BFH:
Akteneinsichtsrecht gegenüber dem Finanzamt auf datenschutzrechtlicher Grundlage
Der BFH konkretisiert die Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte gegenüber dem Finanzamt auf datenschutzrechtlicher Grundlage (BFH vom 12.03.2024 – IX R 35/21 und vom 07.05.2024 – IX R 21/22).
Hintergrund
Art. 15 DSGVO gewährt einen Anspruch auf Auskunft, welche personenbezogenen Daten verarbeitet werden und das Recht auf eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind. Umstritten war, ob die DSGVO auch in Fällen von nicht vollharmonisierten Steuerarten Anwendung finden kann und ob sich aus Art. 15 DSGVO im Steuerverwaltungsverfahren ein Akteneinsichtsrecht ergeben kann, da die Abgabenordnung ein solches nicht vorsieht.
Sachverhalt
Im am 12.03.2024 entschiedenen Sachverhalt verlangte der Steuerpflichtige vom Finanzamt die Zurverfügungstellung elektronischer Kopien von Verwaltungsakten mit den ihn betreffenden personenbezogenen Daten einschließlich Betriebsprüfungsakten, Rechtsbehelfsakten, etwaige Handakten bzw. Kopien personenbezogener Daten, die im Rahmen konkreter Steuermessbescheide verarbeitet wurden. In dem der Entscheidung vom 07.05.2024 zu Grunde liegenden Fall begehrte der Steuerpflichtige Akteneinsicht, um Schadensersatzansprüche gegen seinen Steuerberater prüfen zu können. In beiden Fällen lehnte das Finanzamt die Anträge ab.
Entscheidung
Der BFH gibt nun Leitlinien dafür vor, welche Daten die Finanzverwaltung zur Verfügung zu stellen hat. Er stellte zunächst klar, dass die datenschutzrechtlichen Rechte nach der DSGVO technologieneutral sind und auch für in Papierakten enthaltene personenbezogene Daten gelten. Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch ist aber grundsätzlich darauf beschränkt, dass der Steuerpflichtige darüber informiert wird, welche ihn betreffenden personenbezogenen Daten verarbeitet werden. Ein Recht auf Einsicht ganzer Akten bzw. einzelner Dokumente mit personenbezogenen Daten entsteht daraus grundsätzlich nicht. Umfassendere Einsichtsrechte stehen dem Steuerpflichtigen nur ausnahmsweise zu, wenn er diese zwingend benötigt, um seine Rechte nach der DSGVO auch durchsetzen zu können. Die Finanzverwaltung kann einen offenkundig unbegründet oder exzessiven Auskunftsanspruch zurückweisen, wenn sie die Umstände hierzu darlegt. Die Finanzverwaltung ist insbesondere nicht verpflichtet, Steuerpflichtige bei der Prüfung von Schadensersatzansprüchen gegen ihre Steuerberater zu unterstützen.
Praxishinweis
Auskunftsansprüche nach Art. 15 DSGVO füllen nicht die in der Praxis monierte Lücke der Abgabenordnung hinsichtlich eines normierten Akteneinsichtsrechts. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH und des BGH formuliert der BFH die Leitlinien für Umfang und Grenzen des Auskunftsanspruchs und der Aktenkopie. Die DSGVO regelt den Umgang mit personenbezogenen Daten, aber nicht der gesamte Akteninhalt der Verwaltungsakte stellt ein personenbezogenes Datum dar. Die Herausgabe von Kopien der gesamten Verwaltungsakte oder einzelner Dokumente begrenzt der BFH auf enge Ausnahmefälle, wenn anders die Verarbeitung der personenbezogenen Daten nicht nachvollzogen werden könnte. Die Akteneinsicht bleibt somit Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung und der Prozessakte im Gerichtsverfahren (§ 78 Abs. 1 FGO, hierzu BFH, Beschluss vom 21.05.2024, IX R 28/22) vorbehalten.
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