BFH:
Keine Verjährungsunterbrechung durch Durchsuchungsanordnung der Steuerfahndung
Entscheidung
In seinem Urteil vom 31.01.2024 – X R 7/22 – hat sich der Bundesfinanzhof mit der Frage auseinandergesetzt, ob Durchsuchungsanordnungen der Steuerfahndung eine verjährungsunterbrechende Wirkung entfalten können. Dabei entschied der BFH im vorliegenden Fall, dass die Anordnung einer Durchsuchungsmaßnahme eines Steuerfahnders wegen „Gefahr im Verzug“ nicht zur Verjährungsunterbrechung führt und verwies den Fall zur weiteren Prüfung an das Finanzgericht zurück.
Hintergrund
Die Klägerin wehrte sich gegen einen geänderten Steuerbescheid, durch den das Finanzamt den betrieblichen Gewinn nachträglich erhöhte. Zwischen dem ursprünglichen Bescheid und dem Änderungsbescheid führte die Steuerfahndung gegen die Klägerin ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Aufgrund einer Durchsuchungsmaßnahme, die ein Steuerfahndungsbeamter wegen „Gefahr im Verzug“ anordnete, wurden relevante Dokumente gesichert. Das Strafverfahren wurde schlussendlich mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und der Klägerin nur noch eine leichtfertige Steuerverkürzung gemäß § 378 AO zur Last gelegt. Für die steuerliche Festsetzungsverjährung ergibt sich in solchen Fällen eine verlängerte Frist von fünf Jahren. Diese endet jedoch laut § 171 Abs. 7 AO nicht vor Ablauf der Verjährung für die zugrunde liegende Steuerstraftat oder Ordnungswidrigkeit. Die Klägerin macht geltend, dass der geänderte Bescheid außerhalb der verlängerten Festsetzungsfrist erlassen wurde. Die Finanzbehörde hatte argumentiert, die Frist sei aufgrund der Durchsuchung im Ablauf gehemmt gewesen.
Laut Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) unterbricht jede gerichtliche oder von einer Verfolgungsbehörde angeordnete Durchsuchung die Verjährung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 OWiG). Der BFH stellte jedoch klar, dass Beamte der Steuerfahndung keine Verfolgungsbehörde im Sinne dieser Vorschrift darstellen und daher auch ihre Anordnungen die Verjährung nicht unterbrechen. Im Steuerstrafverfahren gelten die Beamten der Steuerfahndung gemäß § 404 AO zwar grundsätzlich als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft, jedoch sind sie für eine leichtfertige Steuerverkürzung nicht mit der Staatsanwaltschaft selbst gleichzusetzen. Erschwerend kam hinzu, dass ein richterlicher Beschluss, der die Durchsuchung hätte stützen können, nicht mehr auffindbar war. Der BFH konnte daher nicht überprüfen, ob der Durchsuchungsbeschluss den gesetzlichen Anforderungen entsprach, insbesondere ob die Tatvorwürfe ausreichend konkretisiert waren. Ohne diese Prüfung entfaltet ein Durchsuchungsbeschluss keine verjährungsunterbrechende Wirkung, da entsprechende Grundrechtseingriffe klaren Anforderungen unterliegen. Der BFH wies den Fall daher zurück an das Finanzgericht, um die tatsächlichen Feststellungen zum möglichen Vorliegen einer Ablaufhemmung im zweiten Rechtsgang nachzuholen.
Praxishinweis
Das Urteil verdeutlicht, wie bedeutend die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen sind, da bei sämtlichen Grundrechtseingriffen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit beachtet werden müssen. Die Ermittlungsbehörden können zwar bei dringendem Verdacht handeln, doch für eine verjährungsunterbrechende Wirkung müssen die Maßnahmen von einem Richter angeordnet sein. Die Einhaltung dieser Anforderungen ist verstärkt zu prüfen und ein gesondertes Augenvermerk auf die Abgrenzungen zwischen den Verjährungsregelungen für das Strafverfahren und für das Ordnungswidrigkeitsverfahren zu legen, da eine verjährungsunterbrechende Wirkung nur unter den dort jeweils genannten Voraussetzungen entfaltet werden kann und sich daraus auch für die steuerliche Festsetzungsverjährung erhebliche Folgewirkungen ergeben.