LG Frankfurt am Main:
Erste Entscheidung zur virtuellen Hauptversammlung
Entscheidung
Mit dem Urteil des LG Frankfurt a.M. vom 23.02.2021 – 3 – 05 O 64/20 – liegt die erste Entscheidung zur Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung nach dem Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts‑, Genossenschafts‑, Vereins‑, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie (COVMG) vor. Das Landgericht (LG) äußert sich dabei zu grundlegenden Fragen, wie der Möglichkeit der Stellung von Anträgen, der Fristberechnung für Aktionärsfragen, aber auch der Zulässigkeit der virtuellen Hauptversammlung an sich.
Hintergrund
Die Entscheidung des LG betraf die Hauptversammlung der Deutschen Bank AG. Die Klägerin hatte unter anderem die Ergänzung der Tagesordnung beantragt, einen Wahlvorschlag für den Aufsichtsrat gemacht sowie nach Eröffnung der Hauptversammlung per E‑Mail einen Geschäftsordnungsantrag auf sofortige Vertagung übermittelt.
- Kein Verstoß gegen Verfassungsrecht: Das LG bestätigt sowohl die formelle sowie materielle Verfassungsmäßigkeit des COVMG als auch die Zulässigkeit der virtuellen Hauptversammlung insgesamt. Insbesondere verstoße die Hauptversammlung ohne physische Präsenz nicht gegen das Wesen der Aktiengesellschaft und ein Anfechtungsgrund nach § 241 Nr. 3 AktG liege nicht vor (in dem Sinne auch LG Köln, Beschluss vom 26.02.2021 – 82 O 53/20).
- Kein Ermessensfehlgebrauch durch die virtuelle Form: Einer Anfechtung wegen Fehlgebrauchs des Ermessens bei der Auswahl der Optionen, die der Gesetzgeber den Leitungsorganen der im COVMG genannten Gesellschaften eingeräumt hat, erteilte das LG eine Absage. Die Entscheidung für die Abhaltung einer virtuellen Hauptverhandlung durch den Vorstand stellt nach Ansicht der Kammer keinen Ermessensfehlgebrauch dar und ist durch das COVMG gedeckt. Anders hatte dies noch das LG München in seinem Urteil vom 26.05.2020 (5 HK O 6378/20) in einem obiter dictum angedeutet: Beschlüsse könnten danach anfechtbar sein, wenn die Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung ermessensfehlerhaft ist.
- Ausschluss von Anträgen: Auch Ladungs- oder Bekanntmachungsmängel, auf die eine Anfechtung gestützt werden könnte, lagen nach Ansicht des LG nicht vor. Aus dem Ausschluss von Anträgen, einschließlich Geschäftsordnungsanträgen, in einer laufenden Hauptversammlung ergeben sich keine Bedenken, wenn die Gesellschaft den Aktionären jedenfalls ermöglicht, Anträge und Wahlvorschläge unter Einhaltung der 14-Tage-Frist gemäß §§ 126, 127 AktG zu stellen. Nach dem geänderten § 1 Abs. 2 Satz 3 COVMG gelten Anträge oder Wahlvorschläge von Aktionären, die nach §§ 126, 127 AktG zugänglich zu machen sind, als in der Versammlung gestellt, wenn der den Antrag stellende oder den Wahlvorschlag unterbreitende Aktionär ordnungsgemäß legitimiert und zur Hauptversammlung angemeldet ist. Der Streit darüber, ob und inwieweit Gegenanträge zugänglich zu machen waren und in der Hauptversammlung gestellt werden können, hat sich damit erübrigt.
- Berechnung der Frist für Aktionärsfragen: Eine gesetzeswidrige Verkürzung der Frist zur Fragestellung vor der Hauptversammlung verneinte die Kammer. Das Urteil wurde jedoch auf Grundlage der alten Fassung des COVMG entschieden. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 COVMG n.F. kann der Vorstand für die Hauptversammlung 2021 nur noch vorsehen, dass Fragen bis spätestens einen Tag (statt wie in 2020 zwei Tage) vor der Versammlung im Wege der elektronischen Kommunikation einzureichen sind.
Fazit
Das LG Frankfurt a.M. legt grundlegende Maßstäbe für die gerichtliche Beurteilung von Angriffen gegen virtuelle Hauptversammlungen in den Zeiten der Corona-Pandemie fest und bestätigt die derzeitige Praxis. Gespannt bleiben darf man, wie es danach weitergeht. Das COVMG gilt erst einmal nur noch für das Jahr 2021. Ein Zurück zur reinen Präsenz-HV dürfte für viele Gesellschaften indes keine Option sein.