en für Jus­tiz und Ver­brau­cher­schutz sowie Fami­lie, Senio­ren, Frau­en und Jugend tat­säch­lich nur 70 Unter­neh­men, von denen rund 30 aktu­ell kei­ne Frau im Vor­stand haben. Gemes­sen an der Gesamt­zahl der Unter­neh­men in Deutsch­land, selbst wenn man hier nur Akti­en­ge­sell­schaf­ten ein­be­zie­hen woll­te, ist das also nur ein sehr klei­ner Teil. Umge­kehrt beschränkt sich das FüPoG II nicht auf die Frau­en­quo­te, son­dern ergänzt die mit dem FüPoG I ein­ge­führ­ten Rege­lun­gen für die von Auf­sichts­rat und Vor­stand fest­zu­le­gen­den Ziel­vor­ga­ben um erwei­ter­te Angabe‑, Begrün­dungs- und Berichtspflichten.

Hand­lungs­be­darf sah der Gesetz­ge­ber ins­be­son­de­re vor dem Hin­ter­grund, dass die Eva­lua­ti­on des FüPoG I erge­ben habe, dass die Ent­wick­lung des Frau­en­an­teils im Vor­stand nicht mit der im Auf­sichts­rat Schritt gehal­ten habe. Wäh­rend der durch­schnitt­li­che Frau­en­an­teil in Auf­sichts­rä­ten bör­sen­no­tier­ter Unter­neh­men Ende 2020 bei 32,7 Pro­zent gele­gen habe, läge der Frau­en­an­teil in den Vor­stän­den nur 12,7 % bei Quo­ten­un­ter­neh­men bzw. 10,5 % bei Nicht-Quo­ten­un­ter­neh­men (Women-in-Board-Index 185 von Frau­en in die Auf­sichts­rä­te e.V. (FidAR)). Über­dies wür­den sich ca. 70 % der Quo­ten­un­ter­neh­men als Ziel­grö­ße für den Vor­stand Null setzen.


Wesent­li­che Neuerungen

Frau­en­quo­te“

  • In Vor­stän­den von bör­sen­no­tier­ten Unter­neh­men (AG und SE, sie­he Geset­zes­be­grün­dung S. 53), die der pari­tä­ti­schen Mit­be­stim­mung unter­lie­gen, mit mehr als drei Vor­stands­mit­glie­dern muss min­des­tens ein Mit­glied eine Frau und ein Mit­glied ein Mann sein. Die Bestel­lung eines Vor­stands­mit­glieds unter Ver­stoß gegen die­ses Betei­li­gungs­ge­bot wäre nich­tig (§ 76 Abs. 3a AktG‑E, §§ 16 Abs. 2, 40 Abs. 1a SEAG). Die Regeln gel­ten sowohl für die Neu­be­stel­lung als auch für die Wie­der­be­stel­lung von Vor­stands­mit­glie­dern. Bestehen­de Man­da­te kön­nen jedoch bis zum vor­ge­se­he­nen Ende wahr­ge­nom­men wer­den (vgl. § 26 [k] Abs. 1 EGAktG‑E).
  • Für Unter­neh­men, an denen der Bund mehr­heit­lich betei­ligt ist, sol­len noch stren­ge­re Vor­ga­ben gel­ten: Hier wird eine Min­dest­be­tei­li­gung von einer Frau (bzw. einem Mann) schon in Geschäfts­lei­tungs­or­ga­nen, die mehr als zwei Mit­glie­der haben, ein­ge­führt, und zwar unab­hän­gig von Bör­sen­no­tie­rung oder Mit­be­stim­mung, also zum Bei­spiel auch bei der GmbH. Über­dies wird die fes­te Min­dest­quo­te von 30 % in den Auf­sichts­rä­ten auf die­se Unter­neh­men ausgeweitet.
  • Eine Aus­deh­nung auf ande­re Gesell­schaf­ten erfolgt hin­ge­gen nicht. Der Gesetz­ge­ber sieht die Ein­be­zie­hung der genann­ten Unter­neh­men als gerecht­fer­tigt an, weil die­se auf­grund ihrer Stel­lung am Kapi­tal­markt und ihrer Grö­ße eine beson­de­re Aus­strah­lungs­wir­kung in der Öffent­lich­keit haben und gera­de unter Nach­hal­tig­keits­ge­sichts­punk­ten eine Vor­bild­rol­le im In- und Aus­land gerecht wer­den müss­ten (sie­he Geset­zes­be­grün­dung S. 53).
  • Die Bezeich­nung Frau­en­quo­te“ ist im Übri­gen nicht ganz kor­rekt, weil kein fes­ter Frau­en­an­teil, son­dern ledig­lich ein Min­dest­be­tei­li­gungs­ge­bot ab einer bestimm­ten Vor­stands­grö­ße fest­ge­schrie­ben wird.


