Risi­ken bei Inan­spruch­nah­me staat­li­cher Hil­fen in der Corona-Krise

Update vom 19.06.2020

Die Bun­des­re­gie­rung (BT-Drucks. 19/19712) hat mit­ge­teilt, dass zu Coro­na Sofort­hil­fen bis Mai (min­des­tens) schon rund 2.500 Straf­an­zei­gen wegen Sub­ven­ti­ons­be­trug gestellt wur­den. Dies ver­deut­licht, dass alle För­der­an­trä­ge, auch wenn sie durch die Umstän­de bedingt sehr kurz­fris­tig gestellt wer­den, sorg­fäl­tig bear­bei­tet wer­den müssen.


Aus­gangs­la­ge und Risikohinweis 

In der aktu­el­len außer­ge­wöhn­li­chen Situa­ti­on wer­den umfang­reich staat­li­che Unter­stüt­zun­gen (z. B. Kurz­ar­bei­ter­geld, zins­lo­se Steu­er­stun­dun­gen, Erstat­tung Umsatz­steu­er­son­der­vor­aus­zah­lun­gen, Voll­stre­ckungs­auf­schub, Sofort­hil­fe Zuschüs­se Coro­na der Bun­des­län­der für Selbst­stän­di­ge und klei­ne­re Unter­neh­men, KfW-Kre­di­te). Die Gewäh­rung die­ser Hil­fen ist jeweils an Bedin­gun­gen geknüpft, die unter­schied­lich aus­ge­stal­tet sind.

Als Unter­neh­men und ins­be­son­de­re Geschäfts­füh­rer des Unter­neh­mens ist bei der Ent­schei­dung über die Inan­spruch­nah­me zu beach­ten, dass einer­seits die Inan­spruch­nah­me die­ser Unter­stüt­zun­gen wirt­schaft­lich not­wen­dig bzw. sinn­voll sein kann und sich ein Geschäfts­füh­rer, der mög­li­che sinn­vol­le Unter­stüt­zun­gen nicht nutzt, sich gegen­über der Gesell­schaft scha­den­er­satz­pflich­tig macht (u. a. § 43 Abs. 1, 2 GmbHG), ande­rer­seits aber Ver­stö­ße gegen För­der­be­din­gun­gen und ins­be­son­de­re die Mit­tei­lung von unrich­ti­gen bzw. unvoll­stän­di­gen Anga­ben Behör­den gegen­über unmit­tel­bar straf­recht­lich rele­vant sein kön­nen (z. B. Steu­er­hin­ter­zie­hung (§ 370 AO) bzw. leicht­fer­ti­ge Steu­er­ver­kür­zung (§ 378 AO), Sub­ven­ti­ons­be­trug (§ 264 StGB), Kre­dit­be­trug (§ 265b StGB)).

Hier­bei ist zu beach­ten, dass der Umstand, dass die Behör­den ange­kün­digt haben, Unter­stüt­zungs­leis­tun­gen schnell und unbü­ro­kra­tisch zu gewäh­ren, nicht heißt, dass bei hin­rei­chen­dem Tat­ver­dacht kei­ne straf­recht­li­chen Ermitt­lun­gen erfol­gen wer­den. Die­se kön­nen im Rah­men der Ver­jäh­rungs­re­ge­lun­gen auch mit zeit­li­chem Abstand erfol­gen.


Bei­spiel­fäl­le und Einordnung

Die Schwie­rig­kei­ten kön­nen an fol­gen­den Bei­spie­len ver­deut­licht wer­den:

Bei­spiel 1: Antrag auf Steu­er­stun­dung

Pro­ble­ma­tisch ist, dass die abzu­ge­ben­den Erklä­run­gen in der Regel unbe­stimmt sind. Das von vie­len Bun­des­län­dern über­nom­me­ne Mus­ter der Bay­ri­schen Finanz­ver­wal­tung sieht fol­gen­de Erklä­rung vor:

Infol­ge der Aus­wir­kun­gen des Coro­na­vi­rus kön­nen die nach­fol­gend bereits fest­ge­setz­ten bzw. ange­mel­de­ten Steu­er­zah­lun­gen der­zeit nicht geleis­tet wer­den (erheb­li­che Härte).“

