BGH:
Pflicht zur Rück­nah­me der Kauf­sa­che im Rah­men eines Rückgewährschuldverhältnisses

Ent­schei­dung

Der BGH (Urteil vom 29.11.2023 – VIII ZR 164/21) hat in einer aktu­el­len Ent­schei­dung einer Käu­fe­rin (Bau­un­ter­neh­me­rin) den Rücken gestärkt, die nach Lie­fe­rung einer man­gel­haf­ten Kauf­sa­che und Rück­tritt vom Kauf­ver­trag von der Ver­käu­fe­rin und Bau­stoff­händ­le­rin (ver­geb­lich) die Rück­nah­me die­ser Sache ver­lang­te. Nach dem Senat kann – jeden­falls im Ein­zel­fall – die Wei­ge­rung der Rück­nah­me des man­gel­haf­ten Kauf­ge­gen­stands als Ver­let­zung von Rück­sicht­nah­me­pflich­ten zu einem Scha­dens­er­satz­an­spruch gem. §§ 346 ff. BGB i. V. m. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB führen.


Hin­ter­grund

Der BGH-Ent­schei­dung lag eine Kla­ge einer Bau­un­ter­neh­me­rin über die Lie­fe­rung von Recy­cling-Schot­ter zu Grun­de, bei dem sich spä­ter eine Belas­tung mit Arsen zeig­te, die die zuläs­si­gen Grenz­wer­te überschritt.

Die Klä­ge­rin (Bau­un­ter­neh­me­rin) wur­de von einer Bau­her­rin beauf­tragt, auf einem ange­mie­te­ten Grund­stück einen Park- und Con­tai­ner­ver­la­de­platz zu errich­ten. Hier­für bestell­te die Klä­ge­rin im März 2012 bei der Beklag­ten (Bau­stoff­händ­le­rin) Recy­cling-Schot­ter zur Ver­wen­dung als Unter­bau. Die beklag­te Bau­stoff­händ­le­rin bezog die­ses Mate­ri­al von einer Bau­stoff­ver­triebs­ge­sell­schaft, die es ihrer­seits bei einer Her­stel­le­rin bestellte.

Die Her­stel­le­rin lie­fer­te den Recy­cling-Schot­ter im Juni 2012 im Auf­trag der Beklag­ten unmit­tel­bar an die Bau­stel­le der Klä­ge­rin, wo er von die­ser ein­ge­baut wurde.

Im Zuge der Errich­tung einer Hal­le auf dem Grund­stück im Jahr 2016 stell­te sich her­aus, dass der ein­ge­brach­te Recy­cling-Schot­ter über den gesetz­lich zuläs­si­gen Gren­zen mit Arsen belas­tet war. Dies zeig­te die Klä­ge­rin der Beklag­ten im Sep­tem­ber 2016 an und bat zudem um Über­sen­dung der Prüf­zeug­nis­se für den Recy­ling-Schot­ter im Zeit­raum der Lieferung.

Die Klä­ge­rin ver­pflich­te­te sich im Juli 2017 (im Rah­men eines gegen sie geführ­ten Rechts­streits) durch Pro­zess­ver­gleich gegen­über der Grund­stücks­ei­gen­tü­me­rin und der Bau­her­rin zur Ent­fer­nung und Ent­sor­gung des Recy­cling-Schot­ters sowie zur fach­ge­rech­ten Ein­brin­gung neu­en Schot­ters und Erstel­lung eines neu­en Pflasters.

In der Fol­ge nahm die Klä­ge­rin ihrer­seits Regress bei der Beklag­ten und ver­lang­te neben der Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses und dem Ersatz der Mehr­kos­ten für die Beschaf­fung von neu­em Recy­cling-Schot­ter auch die Abho­lung des belas­te­ten Recy­cling-Schot­ters. Die­ser For­de­rung kam die Beklag­te nicht nach, so dass die Klä­ge­rin den belas­te­ten Recy­cling-Schot­ter selbst ent­sorg­te. Auch hier­für ver­lang­te sie erst­in­stanz­lich und anschlie­ßend vor dem OLG Zwei­brü­cken ohne Erfolg Ersatz der Kosten.

