BGH:
„Widerruf“ der Versorgungszusage eines GmbH-Geschäftsführers nur bei grobem Rechtsmissbrauch
19.08.2019
Entscheidung
Der BGH hat entschieden, dass eine GmbH Ansprüchen aus einer ihrem Geschäftsführer erteilten Versorgungszusage nur dann den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenhalten kann, wenn der Versorgungsberechtigte seine Pflichten in so grober Weise verletzt hat, dass sich die in der Vergangenheit bewiesene Betriebstreue nachträglich als wertlos oder zumindest erheblich entwertet herausstellt. Dies setzt voraus, dass die Gesellschaft durch das grobe Fehlverhalten des Begünstigten in eine ihre Existenz bedrohende Lage gebracht wurde. Der BGH lässt offen, ob im Einzelfall die Zufügung eines außerordentlich hohen Schadens genügen kann (BGH, Urteil vom 02.07.2019 – II ZR 252/16).
Hintergrund
Der BGH führt – im Einklang mit dem BAG – seine bisherige Rechtsprechung zum „Widerruf“ von Versorgungszusagen fort. Hiernach genügt es nicht, dass ein wichtiger Grund für die sofortige Beendigung des Anstellungsverhältnisses besteht oder dass das Leitungsorgan gegen strafrechtliche Vorschriften verstoßen hat. Erforderlich ist vielmehr (zumindest) eine massive Schädigung der Gesellschaft durch das Fehlverhalten des aus der Versorgungszusage Begünstigten.
In dem konkreten Fall standen verschiedene Vorwürfe gegen den Geschäftsführer, der die Mehrheit der Anteile an einen Erwerber veräußert hatte, im Raum:
- die pflichtwidrige Überleitung eines erheblichen Teils der Kunden der Beklagten auf das vom Geschäftsführer nach Übertragung seiner Anteile geleitete Konkurrenzunternehmen;
- die fehlende Mitwirkung an der vereinbarten Integration der Gesellschaft in die Käufer-Gruppe und die Verweigerung der Umsetzung der (jedenfalls vorläufig beschlossenen) Verlegung des Verwaltungssitzes der Gesellschaft;
- der eigenmächtige Zugriff auf zur Absicherung der Pensionszusage verpfändete Vermögenswerte.
Die hierzu vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen genügten dem BGH jedoch nicht. Erforderlich sei vielmehr eine nähere Bewertung der jeweiligen Auswirkungen unter Berücksichtigung möglicher Alternativursachen, damit festgestellt werden kann, ob die existenzbedrohende Lage der Gesellschaft im Wesentlichen dem durch die Pensionszusage begünstigten Geschäftsführer anzulasten ist.
Praxishinweis
Pensionszusagen werden, so wie in dem vom BGH entschiedenen Fall, oftmals nach Übernahme der Gesellschaft durch einen Erwerber zum Gegenstand von Streitigkeiten, insbesondere, wenn der Erwerber, aus welchen Gründen auch immer, mit dem Erwerb unzufrieden ist. Insofern ist im Rahmen der Vertragsverhandlungen stets eine Ablösung der Pensionsverbindlichkeiten zu erwägen, etwa durch Übertragung auf eine weitere GmbH des (Gesellschafter-) Geschäftsführers gegen Zahlung einer Vergütung. Hierin sieht der BFH keinen Zufluss von Arbeitslohn, sofern diesem kein Wahlrecht zusteht, den Ablösungsbetrag alternativ an sich selbst auszahlen zu lassen (BFH, Urteil vom 18.08.2016 – VI R 18/13).