OLG München:
Aufklärungspflichten des Verkäufers beim Unternehmenskauf
Entscheidung
Das OLG München (Urteil vom 03.12.2020 – 23 U 5742/19, NZG 2021, 423) hat ein für die Transaktionspraxis wichtiges Urteil gefällt. Es behandelt insbesondere die Reichweite von Aufklärungspflichten des Verkäufers bei Unternehmensverkäufen. Das Gericht legt insofern strenge Maßstäbe an und urteilt, dass der Verkäufer in der Regel auch ungefragt über gewichtige Krisenanzeichen und das richtige Ausmaß von Verlusten informieren muss. Ansonsten droht die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und dem Käufer steht möglicherweise ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens zu.
Hintergrund
Der vom OLG München zu entscheidende Fall betraf die Prüfung von Ansprüchen des Erwerbers beim Kauf einer KG mit einer Diskothek und einer Bar. Die Gesellschaft war in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, was dem Verkäufer auch bekannt war. Die im Verkaufsprozess vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertungen (BWA) wiesen ein negatives Ergebnis aus. Auf eine diesbezügliche Rückfrage der Käufer antwortete der Verkäufer: „Deine Bedenken wegen der letzten negativen BWA (…) möchte ich mit aktuellen Umsätzen entkräften. (…) wie von mir angekündigt, geht das ganze jetzt wieder erheblich ins Plus.“ Neben den negativen BWA gab es weitere Anzeichen für Illiquidität, über die der Verkäufer nicht informierte. Ungefähr ein Jahr nach dem Erwerb stellten die Käufer Insolvenzantrag für die KG.
Das Gericht gelangte zu folgenden Ergebnissen:
- Anfechtung wegen arglistiger Täuschung: Durch Vorspiegelung falscher Tatsachen mit der Aussage, dass sich das Ganze „wieder erheblich ins Plus“ bewege, habe der Verkäufer die wirtschaftliche Situation zu positiv dargestellt. Das Gericht sah deshalb die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung für begründet an. Die Käufer konnten somit den Ersatz des Vertrauensschadens geltend machen.
- Frist zur Arglistanfechtung eingehalten: Die Anfechtung wegen Arglist sei auch fristgemäß, weil nicht feststehe, dass die Käufer bereits beim Erwerb der KG (bzw. mehr als ein Jahr vor der Anfechtungserklärung) wussten, dass die KG überschuldet war. Allein die mit ihrer Übergabe bestehende Möglichkeit, Geschäftsunterlagen einzusehen, änderte nach Auffassung des OLG daran nichts.
- Gesteigerte Aufklärungspflichten bei Unternehmensverkäufen: Das OLG verwies in seinem Urteil auch auf die grundlegende BGH-Entscheidung von 2001 (BGH, Urteil vom 04.04.2001 – VIII ZR 32/00, NJW 2001, 2163), wonach gesteigerte Aufklärungspflichten für den Verkäufer eines Unternehmens bestehen. Auch ungefragt muss danach über die Umstände aufgeklärt werden, die für den Käufer (erkennbar) wesentlich sind und deren Offenlegung dieser erwarten durfte. Dies umfasst insbesondere Vorkommnisse, die gewichtige Anzeichen für eine anhaltende Krise der Gesellschaft sind, hierüber muss umfassend und wahrheitsgemäß unterrichtet werden. Dies ist insbesondere darin begründet, dass der Käufer den Kaufgegenstand nur eingeschränkt untersuchen kann.
Fazit
An sich sind die strengen Anforderungen des OLG bezüglich bewertungsrelevanten Aussagen oder Unterlagen (zum Beispiel Bilanzen, BWA) bei Unternehmenskäufen nichts Neues: Überraschend ist aber, dass das Gericht kein Mitverschulden des Käufers prüfte oder Aussagen zu den genauen Details von Aufklärungspflichten traf. Man hätte auch annehmen können, dass das Gericht stärker darauf abstellt, der Käufer könne die wirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens selbst einschätzen und müsse geschönte Aussagen ggf. prüfen.
In der Praxis sollte bei der Vorbereitung von Dokumenten für eine Transaktion auf Verkäuferseite darauf geachtet werden, dass die Aussagen in Info-Memos oder prognostischen Dokumenten korrekt und nicht zu einseitig sind. Über für die Kaufentscheidung wesentliche Umstände sollte auch ungefragt in dokumentierter Form aufgeklärt werden. Auf Käuferseite kann es durch das OLG-Urteil dagegen vermehrt Möglichkeiten geben, die im Kaufvertrag ausgehandelten Garantie- und Haftungsbedingungen anzugreifen, wenn bewertungsrechtliche Informationen hinsichtlich ihres Ausmaßes unzutreffend waren.