Das OLG Zwei­brü­cken ließ die Revi­si­on der Klä­ge­rin zum BGH beschränkt auf die Fra­ge zu, ob nach Rück­tritt vom Kauf­ver­trag eine ver­schul­dens­un­ab­hän­gi­ge Rechts­pflicht des Rück­tritts­geg­ners zur Rück­nah­me der Kauf­sa­che bestehe. Der BGH kam in sei­ner Ent­schei­dung unter ande­rem zu fol­gen­den Ergebnissen:

  • Ver­tre­ten­müs­sen der Beklag­ten: Die Lie­fe­rung des man­gel­haf­ten Recy­cling-Schot­ters sei von der Beklag­ten zu ver­tre­ten. Die Beklag­te müs­se sich, wie die Vor­in­stanz rich­tig gese­hen habe, ein etwa­iges Ver­schul­den der Her­stel­le­rin sowie der Bau­stoff­ver­triebs­ge­sell­schaft als Vor­lie­fe­ran­tin zwar nicht gem. § 278 BGB zurech­nen las­sen, weil die­se nicht Erfül­lungs­ge­hil­fen der Beklag­ten sei­en. Sie tref­fe aber ein eige­nes Ver­schul­den an der Pflicht­ver­let­zung, denn die Dar­le­gungs- und Beweis­last hin­sicht­lich der sie ent­las­ten­den Umstän­de oblie­ge der Beklagten.
  • Erhöh­te Sorg­falts­pflich­ten der Beklag­ten: Von dem Ver­käu­fer ver­langt die im Ver­kehr erfor­der­li­che Sorg­falt zwar regel­mä­ßig kei­ne Unter­su­chung der Kauf­sa­che. Höhe­re Anfor­de­run­gen erge­ben sich aller­dings dann, wenn der Ver­käu­fer eine Garan­tie über­nom­men hat (§ 276 Abs. 1 Satz 1 BGB), wenn er Anhalts­punk­te für die Man­gel­haf­tig­keit der Sache hat oder wenn sonst beson­de­re Umstän­de vor­lie­gen, die eine höhe­re Sorg­falt gebie­ten (zum Bei­spiel für den Ver­käu­fer eines Gebraucht­fahr­zeugs). Letz­te­res kann bei beson­ders hoch­wer­ti­gen oder feh­ler­an­fäl­li­gen Pro­duk­ten oder dann der Fall sein, wenn der Ver­käu­fer eine beson­de­re Sach­kun­de besitzt oder auf­grund kon­kre­ter Anhalts­punk­te Ver­an­las­sung hat, die Ver­trags­ge­mäß­heit der Lie­fe­rung anzu­zwei­feln. Der BGH beschei­nig­te dem Beru­fungs­ge­richt hier feh­len­de Fest­stel­lun­gen dazu, ob und wie die Beklag­te die Güte des ange­lie­fer­ten Recy­cling-Schot­ters ihrer­seits geprüft habe. Die Beklag­te konn­te sich somit nach Ansicht des Senats – ohne wei­te­re Fest­stel­lun­gen – nicht ohne wei­te­res dar­auf beru­fen, sie habe auf die Rich­tig­keit der Prüf­zeug­nis­se eben­so ver­trau­en dür­fen wie auf ein red­li­ches Ver­hal­ten der in die Lie­fer­ket­te ein­ge­schal­te­ten Fach­händ­ler für Baubedarf.
  • Rück­sicht­nah­me­pflicht kann im Ein­zel­fall Rück­nah­me umfas­sen: Der BGH ver­weist dar­auf, dass ins­be­son­de­re im Ein­zel­fall (schon) der wei­te­re Ver­bleib der – nach § 346 Abs. 1 BGB in Natur zurück zu gewäh­ren­den – Kauf­sa­che beim Käu­fer bis zu ihrer Rück­nah­me durch den Ver­käu­fer (auf­grund der an die tat­säch­li­che Ver­fü­gungs­ge­walt und das zunächst noch fort­be­stehen­de Eigen­tum anknüp­fen­den Ver­ant­wort­lich­keit für deren Zustand, Auf­be­wah­rung und Behand­lung) mit erheb­li­chen (auch finan­zi­el­len) Belas­tun­gen für den Käu­fer ver­bun­den sein kön­ne. Erst recht gel­te dies für eine ggf. gebo­te­ne Ent­sor­gung der man­gel­haf­ten Kauf­sa­che. Wenn sich die sons­ti­gen, vom Gesetz vor­ge­se­he­nen Mög­lich­kei­ten für den Käu­fer (zum Bei­spiel Auf­wen­dungs­er­satz) als unzu­rei­chen­der Schutz erwei­sen, wird es nach dem BGH regel­mä­ßig als Ver­stoß gegen die Rück­sicht­nah­me­pflicht des Ver­käu­fers anzu­se­hen sein, wenn die­ser die vom Käu­fer zum Zwe­cke der Rück­ge­währ gem. § 346 Abs. 1 BGB ange­bo­te­ne Kauf­sa­che nicht zurück­nimmt, obwohl ihm die beson­de­re Belas­tung des Käu­fers und die dar­aus fol­gen­de erheb­li­che Gefähr­dung sei­ner Rech­te, Rechts­gü­ter und Inter­es­sen erkenn­bar gewor­den ist. Dies kann somit (im Ein­zel­fall) zu einem Scha­dens­er­satz­an­spruch gem. §§ 346 ff. BGB i. V. m. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB führen.