Ziel­vor­ga­ben

  • Unter­neh­men, die bör­sen­no­tiert oder (auch nach Drit­telBG) mit­be­stimmt sind, sind schon nach gel­ten­dem Recht ver­pflich­tet, Ziel­grö­ßen für Auf­sichts­rä­te, Vor­stän­de und die bei­den Füh­rungs­ebe­nen unter­halb der Geschäfts­füh­rung fest­zu­le­gen. Die gel­ten­den Rege­lun­gen wer­den um erwei­ter­te Angabe‑, Begrün­dungs- und Berichts­pflich­ten ergänzt.
  • Ergän­zend zu der Anga­be des Frau­en­an­teils, der in der Pra­xis übli­cher­wei­se durch Pro­zent­an­ga­ben erfolgt, muss künf­tig zusätz­lich auch die ange­streb­te Anzahl der Frau­en genannt wer­den, um eine bes­se­re Ver­gleich­bar­keit des Ist-Zustands mit dem Soll-Zustand zu ermög­li­chen (§§ 76 Abs. 4 Satz 2, 111 Abs. 5 Satz 2 AktG‑E, §§ 36 Abs. 2 Satz 2, 52 Abs. 2 Satz 2 GmbHG‑E, § 9 Abs. 3 Satz 2 GenG‑E). Pro­zent­an­ga­ben, die kei­ne vol­le Beset­zungs­zahl erge­ben, sind nicht zulässig.
  • Die Ziel­grö­ße Null bleibt wie­der­hin zuläs­sig. Unter­neh­men müs­sen in Zukunft jedoch klar und ver­ständ­lich begrün­den und dar­über berich­ten, war­um sie geden­ken, kei­ne Frau­en in den Auf­sichts­rat, Vor­stand oder die bei­den Füh­rungs­ebe­nen unter­halb der Geschäfts­füh­rung zu beru­fen (§§ 76 Abs. 4 Satz 3, 111 Abs. 5 Satz 3 AktG‑E, §§ 36 Abs. 2 Satz 3, 52 Abs. 2 Satz 3 GmbHG‑E, § 9 Abs. 3 Satz 3 GenG‑E). Der Fest­le­gung müs­sen in die­sem Fall umfas­sen­de und sorg­fäl­ti­ge Erwä­gun­gen vor­aus­ge­hen und die Begrün­dung muss erken­nen las­sen, wel­che Umstän­de gewür­digt und wie sie gewich­tet wor­den sind. Auch wenn der Detail­grad im Ein­zel­fall vari­ie­ren kann, hat die Begrün­dung so aus­führ­lich zu sein, dass sie der Öffent­lich­keit, die hier­über im Rah­men des Berichts nach § 289f Abs. 2 Nr. 4 bzw. Abs. 4 HGB‑E unter­rich­tet wird, eine gewis­sen­haf­te Ent­schei­dung plau­si­bel machen kann. Eine Begrün­dung von 100 bis 150 Wör­tern soll­te die­sen Vor­ga­ben im Regel­fall genü­gen (sie­he Geset­zes­be­grün­dung S. 98). Die gestei­ger­te Begrün­dungs­pflicht trägt der Vor­stel­lung des Gesetz­ge­bers Rech­nung, dass eine Frau­en­quo­te von Null die Aus­nah­me blei­ben sollte.
  • Die Ver­pflich­tung zur Ziel­grö­ßen­fest­le­gung für den Vor­stand ent­fällt, wenn es schon ein Betei­li­gungs­ge­bot („Quo­te“) gemäß § 76 Abs. 3a AktG‑E gibt (§ 111 Abs. 5 Satz 9 AktG‑E).


