BGH:
Keine Haftung des Geschäftsführers gegenüber Gesellschaftsgläubigern bei „Griff in die Kasse“
18.07.2019
Entscheidung
Der GmbH-Geschäftsführer haftet grundsätzlich nicht gegenüber Gesellschaftsgläubigern wegen eines zur Insolvenz der Gesellschaft führenden „Griffs in die Kasse“. Die Verpflichtung des Geschäftsführers dafür zu sorgen, dass sich die Gesellschaft rechtmäßig verhält und ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt, besteht grundsätzlich nur gegenüber der Gesellschaft und nicht im Verhältnis zu außenstehenden Dritten (BGH, Urteil vom 07.05.2019 – VI ZR 512/17).
Hintergrund
Zwischen der GmbH und der Klägerin bestanden wechselseitige Geschäftsbeziehungen sowie eine Kontokorrentabrede. Der Beklagte, Geschäftsführer einer GmbH, stellte Insolvenzantrag für die GmbH. Grund für die Zahlungsunfähigkeit war, dass der Beklagte Gesellschaftsvermögen für betriebsfremde Zwecke vereinnahmt hatte.
Die Klägerin nahm den Beklagten wegen Verletzung seiner Geschäftsführerpflichten und Zufügung eines vorsätzlich und sittenwidrigen Schadens in Anspruch (§ 826 BGB).
Der BGH verneinte einen solchen Schadensersatzanspruch. Zwar sei der Geschäftsführer gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG zur ordnungsgemäßen und gesetzestreuen Geschäftsleitung verpflichtet – jedoch nur gegenüber der Gesellschaft und nicht gegenüber Dritten. Zur Begründung einen Anspruch eines Gläubigers der Gesellschaft nach § 826 BGB genüge es nicht, dass der Geschäftsführer eine Pflicht verletze und dadurch einen Schaden verursache. Im Falle von Vermögensschäden bei Gläubigern komme es darauf an, dass den Geschäftsführer das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden des Gläubigers treffe.
Eine Treuepflicht aus der Kontokorrentvereinbarung zwischen der GmbH und der Klägerin wurde ebenfalls verneint. Aus vertraglichen Beziehungen erwachsen grundsätzlich nur den jeweiligen Vertragspartnern Pflichten, nicht hingegen Dritten. Dies gelte auch für den GmbH-Geschäftsführer, der bei vertraglichen Beziehungen der von ihm vertretenen GmbH Dritter und daher aus den für die GmbH geschlossenen Verträgen grundsätzlich nicht persönlich verpflichtet sei.
Praxishinweis
Grundsätzlich gibt es keine gesellschaftsrechtliche Anspruchsgrundlage für Dritte gegen den Geschäftsführer. Es kommen zwei Ausnahmefälle für eine persönliche Haftung in Betracht:
- Insolvenzverschleppung: Ist bereits Insolvenzreife eingetreten, ohne dass der Geschäftsführer seiner Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nachgekommen ist, haftet der Geschäftsführer den sog. Neugläubigern, die nach Eintritt der Insolvenzreife ihre Forderung erworben haben, persönlich (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO).
- Verschulden bei Vertragsschluss: Wenn der Geschäftsführer bei Vertragsschluss ein besonderes persönliches Vertrauen des Dritten, z. B. des Vertragspartners der Gesellschaft, auf die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Erklärungen in Anspruch nimmt, haftet er auch dafür. Dafür genügt allerdings nicht das Unterlassen, den Vertragspartner über die finanziellen Verhältnisse der GmbH aufzuklären.