Pra­xis­hin­weis

Wäh­rend im Fal­le der Nach­er­fül­lung beim Kauf einer man­gel­haf­ten Sache im Rah­men eines Ver­brauchs­gü­ter­kaufs – auch bereits vor der gesetz­li­chen Nor­mie­rung (sog. Boden­flie­sen­fall“) – schon lan­ge aner­kannt ist, dass der Ver­käu­fer gegen­über dem Ver­brau­cher auch ver­pflich­tet ist, die man­gel­haf­te Sache ggfs. wie­der aus- und eine man­gel­freie Sache ein­zu­bau­en und dem Käu­fer die Kos­ten hier­für zu erstat­ten, betraf der hier vor­lie­gen­de Fall ein Rück­ge­währ­schuld­ver­hält­nis im B2B-Bereich. Der BGH hat offen­ge­las­sen, ob auch im Rah­men eines Rück­ge­währ­schuld­ver­hält­nis­ses eine Ver­pflich­tung des Ver­käu­fers zur Rück­nah­me bestehen kann. Er hat hier viel­mehr (nur für einen Ein­zel­fall) ent­schie­den, dass die Ver­let­zung von Rück­sicht­nah­me­pflich­ten als Neben­pflicht (i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB) einen Scha­dens­er­satz­an­spruch auch im Rah­men eines B2B-Geschäfts begrün­den kann.

Was folgt dar­aus für die Pra­xis? Einer­seits gibt der BGH einen Hin­weis dar­auf, dass sich ein Lie­fe­rant nicht ohne wei­te­res mit dem Hin­weis auf sein Ver­trau­en in die Rich­tig­keit von Prüf­zeug­nis­sen und die Red­lich­keit von Vor­lie­fe­rant und Her­stel­ler von sei­ner eige­nen Ver­ant­wor­tung zur Über­prü­fung der gelie­fer­ten Sache frei­zeich­nen kann. Ihn trifft dies­be­züg­lich ein eige­nes Vertretenmüssen.

Die Ent­schei­dung ist auch im Zusam­men­hang mit dem neu­en § 439 Abs. 6 S. 2 BGB zu sehen, der bei der Nach­lie­fe­rung (unab­hän­gig vom Vor­lie­gen eines Ver­brau­cher­ver­tra­ges) eine Rück­nah­me­pflicht des Ver­käu­fers vor­sieht. Auch wenn es im Rah­men eines Rück­ge­währ­schuld­ver­hält­nis­ses kei­ne gesetz­lich nor­mier­te Rück­nah­me­pflicht gibt und der BGH hier den Cha­rak­ter einer Ein­zel­fall­ent­schei­dung betont hat, könn­te künf­tig wegen der Ver­gleich­bar­keit der Inter­es­sen­la­ge (Nach­lie­fe­rung und Rück­ge­währ) auch in ande­ren Fäl­len mit man­gel­haf­ten ent­sor­gungs­be­dürf­ti­gen Kauf­sa­chen dem Ver­käu­fer die Rück­nah­me auf­ge­bür­det wer­den.
Gera­de bei umfang­rei­chen Lie­fe­run­gen von Kauf­sa­chen mit hohen Wer­ten soll­ten Ver­käu­fer daher berück­sich­ti­gen, dass zu den Neben­pflich­ten im Rah­men eines Rück­ge­währ­schuld­ver­hält­nis­ses auch die Rück­nah­me und ggfs. Ent­sor­gung der man­gel­haf­ten Sache gehö­ren kann.

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