Berichts­pflich­ten

  • Die Begrün­dung für die Ziel­grö­ße Null (sie­he oben) ist neben den bis­lang schon bestehen­den Anga­ben und der Anga­be der ange­streb­ten Anzahl der Frau­en in die Erklä­rung zur Unter­neh­mens­füh­rung bzw. den Lage­be­richt auf­zu­neh­men (§ 289f Abs. 2 Nr. 4 bzw. Abs. 4 HGB‑E). Da die Begrün­dung Gegen­stand der Berichts­pflich­ten ist, ist sie laut Geset­zes­be­grün­dung wie­der­ga­be­fä­hig zu pro­to­kol­lie­ren (sie­he Geset­zes­be­grün­dung S. 98). Gesell­schaf­ten, die nicht zur Auf­stel­lung eines Lage­be­richts ver­pflich­tet sind, sol­len eine ent­spre­chen­de Erklä­rung auf ihrer Inter­net­sei­te veröffentlichen.
  • Zuwi­der­hand­lun­gen gegen die Berichts­pflich­ten stel­len eine Ord­nungs­wid­rig­keit dar und sind buß­geld­be­wehrt. Die Geld­bu­ße kann gemäß § 334 Abs. 3a HGB für kapi­tal­markt­ori­en­tier­te Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten (§ 264d HGB) bis zu 10 Mil­lio­nen Euro 5 % des jähr­li­chen Gesamt­um­sat­zes bzw. das Zwei­fa­che des aus der Ord­nungs­wid­rig­keit gezo­ge­nen wirt­schaft­li­chen Vor­teils betra­gen. Da mit einer ver­stärk­ten Prü­fung der Erklä­run­gen zur Unter­neh­mens­füh­rung bzw. der Lage­be­rich­te durch das Bun­des­jus­tiz­amt als der zustän­di­gen Ver­wal­tungs­be­hör­de zu rech­nen ist, soll­ten die Begrün­dungs- und Berichts­pflich­ten ernst genom­men wer­den. Der Gesetz­ge­ber rech­net selbst mit (mind.) 50 Ver­fah­ren jähr­lich durch das Bundesjustizamt.


Inkraft­tre­ten

  • Das Betei­li­gungs­ge­bot (Frau­en­quo­te) gilt für Bestel­lun­gen nach Ablauf einer Über­gangs­frist von acht Mona­ten nach Inkraft­tre­ten des FüPoG II. Unter­stellt man ein Inkraft­tre­ten des Geset­zes zum 1. Mai 2021, wür­de das Betei­li­gungs­ge­bot erst­mals für Vor­stands­be­stel­lun­gen ab dem 1. Janu­ar 2022 gelten.
  • Die erwei­ter­ten Angabe‑, Begrün­dungs- und Berichts­pflich­ten für die Ziel­vor­ga­ben gel­ten dage­gen unmit­tel­bar mit Inkraft­tre­ten des Gesetzes.
  • Die erwei­ter­ten Berichts­pflich­ten (§ 289f Abs. 2 Nr. 4 bzw. Abs. 4 HGB‑E) gel­ten bereits für das nach dem 31. Dezem­ber 2020 begin­nen­de Geschäftsjahr.


Fazit

  • Das FüPoG II regelt erst­mals eine Frau­en­quo­te für den Vor­stand, von der aber nur weni­ge Unter­neh­men betrof­fen sein werden. 
  • Wesent­lich mehr Unter­neh­men sind hin­ge­gen von den erwei­ter­ten Begrün­dungs- und Berichts­pflich­ten für den Fall der weit ver­brei­te­ten Ziel­grö­ße Null betrof­fen. Inso­fern bleibt abzu­war­ten, ob die Berichts­pflich­ten und der damit ein­her­ge­hen­de Recht­fer­ti­gungs­druck dazu füh­ren, dass weni­ger Unter­neh­men sich für eine Ziel­grö­ße Null ent­schei­den, was sich der Gesetz­ge­ber offen­bar erhofft (Nud­ging).
  • Recht­lich wirft die Frau­en­quo­te durch­aus reiz­vol­le Fra­gen auf. Was ist, wenn sich bei­spiels­wei­se kein Mann oder kei­ne Frau für den betref­fen­den Vor­stand fin­det, der die erfor­der­li­chen Qua­li­fi­ka­tio­nen auf­weist oder bei der betref­fen­den Gesell­schaft anheu­ern möch­te? Bei Gesell­schaf­ten, die in einer sehr spe­zia­li­sier­ten Bran­che tätig sind, ist das gar nicht ein­mal so abwe­gig und inso­fern ist das Betei­li­gungs­ge­bot ver­fas­sungs­recht­lich, auch unter Berück­sich­ti­gung der dem Gesetz­ge­ber eröff­ne­ten Gestal­tungs­mög­lich­keit des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG, durch­aus pro­ble­ma­tisch, genau­so wie der mehr oder min­der will­kür­li­che Anknüp­fungs­punkt von vier Vorstandsmitgliedern.

Ansprechpartner


Stefan Thoß

Geschäftsführer
Rechtsanwalt

Telefon: +49 40 4223 6660-40

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