BGH:
Beratungsvertrag über Angelegenheiten der AG zwischen Unternehmen eines Aufsichtsrats und die AG beratendem Drittunternehmen
Entscheidung
Die Grundsätze der §§ 113, 114 AktG zum Vorbehalt und zur Kontrolle von Verträgen der Aufsichtsratsmitglieder sind auch zu beachten, wenn ein Beratervertrag zu Angelegenheiten der AG nicht unmittelbar mit der AG abgeschlossen wurde, sondern mit einem Drittunternehmen, das seinerseits die AG betreut. So entschied der BGH und erklärte den streitgegenständlichen Beratervertrag für nichtig – die vom Aufsichtsratsmitglied und der Gesellschaft eingenommenen Honorare aus dem Beratervertrag mussten zurückgezahlt werden (BGH, Urteil vom 22.06.2021 – II ZR 225/20).
Hintergrund
Die Klägerin ist Vermögensverwalterin der P‑AG und betreut diese bei Kapitalmaßnahmen. Die Beklagte zu 1 ist eine GmbH, die auf die Beratung bei Kapitalmarkttransaktionen spezialisiert ist.
Der Beklagte zu 2 ist Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der Beklagten zu 1 und Mitglied des Aufsichtsrats der P‑AG.
Die P‑AG schloss zunächst mit der Beklagten zu 1 (GmbH) einen Beratungs- bzw. Vermittlungsvertrag über die Erbringung von Kapitalmarktdienstleistungen (im Folgenden: Beratungsvertrag). Die Beklagte zu 1 vermittelte in der Folge mehrere Beratungstermine mit Unternehmen und erhielt dafür ein Honorar. Im Mai 2016 kündigte die Klägerin den Beratungsvertrag fristlos.
Im Juli 2016 unterbreitete der Vorstand der P‑AG dem Beklagten zu 2 (Geschäftsführer) gegen Zahlung eines Honorars ein Angebot: Danach sollte er unter anderem an einer Aufsichtsratssitzung der P‑AG teilnehmen, an der Bestellung einer bestimmten Person als Vorstandsmitglied mitwirken und nach Beschlussfassung in der Aufsichtsratssitzung mit sofortiger Wirkung seinen Rücktritt als Aufsichtsratsmitglied erklären. Der Beklagte zu 2 nahm das Angebot an. Die Klägerin überwies in der Folge insgesamt 14.300 Euro an die beiden Beklagten.
Der BGH sprach der Klägerin einen Rückforderungsanspruch gegen die Beklagten zu:
- Beratungsvertrag nichtig: Der Senat entschied zunächst, dass der Beratervertrag wegen eines Verstoßes gegen § 113 AktG nicht genehmigungsfähig und damit gemäß § 134 BGB nichtig ist.
- Rückzahlung von Gesellschaft und Aufsichtsratsmitglied: Zudem richtet sich der Anspruch auf Rückzahlung der Honorare nicht nur gegen das Mitglied des Aufsichtsrats, sondern auch gegen die ihm zuzurechnende Gesellschaft als Empfängerin der Vergütung. Der BGH begründet das mit dem Schutzzweck der §§ 113, 114 AktG.
- Regelungszweck der §§ 113, 114 AktG: Nach § 113 AktG ist die Entscheidung über die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder, soweit dies nicht bereits in der Satzung geregelt ist, allein der Hauptversammlung vorbehalten (Grund: keine „Selbstbedienung“ der Aufsichtsratsmitglieder; und der Vorstand soll nicht über die Vergütung der Mitglieder seines Überwachungsorgans befinden). Dies flankiert auch § 114 AktG: Die zwischen Vorstand und einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern ausgehandelten Verträge (insbesondere Beratungsverträge) werden der Zustimmung des Aufsichtsrats und damit einer zwingenden präventiven, die Offenlegung des Vertrags gegenüber dem Aufsichtsrat voraussetzenden Kontrolle unterworfen. Der betreffende Vertrag darf keine verdeckte Sonderzuwendung zum Gegenstand haben, welche die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung der Kontrolltätigkeit des Aufsichtsratsmitglieds mit sich bringt.
- Auch mittelbare Konstellationen erfasst: Das gilt auch, wenn ein Unternehmen, dessen alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ein Mitglied des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft ist, einen Vertrag zur Beratung in Angelegenheiten der Aktiengesellschaft nicht unmittelbar mit dieser, sondern mit einem Drittunternehmen schließt, das seinerseits die Aktiengesellschaft berät. Nach dem BGH macht es somit keinen entscheidenden Unterschied, ob das Aufsichtsratsmitglied den Vertrag im eigenen Namen oder im Namen einer von ihm als alleinigem Gesellschafter und Geschäftsführer geführten GmbH abschließt, über die er mittelbar die ausbedungene Vergütung erhält.
- Gefahren durch Honorarzahlungen: Bei der Zwischenschaltung eines Drittunternehmens auf der Seite der Aktiengesellschaft besteht zum einen die Gefahr, dass der Aufsichtsrat mittelbar eine Vergütung für Tätigkeiten erhält, die bereits von der zur Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats (zum Beispiel Vergütung für Teilnahme an Aufsichtsratssitzungen) umfasst werden. Ebenso besteht die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Aufsichtsratsmitglieds durch die mittelbare Gewährung einer Sondervergütung, wenn der Vorstand die Vergütung ohne Kontrolle durch den Aufsichtsrat nicht unmittelbar an das Aufsichtsratsmitglied, sondern an ein Drittunternehmen zahlt.
Fazit
Der BGH erläutert selbst, wie ein Beratungsvertrag ausgestaltet sein muss, um mögliche Umgehungen des § 113 AktG zu verhindern: Er ermöglicht eindeutige Feststellungen darüber, ob die zu erbringende Leistung außer- oder innerhalb des organschaftlichen Pflichtenkreises des Aufsichtsratsmitglieds liegt und ob der Vertrag darüber hinaus keine verdeckten Sonderzuwendungen, etwa in Form einer überhöhten Vergütung, enthält. Ansonsten sind nur Dienst- oder Werkverträge zulässig, die nicht in den Aufgabenbereich des Aufsichtsrats fallen.
Zugleich erteilt der BGH aber auch Gestaltungen, die mittelbar eine Umgehung des Schutzzwecks der §§ 113, 114 AktG bewirken, eine Absage. Nach dem Senat war auch unerheblich, ob es sich bei der vertraglichen Konstruktion um eine bewusste Umgehung handelte. Vorsatz oder gar Absicht der Beteiligten ist für eine Anwendbarkeit der §§ 113, 114 AktG nicht erforderlich.