BAG:
Ver­län­ge­rung eines Ori­en­tie­rungs­prak­ti­kums nach Unterbrechung

12.06.2019


Ent­schei­dung

Prak­ti­kan­ten haben kei­nen Anspruch auf den gesetz­li­chen Min­dest­lohn, wenn das Prak­ti­kum zur Ori­en­tie­rung für eine Berufs­aus­bil­dung oder für die Auf­nah­me eines Stu­di­ums absol­viert wird und wenn das Prak­ti­kum die Dau­er von drei Mona­ten nicht über­steigt (§ 22 Abs.1 Satz 2 Nr. 2 MiLoG). Das BAG hat ent­schie­den, dass die­se drei­mo­na­ti­ge Lauf­zeit eines Ori­en­tie­rungs­prak­ti­kums auch unter­bro­chen und um die Dau­er der Unter­bre­chungs­zeit ver­län­gert wer­den kann, wenn die ein­zel­nen Abschnit­te sach­lich und zeit­lich zusam­men­hän­gen (BAG, Urteil vom 30.1.2019 – 5 AZR 556/17).


Hin­ter­grund

Die Klä­ge­rin soll­te zur Ori­en­tie­rung für eine Berufs­aus­bil­dung den Betrieb der Beklag­ten für drei Mona­te im Rah­men eines Prak­ti­kums ken­nen­ler­nen. Eine Ver­gü­tung soll­te nicht gezahlt wer­den. Wäh­rend des am 6.10.2016 begin­nen­den Prak­ti­kums erkrank­te die Klä­ge­rin zunächst für ein paar Tage. Über die Weih­nachts­fei­er­ta­ge trat die Klä­ge­rin ent­spre­chend einer Ver­ein­ba­rung mit der Beklag­ten Urlaub“ an. Am 25.01.2016 ende­te das Prak­ti­kum vereinbarungsgemäß.

Die Klä­ge­rin for­der­te im Anschluss unter Beru­fung auf das Min­dest­lohn­ge­setz (MiLoG) und der Über­schrei­tung der drei­mo­na­ti­gen Höchst­gren­ze gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MiLoG die gesetz­li­che Min­dest­ver­gü­tung für die erbrach­ten (Arbeits)leistungen.

Das BAG hat ent­schie­den, dass der Klä­ge­rin kein Anspruch auf Ver­gü­tung zusteht. Zwar war die in § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MiLoG vor­ge­se­he­ne Höchst­dau­er für ein Ori­en­tie­rungs­prak­ti­kum von drei Mona­ten objek­tiv über­schrit­ten. Auf einen rein nach den Kalen­der­ta­gen (hier: 06.10.2016 – 25.01.2017) zu beur­tei­len­den Zeit­raum kommt es nach Auf­fas­sung des BAG jedoch nicht an. Viel­mehr sind recht­li­che oder tat­säch­li­che Unter­bre­chun­gen des Prak­ti­kums inner­halb der drei Mona­te und eine Ver­län­ge­rung um die­se Zeit mög­lich, sofern die ein­zel­nen Abschnit­te vor und nach der Unter­bre­chung sach­lich und zeit­lich zusammenhingen.

Die­se Vor­aus­set­zun­gen sah das BAG im vor­lie­gen­den Fall gege­ben; denn die Unter­bre­chung des Prak­ti­kums für weni­ge Tage sei wegen Arbeits­un­fä­hig­keit sowie in Abspra­che mit der Beklag­ten vor­ge­nom­men wor­den. Eine ent­spre­chen­de Ver­län­ge­rung der tat­säch­li­chen Dau­er des Prak­ti­kums löse kei­ne Ver­gü­tungs­pflicht aus. Durch das Kor­rek­tiv des zeit­li­chen und sach­li­chen Zusam­men­hangs der ein­zel­nen Prak­ti­kums­ab­schnit­te wer­de die Ein­heit des Prak­ti­kums sicher­ge­stellt. Fer­ner nimmt der Arbeit­ge­ber wäh­rend der Dau­er der Unter­bre­chung kei­ne Leis­tun­gen des Prak­ti­kan­ten ent­ge­gen; die­ser kann daher in die­ser Zeit nicht unlau­ter aus­ge­nutzt wer­den. Vor die­sem Hin­ter­grund kommt es auch nicht dar­auf an, ob die Unter­bre­chung von vorn­her­ein geplant war oder im Lau­fe des Prak­ti­kums zwi­schen den Par­tei­en ver­ein­bart wurde.


Pra­xis­hin­weis

Recht­li­che oder tat­säch­li­che Unter­bre­chun­gen eines Ori­en­tie­rungs­prak­ti­kums, unab­hän­gig davon, ob sie vor­ab ver­ein­bart oder spon­tan auf­tre­ten, füh­ren bei einer zeit­äqui­va­len­ten Ver­län­ge­rung des Prak­ti­kums dann nicht zu einer Min­dest­lohn­pflicht, wenn zwi­schen den Prak­ti­kums­ab­schnit­ten ein sach­li­cher und zeit­li­cher Zusam­men­hang gewahrt bleibt. Das BAG akzep­tier­te als Unter­bre­chungs­dau­er im vor­lie­gen­den Fall jeden­falls zwei Wochen. Bei tat­säch­li­chen Unter­bre­chun­gen wie Streiks oder wegen krank­heits­be­ding­ter Arbeits­un­fä­hig­keit dürf­ten auch län­ge­re Unter­bre­chun­gen dem Sinn und Zweck der Ori­en­tie­rung durch das Prak­ti­kum nicht ent­ge­gen­ste­hen. Fehlt der Zusam­men­hang, führt schon die Über­schrei­tung der drei Mona­te um einen Tag zu einer Ver­gü­tungs­pflicht nach dem Min­dest­lohn­ge­setz für das gesam­te Praktikum.

Ansprechpartner


Alexander Hausner, LL. M.

Rechtsanwalt,
Fachanwalt für Arbeitsrecht,
zert. Datenschutzbeauftragter

Telefon: +49 40 4223 6660-44

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