Unbe­stimmt ist, was in die­sem Zusam­men­hang kön­nen … der­zeit nicht geleis­tet wer­den“ heißt. Nach dem Wort­laut wäre davon aus­zu­ge­hen, dass die­se Vor­aus­set­zung nur dann erfüllt ist, wenn kei­ne liqui­den Mit­tel zur Ver­fü­gung stün­den (Zah­lungs­un­fä­hig­keit). Ander­seits kann dies – ins­be­son­de­re durch den Hin­weis auf die erheb­li­che Här­te“ – auch dahin­ge­hend ver­stan­den wer­den, dass kei­ne Unmög­lich­keit der Zah­lung erfor­der­lich ist, son­dern es aus­reicht, wenn die Zah­lung eine erheb­li­che Här­te“ bedeu­tet, weil dann für ande­re erfor­der­li­che Zah­lun­gen für Mate­ri­al- oder Per­so­nal gefähr­det sein kön­nen.

Sofern die Finanz­ver­wal­tung ver­an­lasst wird, auf Basis fal­scher oder unvoll­stän­di­ger Anga­ben eine Steu­er­stun­dung zu gewäh­ren, kann der Vor­wurf einer sog. Steu­er­hin­ter­zie­hung auf Zeit“ erho­ben wer­den. Unge­ach­tet des­sen, dass auch der Ver­such straf­be­wehrt ist (§ 370 Abs. 2 AO), besteht das Risi­ko, dass dahin­ge­hend fal­sche Anga­ben auf­grund der zügi­gen Bear­bei­tung zunächst nicht ent­deckt wer­den und spä­te­re Nach­prü­fun­gen in eine Coro­na-freie Zeit“ fal­len.

Bei­spiel 2: Antrag auf Sofort­hil­fe-Zuschuss Coro­na (Bei­spiel Sach­sen)
Als Vor­aus­set­zung für die­sen Zuschuss wird aus­ge­führt (Her­vor­he­bung nur hier): Die Sofort­hil­fe wird als Bil­lig­keits­leis­tung zur Über­win­dung einer exis­tenz­ge­fähr­den­den Wirt­schafts­la­ge gewährt, die durch die Coro­na-Kri­se vom Früh­jahr 2020 ent­stan­den ist. Eine exis­tenz­ge­fähr­den­de Wirt­schafts­la­ge wird ange­nom­men, wenn die fort­lau­fen­den Ein­nah­men aus dem Geschäfts­be­trieb des Antrag­stel­lers vor­aus­sicht­lich nicht aus­rei­chen, um die Ver­bind­lich­kei­ten in den auf die Antrag­stel­lung fol­gen­den drei Mona­ten aus dem erwerbs­mä­ßi­gen Sach- und Finanz­auf­wand (u. a. gewerb­li­che Mie­ten, Pacht, Lea­sing­ra­ten) zu zah­len (Liqui­di­täts­eng­pass). …“

Wei­ter­hin sieht das Antrags­for­mu­lar u. a. die Ver­si­che­rung vor, dass das Unter­neh­men infol­ge Coro­na in wirt­schaft­li­che Schwie­rig­kei­ten gera­ten [ist, die die] … wirt­schaft­li­che Exis­tenz bedro­hen.“ Die Bestim­mung der Anspruchs­vor­aus­set­zun­gen ist damit unklar.

Einer­seits wäre durch den kla­ren Ver­weis auf die Bedro­hung der wirt­schaft­li­chen Exis­tenz davon aus­zu­ge­hen, dass eine Anspruchs­vor­aus­set­zung nur dann vor­liegt, wenn kei­ne ander­wei­ti­gen Mit­tel (Gewinn­rück­la­gen frü­he­rer Jah­re, neue Kre­di­te, pri­va­te Gesell­schaf­ter­ein­schüs­se) vor­lie­gen, die in der Kri­se ein­ge­setzt wer­den kön­nen, um den Ver­lust der wirt­schaft­li­chen Exis­tenz zu ver­mei­den.

Ande­rer­seits wirkt die Defi­ni­ti­on der exis­tenz­ge­fähr­den­den Wirt­schafts­la­ge („wird an-genom­men“) als vor­greif­li­che Spe­zi­al­re­ge­lung. Bei die­ser Sicht­wei­se wären auch Unter­neh­men, die über erheb­li­che Rück­la­gen ver­fü­gen, eben­so anspruchs­be­rech­tigt, wenn die lau­fen­den Ein­nah­men hin­ter den Aus­ga­ben infol­ge Coro­na zurück­blei­ben, auch wenn auf­grund erheb­li­cher Rück­la­gen hier­durch kei­ne Exis­tenz­ge­fähr­dung zu befürch­ten ist.


Ein­schät­zung und Handlungsempfehlung

Bedingt durch die aktu­el­le Son­der­si­tua­ti­on gewährt die öffent­li­che Hand weit­ge­hen­de Erleich­te­run­gen und Sub­ven­tio­nen, ohne in der Kür­ze der Zeit hin­rei­chend kla­re Rah­men­be­din­gun­gen für die berech­tig­te Inan­spruch­nah­me schaf­fen zu kön­nen bzw. im Hin­blick auf die gewoll­te Ein­fach­heit auch schaf­fen zu wol­len. Dies ist zur schnel­len Unter­stüt­zung der Wirt­schaft sinn­voll, birgt aber für die Unter­neh­men den­noch Risi­ken. Wie lan­ge die aktu­el­le wirt­schafts­freund­li­che und unbü­ro­kra­ti­sche Hand­lungs­wei­se der Behör­den auch nach Über­win­dung der Kri­se andau­ert wird sich zei­gen – nicht zuletzt im Hin­blick auf die dann not­wen­di­ge Sanie­rung der staat­li­chen Haus­hal­te dürf­te der Zeit­raum begrenzt sein.

Da die recht­li­chen Unsi­cher­hei­ten kurz­fris­tig nicht aus­ge­räumt wer­den kön­nen und dar­aus resul­tie­ren­de straf­recht­li­che Risi­ken ver­mie­den wer­den soll­ten erscheint fol­gen­des sinnvoll:

  • Sorg­fäl­ti­ge Sich­tung der Antrags­un­ter­la­gen und Abwä­gung, ob die Anspruchs­vor­aus­set­zun­gen gege­ben sind sowie Doku­men­ta­ti­on der Grün­de für die Ent­schei­dung. Da eini­ge Behör­den fort­lau­fend aktua­li­sier­te Hin­wei­se geben (FAQ), soll­te auch doku­men­tiert wer­den, wann die Ent­schei­dung auf wel­cher Grund­la­ge getrof­fen wurde. 
  • Da die ein­schlä­gi­gen straf­recht­li­chen Tat­be­stän­de jeweils an fal­sche oder feh­len­de Anga­ben geknüpft sind, kann es sinn­voll sein, der Behör­de im Zwei­fel wei­te­re Infor­ma­tio­nen und Unter­la­gen beglei­tend zum Antrag zu über­mit­teln. Dies trägt zwar nicht zur Ver­fah­rens­ver­ein­fa­chung bei, mini­miert aber das Risi­ko eines spä­te­ren Vorwurfs. 
  • Ein mög­li­ches straf­recht­li­ches Risi­ko sinkt signi­fi­kant, wenn bei erkenn­ba­ren Zwei­fels­fra­gen (steuer-)rechtlicher Rat ein­ge­holt und danach ver­fah­ren wird. Zwar wird sich auch der recht­li­che Bera­ter mit den aktu­ell unver­meid­ba­ren Zwei­fels­fra­gen kon­fron­tiert sehen, des­sen (doku­men­tier­te) Ein­schät­zung unter Wür­di­gung des Wort­lauts der Rege­lun­gen und Antrags­for­mu­la­re und des Sinns und Zwecks der Rege­lung sowie der not­wen­di­gen Eil­be­dürf­tig­keit doku­men­tiert das Bestre­ben des Unter­neh­mens, sich im Rah­men der recht­li­chen Vor­ga­ben zu bewe­gen. Soll­te eine sol­che Ein­schät­zung nach­träg­lich (ex post) als unzu­tref­fend beur­teilt wer­den, wären ein straf­recht­li­cher Vor­wurf nicht zu erhe­ben, wenn das in der beson­de­ren Situa­ti­on Mög­li­che und auch Zumut­ba­re zur Klä­rung der Sach- und Rechts­la­ge unter­nom­men wurde.
  • Gera­de bei bean­trag­ten län­ger­fris­ti­gen Erleich­te­run­gen wird zudem zu über­wa­chen sein, ob die Grün­de jeweils im Zeit­ab­lauf noch vor­lie­gen. Dass Unter­las­sen der Mit­tei­lung über eine Ver­bes­se­rung der wirt­schaft­li­chen Lage kann eben­so straf­recht­lich rele­vant sein.

Ansprechpartner


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Dr. Heiko Haupt

Geschäftsführer
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